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Was vom Pferd (Gelesen 103307 mal)

Über Hund und Katz... und alle anderen Haus und Nutztiere

Moderator: Nina

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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #135 am:

Gertrud - ihr gehörte das „Trudis Heustadel“, Reitladen und wichtiges Kommunikationszentrum - war die erste, die es erfuhr. „Gratuliere! Erzähl!“
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„Ein Arabo-Berber. Leider nur ein Viertelberber. Hat Papiere, eingetragen im Berberverband, Sektion AB.“ Mein Beharren auf Papieren hatte Fred als weibliche Laune aufgefaßt bei einem Pferd, das man einfach nur reiten wollte. Man ritt ja nicht auf den Papieren, und Papiere verteuerten die Sache nur.
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„Sektion AB“ sagte Gertrud nichts. Bei Trakehnern und Westfalen kannte Trudi sich bestens aus. Alles andere aber war ihr ein böhmisches Dorf und nicht ganz ernst zu nehmen.
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Wir lachten uns halbtot über die Papiere: Väterlicherseits konnte Tignous eine lange Ahnenreihe aufweisen. Der Papa, der ganz genauso aussah wie Tignous – auch das Brüderchen hatte sich in nichts vom Hengst unterschieden – war immerhin im französischen Araber-Stutbuch und im Tunesischen Stutbuch für Vollblut-Araber eingetragen. Und die Urgroßväter trugen so wohlklingende Namen wie Beyrouth und Cheikh el Durbane. Der Scheich von Durban, kein geringerer! Auf Mutterseite aber stand da nur ein einziges Wort: nämlich schlicht „Lilly“.
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„Wie alt?“ „Knapp sechs. Braun mit Blesse. Ja. Und, wie soll ich sagen... Er ist ein beflissenes Pferd. Sagt, ich mach ja alles, Du mußt es mir nur erklären. Kann überhaupt gar nichts. Kennt nicht mal die Hilfe zum Angaloppieren.“
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Das konnte Trudi nun nicht glauben, ein Sechsjähriger, der die Hilfe zum Angaloppieren nicht kannte. Das mußte an meiner Reiterei liegen. Aber sie war bereit, großmütig darüber hinwegzugehen. Und sie hatte ein hübsches buntes Halfter für Tignous. Sein erstes Kleidungsstück! Das gab mir ein ganz wichtiges Gefühl.
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Und einen Schlachtplan hatte Trudi: Weil mit Sicherheit jeder lästern würde über dieses komische Tier, das so gar nicht ins Reitinstitut paßte – diesem Spießrutenlauf sah ich mit Schrecken entgegen -, würde ich die große Neuigkeit beim nächsten Stammtisch fröhlich unbefangen verkünden und eine Runde Sekt ausgeben. Fröhlich und ganz unbefangen, na, ob ich das wohl hinkriegte. „Und dann können die sich das Maul zerreißen, wie sie wollen“, grinste Gertrud, „bis dein Tignous kommt, läuft längst ein neuer Hund durchs Dorf.“
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Der Sekt wurde dankend angenommen. Aber das Gassenlaufen war noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte
Eine Gesellschaft von Schafen muss mit der Zeit eine Regierung von Wölfen hervorbringen. - Juvenal

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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #136 am:

