News: Problem bei der Anmeldung? Bitte Mail über das Kontaktformular ganz unten! | garten-pur unterstützen mit einer Spende oder über das Partnerprogramm!
Michelangelo wird völlig überschätzt (Gelesen 18068 mal)
Michelangelo wird völlig überschätzt
(oder: Von einem der auszog, sich das Bildhauerhandwerk anzueignen)Es hatte mich schon lange in den Fingern gejuckt und ich wollte es selber ausprobieren: Stein mit Hammer und Meißel bearbeiten und mal schauen, was dabei rauskommt. Klar, auch hochfliegende Pläne sind dabei. So habe ich mir z.B. im vergangenen Herbst bei einem Besuch der Steinbrüche von Carrara einen Marmorbrocken mitgebracht, der meiner künstlerischen Ambitionen harrt und entweder als so etwas wie ein Kunstwerk von der Familie leidlich anerkannt wird („Sag‘ nur ja nichts Negatives, wenn Papa in der Nähe ist!“) oder als Bruchstein endet („Diese dekorativen Steinbrocken dort im Garten hat dein Vater fabriziert!“).Zunächst aber geht es um ganz simple Elevenarbeit. So wie ich vor urewigen Zeiten als Knäblein Laubsägearbeiten pflichtschuldigst zu Weihnachten anfertigte (Wurstbrettchen, Schlüsselbretter, Schlüsselanhänger, z.T. bunt bemalt), die mit süßsaurem Lächeln entgegengenommen wurden und dann in irgendwelchen Schubladen auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Bleibt abzuwarten, ob es bei dieser Art des Lächelns auch heute bleibt. Zum irgendwohin räumen sind Steine zum Glück zu schwer.1. TagDas Wichtigste ist neben Steinen, ganz klar, das Werkzeug. Und ein Arbeitstisch bzw. -hocker. Man könnte selbstverständlich auch den Küchentisch nehmen, was sich aber allenfalls bei Geschiedenen oder Trennungssüchtigen als realistisch erweisen dürfte. Ich habe mich für einen stabilen Plastikhocker aus einem Baumarkt entschieden (ist zwar eine Billiglösung, aber man muss die Kirche ja im Dorf lassen), den ich mit einer abfedernden Holzkonstruktion verschraubt habe (hat sich bislang als erstaunlich stabil, doch da zu niedrig, als wenig rückenfreundlich erwiesen).
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Um die Hammerschläge zusätzlich zu milden bekommt das Holz eine doppelte Lage aus Teppichbodenfliesen.
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Das Werkzeug (selbstredend Profi-Qualität und nach Ratschlägen eines Steinmetzes) war eine ziemlich teure Investition, die von meiner Frau mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert wurde. Ich bin also gezwungen, meine Bildhauerei mit einem gewissen Quäntchen Ernst und Ausdauer zu betreiben.
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Stolz bin ich auf das Steinmaterial. Sehr selten und kaum (oder gar nicht mehr?) zu bekommen.Es handelt sich um ein tiefrotes Schlackenkonglomerat vulkanischen Ursprungs aus einem inzwischen geschlossenen Steinbruch, der unter Naturschutz steht. Wer in der Umgebung von Frankfurt wohnt, sollte diesen äußerst sehenswerten Steinbruch am Tag des offenen Denkmals (14.9.) besuchen. http://www.steinbruch-michelnau.de/Der Stein ist relativ weich und deshalb gut zu bearbeiten. Ideal für Anfänger bzw Michelangelonellos.
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Der Stein lief auf einer Seite konisch zu und musste dort erst einmal abgetragen werden, damit eine möglichst waagegerechte Bodenplatte entstand. Harte Arbeit, zumal man sich noch nicht traut, richtig zuzuschlagen: Wie reagiert der Stein? Hat er Hohlräume? Ist das Konglomerat just an dieser Stelle relativ homogen? Ging aber recht gut, wenn ich von der verkrampften Körperhaltung einmal absehe.
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Geglättet wurde mit dem Winkelschleifer. Ob Michelangelo auch einen hatte, ist nicht überliefert. Aber er hatte gewiss dienstbare Geister, die für ihn die Kärrnerarbeit, wie Planschleifen u.ä. zu übernehmen hatten.
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
So, jetzt sieht der Stein schon etwas manierlicher aus.Doch was damit machen? Für eine Pieta ist er zu klein und das Steinmaterial nicht dicht genug. Ich habe mich für die kleinste und bescheidenste Lösung entschieden und werde entweder eine Vogeltränke oder Pflanztrog meißeln.
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Holla, inzwischen bin ich bereits in das Innere des Steins hinabgestiegen. Immer ängstlich darauf bedacht, nicht zu sehr die Seitenwände mit den groben/schweren Meißeln abzutragen, wegen der erhöhten Bruchgefahr. Das soll der Feinarbeit mit kleinen, aber besonders scharfen Meißelchen vorbehalten bleiben. Die Proportionen des künftigen Trogs stimmen noch nicht, aber das sagen ja nicht wenige auch von Michelangelos David.Ich werde über den Fortgang weiter berichten. Auch wenn es ein Misserfolg sein sollte.
- maigrün
- Beiträge: 1900
- Registriert: 14. Sep 2012, 10:16
- Bodenart: sandig
- Winterhärtezone: 7b: -14,9 °C bis -12,3 °C
-
südöstlich von berlin
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
steigt nicht (mehr) auf leitern, aber bringt sich das 'hauen von bildern' bei. kompliment!
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Mein Kompliment - für Mut und Ausführung! Ein echter fars! 

- zwerggarten
- Beiträge: 21055
- Registriert: 1. Jan 2014, 00:00
- Wohnort: berlin
- Region: märkische streusandbüchse/lüneburger heide
- Bodenart: sandiger hortisol/podsol
- Winterhärtezone: 7a: -17,7 °C bis -15,0 °C
-
berlin|7a|42 uelzen|7a|70
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
frau fars wird sowas von staunen, wenn die neue bundeslade dann fertig ist!




pro luto esse
moin
"(…) die abstrakten worte, deren sich doch die zunge naturgemäß bedienen muß, um irgend welches urteil an den tag zu geben, zerfielen mir im munde wie modrige pilze." hugo von hofmannsthal – der brief des lord chandos
moin
"(…) die abstrakten worte, deren sich doch die zunge naturgemäß bedienen muß, um irgend welches urteil an den tag zu geben, zerfielen mir im munde wie modrige pilze." hugo von hofmannsthal – der brief des lord chandos
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Deine Threads erfreuen mich immer wieder. Viel Erfolg! [size=0]Wann ist Vernissage? Und werden wir alle eingeladen?[/size]
Re:Michelangelo wird völlig überschätzt
Für die wirklich wichtigen Dinge im Leben haben Frauen manchmal kein Verständnis. Mein Tipp: Argumentiere vorwurfsvoll: „Wäre es Dir lieber, ich schaffte das Geld in die Kneipe?“Das Werkzeug (selbstredend Profi-Qualität und nach Ratschlägen eines Steinmetzes) war eine ziemlich teure Investition, die von meiner Frau mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert wurde.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck