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Untier! (Gelesen 2195 mal)
Moderator: partisanengärtner
Untier!
An einer der versponnensten Stellen des Garten, dort wo die Clematis an einer fast 3 Meter hohen Strauchpfingstrose häkelt (Sorry, Annette) und einen abgestorbenen Pflaumenbau, der inzwischen auch eine Spechtschmiede ist, als hauptsächliche Stütze nutzt, wo Cercis canadensis sein rotes Laub Schatten fächernd über den niedrigeren Bewuchs ausbreitet, dabei mit Sorbus scalaris, der seine momentan duftigen Blütendolden dem Himmel entgegenstreckt um Vorherrschaft rangelnd, wo Lilien im Dämmerlicht der Sträucher nach einem Lichtstrahl haschen, um nur ja keine Gelegenheit für ihre Blütenknospen zu verschenken, dort wo Acer griseum allmählich sein Kindheitsstadium verlassen hat und seine inzwischen eingetretene Pubertät anhand von gefüllten Samenständen beweist und auch dort, wo eine intensiv blau blühende Hortensie ihre Blütenstände für ihr eigenes Fest vorbereitet und wo der Holzstapel aus duftenden Kiefern- und Pflaumenbaumscheiten demutsvoll dem nächsten Winter entgegenharrt…ja genau dort, an dieser gartenheiligen Stelle machte sich intensiver Aasgeruch breit.Zwei Tage haben wir den Geruch negiert, doch heute musste Ursachenforschung sein. In einem Winkel des Holzstapels „lebte“ ein graues Gespinst, das ich zunächst für Spinnweben gehalten hatte, sich aber als ein mit robbenden Maden durchwebtes Fell entpuppte. Dann auch waren ein spitzer Schädel und ein buschiger Schwanz zu erahnen. Offenbar ein Marder, der dort das Zeitliche gesegnet hatte. Doch was mit dem Kadaver tun? Woher den Mut nehmen, mit welchem Werkzeug gegen den Gestank und gegen diese Madenflut angehen? Und vor allem wohin mit dem Leichnam? In hohem Bogen auf das Nachbargrundstück werfen? Oder hinter unserem Grundstück inmitten des Wiesenweges, der den Bauern als Zufahrt zu Mähwiesen dient, stimmungsvoll drapieren? Tiefe innere Einkehr, die Beschwörung tapferer (hoffentlich!) Ahnen, Kant gegen Luzifer führten zu der eigentlich naheliegendsten Lösung: Ein tiefes Loch an einer abgelegenen Stelle des Gartens. Dort darf er geruchsintensive und umtriebige Marder in Frieden ruhen (sollte er allerdings derjenige sein, der mir im Motorraum des Autos einige Kabel angeknabbert hat, verfluche ich ihn noch nachträglich).Von meiner Frau habe ich mich ob meines Mutes, mich diesem Ekel zu stellen, feiern lassen. Nach einer Weile fragte sie allerdings zögernd und ein wenig stockend, ob dieses Begräbnis vielleicht eine Übung sei.
- Gänselieschen
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Re:Untier!
Oh Fars - das ist aber schön geschrieben - du bist ja ein Poet
. Mit deiner Erlaubnis werde ich mir das kopieren und nach Hause tragen.Bitte gib mir noch ne schönere Überschrift als Untier! Das geht nicht in den Fluten von Pur unter!L.G.Gänselieschen

- zwerggarten
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Re:Untier!
also ich finde "untier" ausgesprochen wenig untergangsverdächtig, sehr schön gewählt und - doppelt - zutreffend. und fars' geschichten waren schon immer klasse (frag oile und siehe heute morgen...). :)und überhaupt: respekt! 

pro luto esse
moin
"(…) die abstrakten worte, deren sich doch die zunge naturgemäß bedienen muß, um irgend welches urteil an den tag zu geben, zerfielen mir im munde wie modrige pilze." hugo von hofmannsthal – der brief des lord chandos
moin
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- Nina
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Re:Untier!
So ist es.... und fars' geschichten waren schon immer klasse ...

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Re:Untier!
Kann mich nur anschliessen, dass das "Drama" wirklich wortschön und bildhaft erzählt ist
Was die reale Situation angeht hätte ich an fars Stelle einfach der Natur ihren Lauf gelassen - bei dem warm-nassen Wetter wären in einer Woche vom Tier nur noch Knochen über gewesen, 2 Tage waren ja schon rum.Stinkt zwar bestialisch, aber das ist wirklich schnell vorbei draußen.[size=0](Wobei verendete Mäuse im Holzfußboden im Haus auch nur eine Woche gestunken haben..)[/size]

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Erich Kästner, (1933/46), Ein alter Mann geht vorüber
“Frei zu sein bedeutet nicht nur seine eigenen Ketten abzulegen, sondern sein Leben so respektvoll zu leben, dass es die Freiheit anderer steigert.“ Nelson Mandela
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Re:Untier!
Dass Fars ein Dichter ist - ich habe es verpasst - Asche auf mein Haupt. Dann werde ich mal weiter stöbern.Bei mir stinken auch immer mal irgendwo ein paar Tage Maus oder andere Beute, die im Gebüsch irgendwo liegen. Aber ein größeres Säugetier - naja - muss man ja nicht ausleben.
Re:Untier!
huuuubrrrrrngngng die Maden zu schildern ist dir vortrefflich gelungen! Wie sie durch das Fell des armen Marders ...
Wunderschön auch die Gartenkulisse für dieses Drama!


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— Robert M. Sapolsky
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Re:Untier!
Ganz klasse beschrieben.
Und Frau Fars hat einen leicht morbiden Humor.

- partisanengärtner
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Qualitatives Wachstum hat keine Grenzen. 6b
Re:Untier!
Eine sehr bildhafte Sprache. Sogar mit einer Geruchsnote.
Wer zuviel jätet raubt sich manche Überraschung.
Axel
Axel
Re:Untier!
Man erinnert sich direkt an Hortulanus' Urzeiten, und an seinen Abschied für immer....Oder was.
- Gartenlady
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Re:Untier!
Hier gibt´s Berichte aus einem unvollkommenen Garten
Re:Untier!
Gute Frau, diese Berichte sind für - beitrittsmäßig - jüngere Puristen sicher gut & lesenswert.Mir sind sie schon vom Ursprung her bekannt, und immerhin hat mich Hortulanus schon bei seinem seinerzeitigen Abschied für ewige Zeiten sogar persönlich angesprochen...Bis er als Wiedergänger zurückkehrte.....Hier gibt´s Berichte aus einem unvollkommenen Garten
- Gänselieschen
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Re:Untier!
Tausend Dank!Hier gibt´s Berichte aus einem unvollkommenen Garten
- Violatricolor
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Re:Untier!
"dort, wo ...", ja, sehr poetisch geschrieben, und er liebt ja auch Goethe. 

Kalk drüberstreuen, und zwar ordentlich. Anschliessend mit Laub und/oder etwas Erde bedecken - so würde ich es machen.Doch was mit dem Kadaver tun?