Nur Anne, die das Casino führte, gratulierte. Die anderen zeigten ihr Mißfallen deutlich. Gerhard fragte sogar, was ich bezahlt hatte. Solche Fragen waren sonst absolut tabu. Siebentausend, siebentausend Mark. Das war in Gerhards Augen lächerlich wenig für ein Pferd direkt vom Züchter, wenn es denn etwas taugen sollte, ein Pferd, das sich noch nicht in irgendeinem Reitstall einen Schaden geholt hatte. Was mußte das für eine Krücke sein... Die ihm einleuchtende Erklärung bastelte er sich selbst zurecht: ein Pferd, das nicht angaloppieren konnte. Na ja, dann. Ich mußte ja wohl porös sein. Kann eh schon nicht richtig reiten und kauft sich noch ein Pferd, das auch nichts kann.
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Und was mußte ich mir mein Pferd in Frankreich kaufen? So was machte man einfach nicht. Das war exzentrisch und sah mir wieder mal ähnlich. Was war das? Ein Berber? Niemand wußte so richtig etwas damit anzufangen. Es gab doch wohl auch kleine Trakis und ihretwegen sogar Zweibrücker, und es gab auch Haflinger (das hätte man vielleicht gerade noch stirnrunzelnd akzeptiert) oder im Notfall sogar Deutsche Reitponys...
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Ein Berber! Araber fanden sie schon meschugge. Die galten aus einem Grund, den man wohl schon vor einigen Generationen vergessen hatte, denn er wurde nie genannt, als absolut gefährlich für Leute mit durchschnittlichen Reit- und Pferdehalterkenntnissen. Und mein Pferd war dreiviertel Araber und ein Viertel Berber – jetzt war die Tara ganz durchgeknallt, man war sich einig wie selten. Ach ja, diese Winterling in der Feldscheune, war der Schimmel nicht ein Berber? Na ja, dann war ja alles klar. Das Urteil über Frau Winterling stand fest, das über mich nun auch.
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Das trübte meine Freude etwas, aber nur etwas. Ich hatte ein Pferd. Ein Pferd, auf dem ich sogar ohne Sattel gesessen hatte. Ein Pferd, ein Pferd... Ich dachte an nichts anderes mehr.
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„Leute, wenn wir ganz schnell arbeiten, kann ich heute noch nach Frankreich fahren.“ Jeden Mittwoch bettelte ich, die ich mein Geld als Redakteurin einiger Wochenblätter verdiente, morgens in der Technik die Monteure an. Wenn wir heute nicht rechtzeitig fertig würden, konnte ich den Frankreich-Besuch in dieser Woche heften. Donnerstag wäre zu spät.
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Alle spielten mit. Auch die Redakteurskollegen, denen ich von der Technik zeitlich vorgezogen wurde und die nun um Stunden später nach Hause kommen würden. Um zwei machte sich Otto, das schmuddeligste, zerbeulteste Auto im Landkreis (zum Autoputzen hatte ich keine Zeit, seitdem ich ritt), nach Frankreich auf.
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Zwölf Stunden später begrüßte mich der Hofhund im Reitzentrum, in dem schon seit Stunden sonst niemand mehr wach war. Ich war die einzige, die sich nähern durfte, ohne Titounes mörderisches Gebell auszulösen. Ich war sozusagen Familienmitglied und richtig stolz darauf. Dann sah ich durch die offene Hüttentür in den Sternenhimmel und ließ mich von den Zikaden in den Schlaf zirpen. Diese Sterne! Man meinte, man müsse nur den Arm ausstrecken und könne sie vom Himmel pflücken wie Mirabellen.
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Auf der Koppel stampften und schnaubten die Pferde. Zikaden und Pferde, das waren die einzigen Geräusche. Corinne, wenn sie auch meine Begeisterung schwer nachvollziehen konnte – sie wohnte ja auch nicht wie ich an einer Durchgangsstraße, sondern zwanzig Minuten entfernt von jedem Nachbarn allein im Busch –, stellte nachts heimlich einen Kassettenrecorder auf und schenkte mir das Band zum Geburtstag. Pferde und Zikaden, welch eine Nachtmusik!
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Bei der Herde da unten war auch mein Pferd. Mein eigenes Pferd. Meins.
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Alstertalflora
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Re: Was vom Pferd

Alstertalflora » Antwort #137 am:

Ja, der 1. Pferdekauf ist schon was besonderes :). Wobei ich mein 1. Pferd für meine Tochter gekauft hab ....und zwar als Jährling 8). Großgezogen und eingeritten hab ich es aber ;).
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #138 am:

Prima. Das hätte ich nicht gekonnt.
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Brezel
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Re: Was vom Pferd

Brezel » Antwort #139 am:

Seit Wochen warte ich auf einen verregneten Urlaubstag. Um auch den Kram mal zu sortieren und zu erledigen, der hier immer liegenbleibt, wenn ich mich im Garten rumtreibe.

Heute war's soweit. Urlaub und Regen! War wirklich nur kurz draußen.
Und was mach ich? Pferdegeschichten lesen... ::) :-[ ;D
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #140 am:

