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Waldentwicklung nach Waldbrand (Gelesen 10006 mal)

Bäume und Sträucher, Duftgehölze, Blütengehölze, Blattschmuckgehölze, Wildobst, Koniferen, Moorbeetpflanzen

Moderator: AndreasR

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Valerie
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Valerie » Antwort #15 am:

@Lerchenzorn - und wieder so gute Beiträge, die mir weiterhelfen, danke.
Die amerikanischen Wissenschaftler zählten zu den Faktoren, die Brände begünstigen, genau das Unterholz auf. Ich erwähnte es oben, das Regen dann fatal wirkt, weil das Unterholz viele Samen und Pflanzen birgt, die bei Feuchtigkeit austreiben und die Menge des Unterholzes binnen kurzem vergrößern. Diese vielen Pflanzen lassen das Feuer lange an einer Stelle bleiben, die Temperaturen erhöhen sich enorm und führen zu mehr Baumschäden. Bei wenigen Unterholzpflanzen springt das Feuer schneller weiter, es bilden sich am Stammfuß nur niedrige Temperaturen.

Mir fallen spontan die vielen Naturschutzgebiete ein, in denen nicht mehr korrigierend in den Jahresverlauf des Waldes eingegriffen wird. Ist das wirklich sinnvoll? Ist es vielleicht die Grundlage für extrem vernichtende Waldbrände? Bäume bleiben liegen, dürfen verrotten, Unterholz ist dort so hoch, dass es bei der Verbrennung die gefährlichen hohen Temperaturen erzeugt. Lerchenzorn, du bringst genau diese Zeiten der vielen Waldbrände.

Was meinst du mit den erwähnten bäuerlichen Nebennutzungen der Wälder? Beschreibst du die mal?

Zurück zu den Gefahren durch Unterholz: Das bedeutet für mich, dass ein aufgeräumter Wald viel mehr Brandschutz bietet als ein bewaldetes sich selbst überlassenes Naturschutzgebiet. Hat man die erhöhte Brandgefahr als normales naturbedingtes Geschehen eingeplant? Auch das die Bevölkerung unter Waldbränden gesundheitliche Schäden erleidet?
So habe ich Naturschutzgebiete noch nie gesehen.

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Quendula
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Quendula » Antwort #16 am:

Valerie hat geschrieben: 27. Aug 2018, 16:34
Was meinst du mit den erwähnten bäuerlichen Nebennutzungen der Wälder? Beschreibst du die mal?


Zum einen wurde das Vieh direkt in/durch die Wälder getrieben oder dort hinein gestellt - Hutewald.
Zum anderen kann man das herabgefallene Laub sowie Nadeln einlagern und als Einstreu in den Ställen nutzen.
Ersteres verringert durch Verbiss den Jungaufwuchs der Gehölze und reduziert die Strauch- und Krautschicht. Letzteres entfernt die trockene Auflage des Bodens (L-Horizont).
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Staudo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Staudo » Antwort #17 am:

Und außerdem wurden sämtliches anfallendes Holz als Brennmaterial gesammelt. Das konnte Bruch sein, Jungbäume, Kiefernäppel.
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Staudo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Staudo » Antwort #18 am:

Valerie hat geschrieben: 27. Aug 2018, 16:34
So habe ich Naturschutzgebiete noch nie gesehen.


Naturschutz heißt nicht unbedingt Totalreservat. Das, was wir unter „heimischer Natur“ verstehen, ist oft Kulturlandschaft.
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Bristlecone

Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Bristlecone » Antwort #19 am:

Valerie hat geschrieben: 27. Aug 2018, 16:34
Zurück zu den Gefahren durch Unterholz: Das bedeutet für mich, dass ein aufgeräumter Wald viel mehr Brandschutz bietet als ein bewaldetes sich selbst überlassenes Naturschutzgebiet. Hat man die erhöhte Brandgefahr als normales naturbedingtes Geschehen eingeplant? Auch das die Bevölkerung unter Waldbränden gesundheitliche Schäden erleidet?
So habe ich Naturschutzgebiete noch nie gesehen.


In einem natürlichen Wald in Mitteleuropa haben Waldbrände keine große Rolle gespielt*. Natürlich gab es lokal kleinere Brände nach Blitzschlag, aber insgesamt hat Feuer die natürliche Waldvegetation in Mitteleuropa nicht geformt.

Das änderte sich mit der Nutzung durch den Menschen. Und damit hängt es auch weniger von natürlichen Faktoren als von der räumlichen und zeitlichen Nutzung des Waldes ab, ob dort Feuer eine größere Rolle spielen oder nicht.

