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Waldentwicklung nach Waldbrand (Gelesen 9951 mal)

Bäume und Sträucher, Duftgehölze, Blütengehölze, Blattschmuckgehölze, Wildobst, Koniferen, Moorbeetpflanzen

Moderator: AndreasR

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Valerie
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Waldentwicklung nach Waldbrand

Valerie »

Waldbrand, ein Schauspiel aus einer anderen Welt.
Und wieder durchflutet mich Angst und Grauen. Aber auch ästhetisch schöne Fotos. Verzeiht mir, ich leide mit, aber ich bin auch von der Schönheit der Flammen, des Rauchs und schillernden Farben der Wasserwände hingerissen. Einigen Fotografen gelangen traumhafte Bilder aus futuristischen Welten. Sie ziehen mich an. Denke an Dali.

Auf den Bildern kann ich nicht genau erkennen, ob die Bäume total verkohlt sind. Manche Baumkronen scheinen noch grün.
Wie brennen Bäume ab?
Warum kippen sie nicht um?

Was geschieht, wenn alle Brandnester gelöscht sind? Werden alle angekohlten Bäume gefällt? Was geschieht mit dem Holz? Holzkohle?

Forstet man schnell auf? Geht ja um Kapital. Oder lässt man verbrannten Wäldern Ruhe und Zeit zur eigenen Regeneration? Ab wann entsteht auf verbranntem Boden wieder normale Vegetation?
Ab wann können junge Bäume gepflanzt werden?

Ich fand im Internet einen interessanten Bericht über einen großen Waldbrand im Wallis von 2003:
Waldentwicklung im untersten Teil der Brandfläche von Leuk

Könnt ihr Fragen beantworten? Ich danke euch.


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Bufo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Bufo » Antwort #1 am:

Wer einmal eine Naturkatastrophe erlitten hat, der empfindet auch das ästhetischste Foto nicht ästhetisch. Die Bilder sind nicht traumhaft, sondern albtraumhaft.

Gedanken an Dali kommen da nicht auf. Solche Gedanken haben (vielleicht?) manche Katastrophentouristen, die den unmittelbar Betroffenen und den Einsatzkräften das Leben zusätzlich erschweren.
Beste Grüße Bufo
Amur
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Amur » Antwort #2 am:

In der Natur sind Waldbrände je nach Region keine Naturkatastrophe sondern Teil der Entwicklung über die Jahre hinweg. In unseren Breiten sind die eher selten und wenn, dann werden die gleich gelöscht.
Denn für den Besitzer und die Menschen die im und am Wald wohnen kann es zur Katastrophe werden.
Ich hatte ned allzu viele Bilder gesehen, aber was zu sehen war, ist meist ein Grasbrand gewesen, den das Altholz normal unbeschadet übersteht. D. h. da gibt es für die alten Bäume keine längerfristigen Folgen.

Wenn der Brand die Kronen erfasst hat, dann bleiben nur noch Baumruinen stehen und es beginnt die Entwicklung im Frühjahr von vorne. Je nach Status (Naturschutzgebiet) und finanzeller Ausstattung des Besitzers wird wohl neu aufgeforstet oder es wird abgewartet was da von alleine wächst.
Die Stämme der lebenden Bäume sind ja nass und brennen nicht von alleine weiter. Damit die so sehr abbrennen dass die umfallen, müßte das Feuer stundenlang auf derselben Stelle wüten. Tut es aber nicht. Nach abbrennen der Strauch und Krautschicht glimmt es noch Tagelang in der Mulmschicht aus Laub und Nadeln (bei Torf im Untergrund noch Monate oder Jahre) weiter. Die Stämme dagegen gehen aus und bleiben stehen. Die kleineren Grasbrände schaffen es bei einigen Baumarten nicht durch die Rinde zu kommen. Vor allem Douglasien können so was z.Bsp. ganz gut ab. Dünnrindige Bäume wie etwa Ahorn sind da deutlich empfindlicher.
nördlichstes Oberschwaben, Illertal, Raum Ulm
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lerchenzorn
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

lerchenzorn » Antwort #3 am:

Die hier in der Gegend jetzt betroffenen Kiefernforsten überstehen das ganz gut, soweit es ältere Bestände mit stärkerer Borke sind. Die Gefahr für Siedlungen und trockene Felder, falls noch auf dem Halm, ist größer. Andererseits kann sich durch die monatelange Dürre und Jahrzehnte lang aufgebaute, trockene Streuauflagen als Brandlast so starke Hitze entwickeln, dass sich auch die Wipfel entzünden.

