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Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger (Gelesen 19853 mal)

Die Lehre von den Pflanzen - Übersetzungen aus dem Fachchinesischen, Diskussionen um Definitionen, Alltagsphänomene wissenschaftlich erklärt
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Anne Rosmarin
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

Anne Rosmarin » Antwort #15 am:

Danke Pearl, so hatte ich das auch erinnert.
Liebe Grüße, Anne

ich bin die/der ich bin
enigma

Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

enigma » Antwort #16 am:

Aus dem Thread über Helleborus Wildarten + "interspecies hybrids" II
Scheinbar einfache Frage: Was ist in deinen Augen eine biologische Art und wie grenzt man eine Art von einer anderen ab?
Das frage ich mich schon lange. Besonders bei den Ophrys-Arten und -hybriden, die irgendwann mal eigenständige Arten werden. Oder bei den Nigritella, oder bei Alchemilla ganz besonders! etc. pp. Sehr kompliziert!
Was Alchemilla angeht: Alle in Europa heute vorkommenden "Arten" vermehren sich, soweit ich weiß, ausschließlich apomiktisch und nicht (mehr) sexuell.Damit ist der biologische Artbegriff, der eine Art als Fortpflanzungsgemeinschaft sieht, nicht anwendbar.Was bleibt, ist der in der Botanik bis heute häufig anzutreffende, aber unbefriedigende rein morphologische Artbegriff, der "Arten" aufgrund abgestufter Ähnlichkeitsmerkmale zu definieren versucht und damit letztlich biologische Gruppen nicht anders behandelt als Schrauben oder Briefmarken.Nach dem morphologischen Artbegriff umfasst eine Art "alle Individuen eines Taxons einschließlich aller ihrer Vor- und Nachfahren, die in in ihren wesentlichen Merkmalen übereinstimmen."Um auf Alchemilla zurückzukommen: Die europäischen Vertreter sind strenggenommen keine Arten, sondern Klone.
sarastro

Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

sarastro » Antwort #17 am:

Mit diesem Alchemilla-Thema befasst sich der Bruder von Ewald Hügin, der Botaniker ist. Für einen Nichtbotaniker mit oberflächlichen taxonomischen Kenntnissen wie meinereiner ist es einfach nicht nachvollziehbar, dass einige Botaniker eine Art als eigenständig anerkennen, die anderen dagegen nicht und die dritten daraus sogar eine "nationale" patriotisch anmutende Varietät bilden! Es muss doch klar definierte Unterscheidungsmerkmale geben.
enigma

Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

enigma » Antwort #18 am:

"Klar definierte Unterscheidungsmerkmale": Damit sprichst du genau das zentrale Problem des - siehe oben - morphologisch definierten Artbegriffs an.Wie soll man "klar definiert" festlegen?Die unterschiedlichen Artdefinitionen findest du z.B. hier.Nochmal konkret zu Alchemilla. Auf die ließe sich der "phylogenetische Artbegriff" anwenden (Zitat aus dem Link):"Der „phylogenetische Artbegriff“ beschreibt eine Art als die Gemeinschaft von Individuen derselben Abstammung, die sich aus mehreren Populationen zusammensetzt. Eine Art beginnt zu existieren, sobald sie sich von einer anderen Art getrennt hat (durch nicht mehr funktionierende Fortpflanzung u. ä.) und existiert solange, bis sie sich erneut in zwei weitere Arten aufspaltet oder ausstirbt. Als grafische Darstellung der Artentwicklung wird ein sogenannter phylogenetischer Baum herangezogen, um die Verwandtschaftsverhältnisse darzustellen."Rothmalers "Kritische Exkursionsflora" sagt zu Alchemilla: "In Europa gibt es nur noch ... pollensterile Arten, die sich apomiktisch vermehren. Deshalb besteht keine Möglichkeit einer genetischen Vermischung zwischen den einheimischen Arten, und jede Pflanze muss eindeutig bestimmbar sein. Die bei der [im Tertiär erfolgten] Bastardisierung entstandenen netzartigen Verwandschaftsbeziehungen drücken sich aber in einer großen Ähnlichkeit auch entfernt verwandter Arten aus.... Beim Bestimmen ist das Vergleichen mit sicher bekannten Pflanzen dringend zu empfehlen, in kritischen Fällen auch jahrelange Kultur." "Die Kunst ist lang, das Leben kurz, die Zeit flüchtig, das Experiment trügerisch und das Urteil schwierig" (Hippokrates)
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pearl
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