In einem Naturschutzgebiet kommt es somit darauf an, was man dort erreichen möchte bzw. wie man den als schützenswert angesehenen Zustand erhalten kann.
Davon abhängig kann Feuer wie auch andere Art von Nutzung, die auf den ersten Blick "destruktiv" erscheint, dem Schutzziel dienen.

*: "Fire History of Central Europe: Implications for Prescribed Burning in Landscape Management and Nature Conservation" (pdf)
"At least during the past 3000 years natural fires have no longer played a significant role in
the vegetation history of Central Europe. It was rather human-caused fire that had a major
influence on ecosystem dynamics."
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Quendula
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Quendula » Antwort #20 am:

Staudo, Brennholzsammeln würde ich jetzt nicht explizit als bäuerliche Nutzung bezeichnen, dass wurde in stadtnahen Wäldern noch viel intensiver betrieben. Aber es ist eine brandvorbeugende Nutzung des Waldes, ja.
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lerchenzorn
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

lerchenzorn » Antwort #21 am:

Valerie hat geschrieben: 27. Aug 2018, 16:34
... dass ein aufgeräumter Wald viel mehr Brandschutz bietet als ein bewaldetes sich selbst überlassenes Naturschutzgebiet. ... So habe ich Naturschutzgebiete noch nie gesehen. [/quote]

Mit den Naturschutzgebieten hat das gar nichts zu tun. Es ist seit 200 Jahren die generelle Entwicklung im Wald, die Streu "wachsen" zu lassen und den Boden neu aufzu. Dem Gehölzwuchs kommt das inzwischen sehr zugute, manchmal mehr als nötig. In den Krautschichten führt das "Abschneiden" der jungen Bodenstadien zur starken Artenverarmung, auch und vor allem unter den heimischen Arten.


[quote author=Bristlecone link=topic=63707.msg3155063#msg3155063 date=1535381841] ... "At least during the past 3000 years natural fires have no longer played a significant role in the vegetation history of Central Europe. It was rather human-caused fire that had a major influence on ecosystem dynamics."


"No longer" ist ein wichtiger Teil des Zitates. Geringe Nährstoffrachten der Atmosphäre und der Böden ließen natürliche Sukzessionen wohl deutlich langsamer ablaufen als wir es heute kennen. Unter natürlichen Bedingungen seltene und begrenzte Brände können somit doch einen regelmäßigen Einfluss auf das Vegetationsmosaik gehabt haben. Nicht zu vergessen der frühe Mensch, der Feuer auch schon gezielt eingesetzt hat.

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lerchenzorn
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

lerchenzorn » Antwort #22 am:

Kleiner Abschweif in eine andere Waldnutzung. Im Holländischen Viertel von Potsdam wird gerade eine noch nicht wieder aufgebaute Ecke "ausgegraben". Ich habe dort leider noch niemanden getroffen, der dabei mitmacht und konnte nicht fragen. Es liegen einige Stämme mit sehr schön erhaltenen Harzungs-Rissen herum. Die Anordnung der Risse unterscheidet sich deutlich von den ganz regelmäßigen Zügen, die ich aus der DDR-Forstwirtschaft kenne, sind aber ebenfalls sehr gut geführt. Das Viertel wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf ein dichtes Pfahlgitter gebaut. Ich hätte nicht gedacht, dass es in Brandenburg damals schon so professionell ausgeführte Harzungen gegeben hat, zumal die Kiefernharzung im großen Maßstab wohl erst nach dem 1. Weltkrieg aufgekommen sein soll. Oder ist das aus einer spätere Pfahlsetzung? Ich muss mal im Stadtmuseum Rat holen.

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Valerie
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Valerie » Antwort #23 am:

@Lerchenzorn - Bitte schweife weiter ab, es ist sehr interessant.

Denk bei deinen Ausführungen, ein Stadtkind, das nichts mit Naturwissenschaften studierte, braucht mehr Ausführungen. Aber Google mag mich und servierte mir Geschichtliches.
Auf deinem Foto sehe ich waagerechte Risse, ich las von üblichen V-förmig zulaufenden Rissen. Kannst du das klären?

Erstaunlich wie die Bäume früher ausgesehen haben, ganze Wälder, die abgezapft wurden. Habe ich nie gesehen. Und wir werden an den Beginn der „Schmiergeldzahlungen“ erinnert. Damals gingen sie an Postkutschen.