"Normale" Vegetation stellt sich sofort nach dem Brand ein. Wie Amur schreibt, Feuer gehörte auch in Mitteleuropa zum natürlichen Vegetationszyklus.
Bristlecone

Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Bristlecone » Antwort #4 am:

Es wäre interessant, die weitere Entwicklung der Fläche zu verfolgen, ohne weitere Eingriffe des Menschen.
Würde da in der Sukzession die Spätblühende Traubenkirsche auftauchen und die Fläche erorbern?
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kasi †
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

kasi † » Antwort #5 am:

Ich habe den großen Brand im Yellowstonepark Ende der 80er Jahre erlebt und war im Frühjahr darauf wieder dort. Unter den schwarzgebrannten Bäumen grünte und Blühte es fantastisch. Ich denke das einzige was außer dem trockenen Unterwuchs verbrannte waren die ein- und mehrjährigen Sämlinge der Bäume. Da wird wohl eine Vegetationslücke entstehen, die aber in ein paar Jahren keiner mehr sieht.
Übrigens der Giant Sequoia braucht solche Waldbrände, damit seine Samen keimen können und die jungen Bäume Platz zum Wachsen haben. Deshalb werden im Sequoiapark kontrollierte Waldbrände entfacht.
kilofoxtrott
Valerie
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Valerie » Antwort #7 am:

Ich danke euch für die informativen Beiträge.
Es ist mir eine große Erleichterung zu wissen, dass sich das Altholz in den betroffenen Kiefernwäldern Brandenburgs erholen wird.

@ Bristlecone - In der Doku Waldentwicklung im untersten Teil der Brandfläche von Leuk wird im Bestand der Bäume 10 Jahre nach dem Brand keine Spätblühende Traubenkirsche erwähnt. Es wuchsen die Pionierarten Weide, Pappel und Birke. Sehr interessant.
https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/waldbau/verjuengung/wsl_waldentwicklung_leuk/index_DE

@Natternkopf - dein 1. Link zu den Waldbränden in Kalifornien zeigt Überlegungen, die mir fremd waren. Regenfälle erhöhen die Waldbrandgefahr. Die Logik ist nun völlig klar.
Da bringt dein 2. Link zur Feuerökologie die Grundlagen. Ich habe auch schon viele Dokus zu Waldbränden gesehen und gelesen. Da gibt es viele neue Erkenntnisse in der Brandbekämpfung. Feuerökologie müsste als Grundwissen in den Schulen gelehrt werden.

Da die Menge des Unterholzes im Wald mitentscheidend für die Feuerentwicklung ist, wird dies vermutlich für die Pflanzung eines Waldes mitbestimmend sein. Unter Nadelhölzern findet sich weniger Unterholz als bei Laubbäumen. Oder wie seht ihr das?

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Staudo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Staudo » Antwort #8 am:

Ich fuhr heute Nachmittag an einer Stelle vorbei, wo der Kiefernwald vor ein paar Wochen auf einigen hundert Quadratmetern gebrannt hat. Der Brand ist nicht bis in die Wipfel hochgeschlagen. Trotzdem sind die meisten Kiefern tot. Das spärliche Unterholz ist komplett braun, darunter auch einige halbwüchsige Eichen. Das einzige, was bereits jetzt wieder grünt, sind Robinienschösslinge.
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Natternkopf
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Natternkopf » Antwort #9 am:

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Valerie
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Valerie » Antwort #10 am:

@Natternkopf - Danke, ein ausgezeichneter, sehr detaillierter Bericht über Flora, Fauna, Bodenwerte, Steinschlagfolgen, Klimawerte...
Bin auf Infos aus dem Flachland von Brandenburg gespannt. Sicher gibt es Parallelen, aber auch andere Entwicklungen.