pearl » Antwort #19 am:

also bristlecone, den Artbegriff zoologisch aufzufassen ist ja bei Pflanzen auch wieder nicht so geschickt. ;) ;D Im Allgemeinen ist in der Botanik die Notwendigkeit die Phylogenetik im Artnamen abzubilden sehr gering. Namen sind dazu da Individuen zu bezeichnen und zwar so, dass alle Mitteilungen über ihre Eigenschaften nicht missverstanden werden können und eine Kommunikation ohne Schwierigkeiten abläuft. Das ist mit dem binären Code sehr gut gelungen. Es ist von Anfang an ein künstliches System gewesen und Linné wollte auch keine anderen Ansprüche erfüllen. Svante Pääbo hat ein sehr schönes Statement zur Systematik von sich gegeben, auf die Schnelle kann ich es jetzt nicht heraussuchen, aber sinngemäß: Nomenklatur ist etwas für Briefmarkensammler. Ihn interessiert das nicht. Ob jetzt ein hominides Fossil so oder so heißt ist schnurz. Man muss sich im klaren sein, dass die Genetik sich nicht an strenge Artgrenzen hält. Überhaupt ist jedes strenge Schema zwar hilfreich um die überwältigende Fülle der biologischen Systeme zu erfassen und mit Hilfe von Modellen zu lernen, aber dann ist es hilfreich nicht mehr an Begriffen zu kleben sondern in Prozessen zu denken.Bei Pflanzen in Kultur wäre ein System hilfreich, das auf der botanischen Nomenklatur aufbaut, aber für Kultivare, Sortengruppen, Formenschwärme Kultivarnamen verwendet. Bei Clematis ist das hervorragend gelungen.
“I love science, and it pains me to think that so many are terrified of the subject or feel that choosing science means you cannot also choose compassion, or the arts, or be awed by nature. Science is not meant to cure us of mystery, but to reinvent and reinvigorate it.”

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troll13
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

troll13 » Antwort #20 am:

Apomixis? Hier lernt man nie aus. :DGilt dies für alle Alchemilla-Arten und gibt es auch keine lokalen Formen einer Art?Und wie ist das dann mit gärtnerischen Auslesen wie Alchemilla mollis 'Thriller'?
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enigma

Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

enigma » Antwort #21 am:

Soweit ich weiß, vermehren sich alle europäischen - und damit alle hierzulande als Gartenpflanzen kultivierten* - Alchemilla ausschließlich apomiktisch. Bei einer Art heißt es, dass sie sich auch über normale Samenbildung vermehren können soll, was aber von anderen bezweifelt wird.Das schließt aber natürlich nicht aus, dass in Kultur Mutationen auftreten und so neue Sorten entstehen können.
troll13
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

troll13 » Antwort #22 am:

Danke.Habe eben festgestellt, dass es außer den drei bis vier gärtnerisch vermehrten Arten allein in D unzählige Wildarten geben soll. Damit erübrigt sich wohl die Frage nach lokalen Formen einer Art.Nur dass, platt gesagt, die Evolutionsgeschichte dieser Gattung eben weitgehend "abgeschlossen" ist? ???
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Mecki B.
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

Mecki B. » Antwort #23 am:

Ungeschlechtliche Vermehrung kann sehr erfolgreich sein. Es hängt vom Umfeld ab. Arten unter hohem Selektionsdruck pflanzen sich meist geschlechlilch fort, weil das eine schnellere Anpassung ermöglicht. Andere Arten sparen sich den Aufwand, und vermehren sich ungeschlechtlich.Mutationen, d.h. Veränderung und Anpassung durch Selektion gibt es auch bei ungeschlechtlicher Vermehrung, nur ist die genetische Deivcersität der gesamtpopulation in der Regeln kleiner als bei Arten, die sich geschlechtlich vermehren.Die Evolution ist also nicht abgeschlossen. Bakterien z.B. vermehreren sich hauptsächlich ungeschlechltich, und sind eine der Erfolgreichsten lebensform auf der Erde, was Anzahl (Individuen) und besiedelte Lebensräume angeht. Und sie passen sich imer noch an sich ändernde bedingungen an, wie man z.B. bei der Entwicklung von Anitiotika-Resistenzen in nur 50 Jahren sehen kann (was evolutionsgeschichtlich ein eher kurzer Zeitraum ist).PS: zu den Mutationen am Erbgut kommen noch Epigenetische Faktoren, die Steuren, wie das Erbgut in der Zelle abgelesen wird. D.h. Anpassung kann auch dadurch erfolgen, dass andere teil des Erbguts aktiviert werden, oder dass gene häufiher oder seltener abgelesen werden (was zu einer höheren oder niedrigen Produktion bestimmer Proteine führt - die dann ihreserseits wieder Steuerfunktion haben können).
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