Ich fand einen ausführlichen und anschaulichen Beitrag zur Harzung:

Harzung von Pechern, Pichern, Pechscharrern, Theerbrennern und Harzern
http://forstwirtin.bplaced.net/harzung.htm#Extraktion%20von%20Kiefernstockholz


Und zurück zum Waldbrand. Solange die Rinde beim Brand erhalten bleibt, kann der Baum überleben. Erreicht das Feuer das Baumharz, hat der Baum dann noch eine Chance? Baumharz ist doch brennbar.
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Staudo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Staudo » Antwort #24 am:

Wenn Du Dir den Stamm senkrecht vorstellst, gehen die Rillen schräg nach unten. ;)

In der DDR wurde bis 1990 umfrangreich geharzt. Ganze Wälder wurden genutzt und an jedem Baum hing ein Glasnapf.
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Bristlecone » Antwort #25 am:

Valerie hat geschrieben: 28. Aug 2018, 00:44
Und zurück zum Waldbrand. Solange die Rinde beim Brand erhalten bleibt, kann der Baum überleben. Erreicht das Feuer das Baumharz, hat der Baum dann noch eine Chance? Baumharz ist doch brennbar.


Entscheidend ist die dünne Schicht lebender, sich teilender Zellen zwischen dem äußeren Rand des Holzkörpers im Stamm und der Rinde bzw. Borke zur Außenseite hin.
Wird diese Schicht, das so genannte Kambium, beschädigt und zerstört, so wird der Baum in aller Regel oberhalb dieser Beschädigung absterben.

Bäume mit einer dickeren Borke haben bei Bränden bessere Chancen, weil diese isoliert und vor der Brandhitze schützt - wenn der Brand nicht zu lange dauert.

Unsere heimischen Waldkiefern vertragen da ein bisschen, wenn der Brand bloß in Bodennähe ist und nicht lange dauert.
Buchen, auf der anderen Seite, sind da sehr empfindlich. Aber in Buchenwäldern brennt es auch nicht, bzw. umgekehrt: Dort, wo es Brände gibt, wachsen keine Buchen.
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Amur » Antwort #26 am:

Bei Staudos Kiefern vermute ich mal dass die Nadeln durch die aufsteigende Hitze vom Feuer kaputt gingen. Gebrannt haben sie ja offensichtlich nicht, sonst wären sie schwarz gewesen.
Staudo, war das was du gesehen hast wirklich Altholz mit 20m+ Höhe oder eher Baumholz das niederer war und daher die Äste noch im Hitzebereich der Flammen gewesen sein konnten?
Stellt sich die Frage ob es zu Neuaustrieb kommen wird, falls nur die Nadeln geröstet wurden und etwas dickere Äste evtl. ohne oder mit geringeren Schäden überstanden.
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Staudo
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Staudo » Antwort #27 am:

Es handelt sich um ausgewachsene Kiefern, sicher Nachkriegspflanzungen. Vermutlich kam erschwerend hinzu, dass nach den Stürmen vom letzten Jahr noch jede Menge abgebrochende Kronen in den Wäldern liegen.
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Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Valerie » Antwort #28 am:

@lerchenzorn - du schreibst, dass seit 200 Jahren die Unterholzentwicklung zugelassen wird.

Die Erkenntnisse der Feuerökologie sind von heute. Sie sagen klar, dass hohes Unterholz eine Waldbrandgefahr darstellt. Vor 200 Jahren gab es die dichte Besiedelung nicht und kaum Gedanken zu den gesundheitlichen und klimatischen Auswirkungen von Waldbränden.

Heute haben die klimatischen Veränderungen Brände zur Folge. Und die Waldbrände verändern das Klima. Wir können nicht sagen, was vor 200 Jahren gut war, halten wir bei. Geht nicht, denn die Welt hat sich verändert. Das Klima lässt die Bäume unter Trockenheitsstress leiden. Sie brennen extrem gut und hohes Unterholz hält das Feuer lange am Ort, dass Bäume keine Überlebenschance habe.

Wer kennt die brennenden Wälder Brandenburgs? Wie gepflegt waren sie? Staudo schreibt von unaufgeräumten Wäldern und hohem Unterholz. Wäre es provokant, wenn man die Waldbesitzer zur Rechenschaft ziehen würde?

Wir haben 2018 und müssen entsprechend reagieren. Wälder müssen viel mehr kontrolliert werden. Unterholz muss reduziert werden. Artenvielfalt gegen Menschenleben und Klimaveränderung?

Das sind neue Gedanken, auch für mich.

Bristlecone

Re: Waldentwicklung nach Waldbrand

Bristlecone » Antwort #29 am:

???
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