Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild? (Gelesen 8648 mal)
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- lerchenzorn
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Vielleicht müsste man zeitlich passende Bilddokumente aus dieser Region nach Kleidungsornamenten durchsehen.
- RosaRot
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
In Bezug auf die Passionsgeschichte käme eine Anemone in Frage.
Der Untermhäuser Altar ist ein Marienaltar, die verwendete Symbolik nimmt Bezug auf Maria. In Passionsdarstellungen ist sie ein Hinweis auf die "sieben Schmerzen Mariä", die Blütenblätter sind rot von Christi Blut.: entsprechend der Legende wuchsen Anemonen am Abend des Karfreitages auf dem Kalvarienberg.
Interessant ist, das auf dem Kleid des Herodes auch Ähren erscheinen, Ähren sind ein Symbol der Erlösung und werden im Zusammenhang mit "Christus als Schmerzensmann" verwendet.
Auch Mohn gilt als ein Symbol der Passion Christi(wegen der roten Blütenfarbe.)
RosaRot
- lerchenzorn
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
An Anemone coronaria dachte ich nur wegen ihrer Allgegenwärtigkeit auch, bevor ich das Bild gesehen hatte. Sie hat aber nie gefranste oder zerschlitzte Blütenblätter. (Man darf die Bilder aber sicher nicht zu streng interpretieren.)
- oile
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
RosaRot hat geschrieben: ↑15. Mär 2018, 14:15
In der mittelalterlichen Ikonografie spielen(bestimmte)Pflanzen eine große Rolle als allegorische Symbole für dahinter verborgene Geschehnisse.
In Bezug auf die Passionsgeschichte käme eine Anemone in Frage.
Der Untermhäuser Altar ist ein Marienaltar, die verwendete Symbolik nimmt Bezug auf Maria. In Passionsdarstellungen ist sie ein Hinweis auf die "sieben Schmerzen Mariä", die Blütenblätter sind rot von Christi Blut.: entsprechend der Legende wuchsen Anemonen am Abend des Karfreitages auf dem Kalvarienberg.
Interessant ist, das auf dem Kleid des Herodes auch Ähren erscheinen, Ähren sind ein Symbol der Erlösung und werden im Zusammenhang mit "Christus als Schmerzensmann" verwendet.
Auch Mohn gilt als ein Symbol der Passion Christi(wegen der roten Blütenfarbe.)
@ RosaRot, aber mir leuchtet nicht ein, warum Symbole der Passion auf dem Gewand von Herodes (= Mörder) erscheinen sollen. Gleiches gilt für die Ähren. Irgendetwas stimmt da nicht.
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
lerchenzorn hat geschrieben: ↑15. Mär 2018, 14:19
Interessante Bezüge.
An Anemone coronaria dachte ich nur wegen ihrer Allgegenwärtigkeit auch, bevor ich das Bild gesehen hatte. Sie hat aber nie gefranste oder zerschlitzte Blütenblätter. (Man darf die Bilder aber sicher nicht zu streng interpretieren.)
Zunächst würde ich die Darstellungen schon ernst nehmen. Sowohl die gefransten Blütenblätter also auch die gelbe Blütenmitte passen nicht zu Anemone coronaria.
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
(Ein weiterer Punkt, der auch immer zu beachten ist und sich nach einem Foto nicht so recht erschließt, ist, ob die gezeigte Pflanzendarstellung tatsächlich der Zeit entstammt oder evtl. eine spätere Zutat ist. Am Original würde der Fachmann dies sehen.)
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Kasbek hat geschrieben: ↑15. Mär 2018, 12:54
Gleich eine neue Frage/Mitdenkbitte. Schaut Euch bitte mal das unter folgendem Link liegende Bild an:
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipPsbXO-pETIZ_ITHjrIwFEp_NHnYwf64WoLkdM4?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
Das ist ein Ausschnitt aus einem Altarbild einer Kirche in Gera; er zeigt Herodes, wie dieser gerade den Kindermord zu Bethlehem anordnet. Der Altar und seine Bilder werden entweder auf 1443 (ein angebliches Weihedatum in der Überlieferung) oder um 1500 (von einer Kunsthistorikerin anhand stilkundlicher Überlegungen) datiert. In einer Betrachtung der Bilder ist folgender Satz niedergeschrieben:
„Herodes ist in Palastkleidung abgebildet mit einem Gewand, das ein botanisches Muster, vermutlich Passionsblumen, zeigt.“ Dazu kommt eine Fußnote, die besagt: „Die an eine Kreuzform erinnernden Staubgefäße fehlen jedoch.“
Ich halte die Passionsblumen-Deutung für zweifelhaft, denn die Gattung Passiflora kommt nahezu ausschließlich in Amerika, fokussiert in Mittel- und Südamerika vor (mit einigen wenigen Ausnahmen in Australien und Südostasien), kann also vor 1492 in Europa eigentlich nicht bekannt gewesen sein. ...