partisanengärtner » Antwort #24 am:

Bei den erfolgreichen Bakterien muss man aber hinzufügen das sie Teile ihres Erbgutes austauschen. Das ist sicher eine Möglichkeit die wir Vielzeller eben über die geschlechtliche Vermehrung ersetzten.Ein schwacher Ersatz, aber als Lebensraumdiversifizierung für die Einzellen durchaus geeignet.
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Axel
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

Mecki B. » Antwort #25 am:

Interessant ist auch, dass die Bakterien diesen Gentransfer sogar über Artengrenzen hinweg beherrschen.Vermutlich wären bestimmte einzellige Algen oder so etwas besser gewesen, als Beispiel für erfolgreiche Arten, die nur per Mutation evolvieren und nicht per Gen-Vermischung zwischen Individuen.
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

partisanengärtner » Antwort #26 am:

Na ja eine Vielzeller-Spezies hat es endlich auch geschafft ein wenig Gentransfer zu betreiben. ;)
Wer zuviel jätet raubt sich manche Überraschung.

Axel
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

paulche » Antwort #28 am:

also bristlecone, den Artbegriff zoologisch aufzufassen ist ja bei Pflanzen auch wieder nicht so geschickt. ;) ;D Im Allgemeinen ist in der Botanik die Notwendigkeit die Phylogenetik im Artnamen abzubilden sehr gering. Namen sind dazu da Individuen zu bezeichnen und zwar so, dass alle Mitteilungen über ihre Eigenschaften nicht missverstanden werden können und eine Kommunikation ohne Schwierigkeiten abläuft. Das ist mit dem binären Code sehr gut gelungen. Es ist von Anfang an ein künstliches System gewesen und Linné wollte auch keine anderen Ansprüche erfüllen. Svante Pääbo hat ein sehr schönes Statement zur Systematik von sich gegeben, auf die Schnelle kann ich es jetzt nicht heraussuchen, aber sinngemäß: Nomenklatur ist etwas für Briefmarkensammler. Ihn interessiert das nicht. Ob jetzt ein hominides Fossil so oder so heißt ist schnurz. Man muss sich im klaren sein, dass die Genetik sich nicht an strenge Artgrenzen hält. Überhaupt ist jedes strenge Schema zwar hilfreich um die überwältigende Fülle der biologischen Systeme zu erfassen und mit Hilfe von Modellen zu lernen, aber dann ist es hilfreich nicht mehr an Begriffen zu kleben sondern in Prozessen zu denken.Bei Pflanzen in Kultur wäre ein System hilfreich, das auf der botanischen Nomenklatur aufbaut, aber für Kultivare, Sortengruppen, Formenschwärme Kultivarnamen verwendet. Bei Clematis ist das hervorragend gelungen.
Man kann das Problem doch so lösen, das man die Art weit fasst und Zusatzinformationen gibt, das Arttrennungsprozesse ablaufen, d.h. Nordamerikanische u. orientalische Kaki befanden sich vor ihrer züchterischen beeinflussung in einem Arttrennungsprozeß, welcher aber wohl durch den Eingriff des Menschen gestoppt wurde.
viele Grüße

Paul

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pearl
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Re:Familie, Gattung, Art, Sorte etc. für Anfänger

pearl » Antwort #29 am:

Hepatica ist auch so eine Spezies. Trotz geografischer Isolation sind keine Arten im Sinne der evolutionsbiologischen Art-Definition entstanden. Kultur solcher Gattungen bringt dann alles durcheinander. Ein weiterer Grund für eine gärtnerische Nomenklatur für Kultivare. Besteht für einige Gattungen mit großen Formenschwärmen schon.
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