Die Doku in Schwyzerdütsch. Es heißt da: Das Feuer mottete mehr als zehn Tage weiter. Inzwischen weiß ich, es ist ein deutsches Wort mit der Bedeutung glimmen, glühen, schwelen. Mir gefällt der Klang, schon in meinen Sprachschatz aufgenommen, überlege, wo ich demnächst "ich motte" anbringe. Natternkopf gib mir bitte einen Tipp aus der umgangssprachlichen Anwendung.





neo

Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

neo » Antwort #11 am:

Valerie hat geschrieben: 27. Aug 2018, 13:07
überlege, wo ich demnächst "ich motte" anbringe.


Hm. ;D Jetzt bin ich auf Natternkopfs Tipp ja sehr gespannt!
Die Aspekte des Berichts sind interessant und das Foto :D!
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lerchenzorn
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

lerchenzorn » Antwort #12 am:

Arbeiten der letzten Jahre zur dendrochronologischen Rekonstruktion der Brandhäufigkeiten in einem kieferndominierten Wald des "Urwaldes" von Bialowieza zeigen, dass es in diesem Wald bis ca. 1800 häufig brannte, in unterschiedlicher Ausdehnung und mit wechselnden Häufigkeiten durch die Jahrzehnte (untersucht ab ca. 1650). Kaum eines dieser Feuer war es wert, aufgeschrieben zu werden. Historisch belegt sind nur wenige, katastrophale Brandereignisse. Das Feuer gehörte zum alltäglichen Umgang mit Wald, Weide und Waldweide, kleinere Unfälle, wie Entzündungen aus einer heruntergefallenen Imker-Räucherkanne, eingeschlossen. Alle mittel- und osteuropäischen Regionen, vermutlich alle von Weidewirtschaft geprägten Landschaften der Alten Welt hatten eine ausgeprägte Kultur des Brennens in der Landschaft. Erst mit wirksamer Durchsetzung der geregelten Forstwirtschaft und der Vertreibung bäuerlicher Nebennutzungen aus den Wäldern brachen die Feuer schlagartig ab. Im untersuchten Bestand in Bialowieza war das um 1800, in mitteleuropäischen Ländern dürfte das ebenfalls um diese Zeit passiert sein.
(Ausführliche Dissertation: Fire History and Tree Population Dynamics in Białowieża Forest)

Eine der Folgen des Brennens, neben Degradationen der Vegetation bei zu häufigen und zu starken Nebennutzungen, war eine reduzierte Streuauflage. Die Hitzeentwicklung war bei geringer Brandlast wesentlich geringer, der Durchlauf der Feuer schneller und ein Nachglimmen und Schwelen gegenüber heutigen Ereignissen vermutlich auch reduziert. Wenn Staudo das Absterben der Kiefernkronen nach Bränden feststellt, obwohl es lediglich am Boden gebrannt hatte, könnte das also auf sehr starke Hitze und stärkere Schäden im Stammfußbereich durch die große Brandlast der Streu-, Kraut- und Strauchschichten zurückzuführen sein.

Die Artenvielfalt der gebrannten Wälder war vergleichsweise hoch und eine größere Zahl von Tier- und Pflanzenarten ist mehr oder weniger vom Feuer abhängig. Bei Geranium bohemicum z. B. geht das so weit, dass er vielleicht schon vor den ersten gründlicheren botanischen Erfassungen ab dem frühen 19. Jahrhundert in weiten Teilen eines anzunehmenden Verbreitungsgebietes ausgestorben war und die späteren Verbreitungskarten nur noch winzige Reste davon erfassen konnten.
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lerchenzorn
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

lerchenzorn » Antwort #13 am:

In Brandenburg erkennt man Brandstellen, wenn sie nicht beräumt und schnell wieder aufgeforstet werden, noch Jahrzehnte später an den sich dort zuerst einstellenden Birken. Auf armen Standorten schaffen sie für mehr als 50 Jahre einen lichten Vorwald, in dem sich andere Gehölze nur sehr langsam durchsetzen. Gut so für eine schöne Vielfalt licht- und wärmeliebender Lebensgemeinschaften.
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Staudo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Staudo » Antwort #14 am:

Heute fuhr ich an einer anderen Waldbrandstelle (die sind in diesem Jahr nicht selten) vorbei. Das Bild war das gleiche: Intakte, aber überwiegend abgestorbende Kiefernkronen, komplett zerstörtes Unterholz.
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