Ich denke, dass da das Bedürfnis der Kunsthistorikerin nach symbolischer (ikonografischer) Überhöhung der dargestellten Blüten mit ihr durchgegangen ist. Natürlich war Herodes für die „Passion“ sehr vieler unschuldiger Kinder unter 2 Jahren und das Leid der Eltern verantwortlich, von der allerdings das Jesuskind zu diesem Zeitpunkt noch (nach Warnung durch einen Engel im Traum des Joseph) durch rechtzeitige Flucht mit Maria und Joseph ausgenommen wurde, da der erwachsene Jesus für die spätere Kreuzespassion ausersehen war.
Die gemalten roten Blüten sind sicher von der Form her keine Passionsblumenblüten. Auch das Laub passt nicht dazu.
Dekorativ ist beides allemal, aber die Genauigkeit der Pflanzendarstellung, wie man sie in der Spätgotik z.B. schon bei der Madonna im Rosenhag – einmal von Lochner und einmal von Schongauer - findet, ist hier nicht gegeben.
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
oile hat geschrieben: ↑15. Mär 2018, 14:23
@ RosaRot, aber mir leuchtet nicht ein, warum Symbole der Passion auf dem Gewand von Herodes (= Mörder) erscheinen sollen. Gleiches gilt für die Ähren. Irgendetwas stimmt da nicht.
Ja, ich finde die Darstellung auch merkwürdig und etwas unverhältnismäßig grob. Auf sämtlichen anderen Gewändern auf den Altarbildern finden sich keine Blumendekorationen. Deswegen hätte ich gern ein besseres Foto oder das Original vor Augen, dann könnte man einordnen, wann dies Ornamente gemalt wurden(zur Entstehungszeit, also Mitte 15. Jh.) oder später(warum auch immer).
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Callis hat geschrieben: ↑15. Mär 2018, 14:30Kasbek hat geschrieben: ↑15. Mär 2018, 12:54
Gleich eine neue Frage/Mitdenkbitte. Schaut Euch bitte mal das unter folgendem Link liegende Bild an:
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipPsbXO-pETIZ_ITHjrIwFEp_NHnYwf64WoLkdM4?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
Das ist ein Ausschnitt aus einem Altarbild einer Kirche in Gera; er zeigt Herodes, wie dieser gerade den Kindermord zu Bethlehem anordnet. Der Altar und seine Bilder werden entweder auf 1443 (ein angebliches Weihedatum in der Überlieferung) oder um 1500 (von einer Kunsthistorikerin anhand stilkundlicher Überlegungen) datiert. In einer Betrachtung der Bilder ist folgender Satz niedergeschrieben:
„Herodes ist in Palastkleidung abgebildet mit einem Gewand, das ein botanisches Muster, vermutlich Passionsblumen, zeigt.“ Dazu kommt eine Fußnote, die besagt: „Die an eine Kreuzform erinnernden Staubgefäße fehlen jedoch.“
Ich halte die Passionsblumen-Deutung für zweifelhaft, denn die Gattung Passiflora kommt nahezu ausschließlich in Amerika, fokussiert in Mittel- und Südamerika vor (mit einigen wenigen Ausnahmen in Australien und Südostasien), kann also vor 1492 in Europa eigentlich nicht bekannt gewesen sein. ...
Ich denke, dass da das Bedürfnis der Kunsthistorikerin nach symbolischer (ikonografischer) Überhöhung der dargestellten Blüten mit ihr durchgegangen ist.
Sorry, das hatte ich nicht ganz eindeutig formuliert :-[ : Die besagte Kunsthistorikerin, von der die Datierung stammt, ist nicht die Person, von der der besagte Passionsblumen-Satz stammt.
An einen Korbblütler hatte ich auch gedacht, aber diese quasi doppelte optische Schlitzung der Blütenblätter (einmal bis zum Kelch hinunter und dann nochmal an der Außenseite) glaube ich irgendwo schon mal in ähnlicher Form gesehen zu haben. Mir fällt nur nicht mehr ein, wo.
Über eine spätere Zutat oder Übermalung habe ich nirgendwo eine Info gefunden, also bleibt erstmal die Vermutung, daß es Originalbestand aus der Entstehungszeit ist. Der Entstehungsort ist noch nicht eindeutig nachgewiesen, als am wahrscheinlichsten gelten die großen Werkstätten jener Zeit in Erfurt, Jena, Saalfeld oder im Vogtland. Wenn man also ein konkretes Pflanzenvorbild außerhalb von Musterbüchern oder anderweitigen Vorlagen annähme, so müßte es irgendwo in diesem Raum anzusiedeln sein.
Hier mal noch ein Bild von der gesamten Szene (Vorsicht, explizite Gewaltdarstellung!):
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipMpCUVGalb_jaQttAL3Gub5VKQH4wY8yQhyfeC0?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
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Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Ich tippe auch darauf, dass die Blüten keine tiefere Bedeutung haben und einfach exotisch-dekorativ wirken sollten. Bezeichnend ist doch, dass keine einzige Blüte komplett zu sehen ist, sondern alle durch den Rand des Gewandes oder dessen Falten angeschnitten sind. Dabei ist auf dem Gewand genug Platz, um eine Blüte die wirklich Bedeutung haben soll, auch erkennbar und vollständig abzubilden.