Das freut mich, Brezel. :) Hier gibt's mehr:
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Die Sache war anstrengend - mein ganzes Wochenpensum wie verrückt an drei Tagen erledigen, dann zwei Tage Urlaub, Sonntag spät nachts zurück -, aber sie lohnte sich. Tignous lernte mich allmählich kennen. Und das war mir wichtig, denn er litt unter dem Wechsel zu Corinne und Fred. Immerhin hatte er seine ganze Familie verloren, Mama, Onkel, Tanten und Geschwister, mit denen er ein Leben lang zusammengewesen war. Und bald stünde ihm noch ein Wechsel bevor. Da sollte er zumindest eine feste Bezugsperson haben. Nämlich mich.
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Und so war ich stets beladen mit allerlei Gutem. Ti – das sprach sich mit Ausrufungszeichen und war eigentlich keine Abkürzung, sondern kam von Corinnes empörtem „Dit!“, "sag' mal!", wenn sich ein Pferd danebenbenahm, bei Tignous sagte sie es öfter mal – Ti allerdings kannte nur Brot und Äpfel: Die teuren Birnen, die ich an Frédéric vorbei für mein Pferd eingeschmuggelt hatte – er sah sowas gar nicht gerne und hätte mich darüberhinaus schlichtweg für bekloppt erklärt -, spuckte Tignous mir vor die Füße. Die waren ihm zu weich, das konnte nicht gesund sein.
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Leckerli aus Gertruds Heustadel ließ er auch fallen. Mit diesen Dingern konnte er ja nun gar nichts anfangen. Er stuppte mich: Hatte ich nichts anständiges dabei, Brot oder vielleicht Zucker? Zucker kriegte er nicht. Geduldig schob ich ihm noch ein Leckerli ins Maul. Tignous kaute versuchsweise; es krachte zwischen den Zähnen – und Ti hüpfte entsetzt einen Meter hoch in die Luft! Beim Runterkommen verfehlte er meinen Zeh nur um Millimeter. Ich war genauso erschrocken wie er.
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Der Braune sah den Menschen vorwurfsvoll an. Er hatte ja gewußt, dass die Sache nicht geheuer war! Aber er behielt das Ding zum Aufweichen eine Weile im Maul. Na ja, doch gar nicht so übel. Nein, wirklich, das hatte was. Er kaute noch mal, sprang diesmal nur noch einen halben Meter hoch. Und fand Lecker auf einmal toll!
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Dies nun, dies habe ich oft und oft bereut. Der verfressene Tignous war in seiner Herde bei Monsieur J. als Kleinster immer zu kurz gekommen. Aber ganz schnell hatte er anscheinend herausgefunden, daß Menschen, speziell die Touristenfrauen, die er bei den Reitausflügen kennenlernte, immer was für ihn hatten. Ohne Ausnahme. Und er wurde in Anbetracht seines noch jugendlichen Alters nur von Frauen geritten. Da muß er den schmelzenden Blick eines armen, so lieben, verhungernden Pferdes eingeübt haben, mit dem er später selbst meine Feindinnen im Nobelstall bedenken sollte und dem nicht eine widerstehen konnte. Und nun hatte er eine Frau ganz für sich allein!
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Eine feine, eine geradezu unerschöpfliche Quelle von Leckerli, Äpfeln und Brot tat sich hier vor ihm auf, und Birnen waren eigentlich das allerbeste. Man mußte die Frau nur etwas erziehen.
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Das gelang ihm hervorragend. Bald nahm er mir unbesehen alles ab, was ich ihm anbot. Auch, was ich nicht anbot, sondern nur eben zufällig in der Hand hielt – einmal ein Heringsbrötchen. Und sogar dem gab er eine Chance. :P
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #141 am:

Bei jedem Besuch hatte er dazugelernt, denn Corinne tat, was sie konnte, um Tignous dressurstallfein zu machen. Er konnte sogar schon angaloppieren, allerdings nicht rechts. In diesem Punkt würde er nie Zugeständnisse machen: Galoppiert wurde links und basta. Rechts völlig steif. Was mach’ ich nur mit ihm? Aber für das eine Jahr oder die zwei Jahre... Ha, jetzt hatte ich den Rollstuhl schon ein Jahr weitergeschoben.
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Die Praktikantin Justine wurde beauftragt, sich um meine Weiterbildung zu kümmern. Das Pferd von der Koppel holen, ohne daß zehn abenteuerlustige andere mit herauswischten, gehörte ebenso dazu wie die Pflege von Sattel und Zaumzeug. Justine war meine Hilfe sehr willkommen - in der Sattelkammer blieb nichts ungeputzt. Reithalfter auseinandernehmen, putzen, zusammensetzen, das nächste auseinandernehmen, putzen, zusammensetzen, Têtière, Frontal, Sous-gorge… „Und jetzt mit geschlossenen Augen!“
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Corinne schnitt einige Seiten aus dem Matheheft ihres kleinen Jungen, um mir Landkärtchen zu zeichnen, damit ich mich in den Weiten der Garrigue, wo jeder Ziegenpfad aussah wie der nächste und nur alle Kilometer ein Haus stand, nicht verirrte. Liebevoll zeichnete sie die beiden Felsbrocken ein, die aussahen wie Termitenhügel, die Grundmauern eines vor Jahrhunderten aufgegebenen Hauses, einen Ausblick auf den Fluß tief unten. Ich verritt mich trotzdem manchmal, weil ich mir unter „Die große Eiche“ eine große Eiche vorstellte (gut, nicht eben so groß wie im Spessart) und nicht eine krüppelige Kermeseiche, die bestenfalls Mannshöhe hatte.
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Bei einem meiner einsamen Ritte fand ich heraus, daß mein Pferd auch buckeln konnte. Geradezu schweinisch buckeln konnte mein Pferd. „Tidusausack! Du bist ’n Therapiepferd!“ Tidersausack backte sich da ein Ei drauf, er quietschte beim Buckeln geradezu vor Vergnügen.
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Ich schaffte es unbeschadet zurück auf den Hof. „Fred, ich glaube, das Futter hier...“ Frédérics Stirn bewölkte sich. „Ich glaube, das Futter ist zu gut.“ Frédéric strahlte.
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #142 am:

Das ging monatelang so. Urlaub hatte ich genug, denn im Jahr davor hatte man mir eine Urlaubssperre verpaßt. Die Hin und Herfahrerei war zwar tierisch anstrengend, aber dieser Sommer war alles wert.
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Ein Ende war nicht abzusehen: Birte war willens, mein Pferd zu holen, aber sie brauchte einen Hänger. Und Papas Benz, um den Hänger zu ziehen. Tara, Birte und der Papa mußten also gleichzeitig Urlaub haben. Zudem setzten die Erfordernisse des Staatlichen Veterinäramtes einen ausgeklügelten Terminplan voraus, denn gewisse Stempel durften nicht älter als acht Tage sein.
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Alle Auskünfte über den Import widersprachen sich. Ich fragte Monsieur J., der immer mal wieder Pferde nach Deutschland verkaufte. Der konnte oder wollte mir komischerweise aber auch nicht klar Auskunft geben, machte nur deutlich, daß seine Meinung von Grenzbeamten auch nicht die allerhöchste war: Einen ganzen Transporter mit Pferden hatten die Grenzer ihm mal 30 Stunden lang im Niemandsland stehen lassen. Er hatte nicht mal tränken dürfen.
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Auch ein Gespräch beim Hauptzollamt Frankfurt brachte keine Klarheit. Das wäre ja nun ganz unterschiedlich, also ein Rennpferd, nein, kein Rennpferd? Also… So richtig… Das sei ihm noch nicht untergekommen… Aber in Neuenburg an der Grenze wisse man mit absoluter Sicherheit Bescheid, sagte der nette junge Mann.
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Ich rief in Neuenburg an. Dieses zweite Zollgrenzdienststellenerlebnis sollte meinem kindlichen Glauben an das effektive Handeln von Staatsvertretern jeglicher Couleur und Größenordnung einen bleibenden Schlag versetzen.
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #143 am:

„X. ist mein Name. Guten Tag. Vielleicht können sie mir weiterhelfen; ich habe in Frankreich ein Pferd gekauft und will es jetzt nach Deutschland bringen. Was muß ich denn da tun?“
„Ha, des isch ganz oifach.“
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Na Gott sei Dank. Einfach! Endlich einer, der sich auskennt!
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„Ganz oifach. Also. Da brauch’sch nur e Kaufb’scheinigi - abber koi gedürkte, wisse se, was i moin? Also, mir hobe do Middel und Wege, fesdzuschdelle, wie viel daß des Ferd dadsächlich gekoschded hodd.“
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Mit tiefem Unbehagen dachte ich an meine zwei Kaufbescheinigungen, eine für eben diesen Zweck, eine für’s Erinnerungsalbum. „Und sie brauche e Zollb’scheinigi. Die könne se sisch uf Frankford hole.“
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Unglaublich. Licht am Ende des Tunnels; nur zwei Formulare! „Nochmal: Ich brauche den Kaufvertrag und eine Zollbescheinigung?“
„So isch es. Des onnere mache merr dann middem Fedderinäramt uf Freiburg aus. Isch geb’ derr die Nummer.“
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Hilfsbereit ist er auch noch! Ich war unsäglich erleichtert: „Na gut, also die Zollbescheinigung und den Kaufvertrag, und das wär’s.“
.
„Na wadde Se emol, so oifach isch des aaa nedd.“
„Warum?“
„Also, sie brauche nadürlich noch des Dedöh.“
„Das was?“
„Also, des Dedöh, des isch des T zwo. So saget d’ Franzose dadezu.“
.
Ich wußt’ es doch. Von wegen einfach! „Also die Kaufbescheinigung, die Zollbescheinigung und das Tedöh. Wo bekomme ich das Tedöh?“
„Ha, bei d’ Franzose!”
„Prima. Ich hole das Tedöh bei den Franzosen in Neuenburg -“
„Noi, do bekommet se’s nedd her.”
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Geduld ist nicht mein Hauptmerkmal, auch zu den besten Zeiten nicht. Gleich beiß’ ich in die Tischplatte. Dies ist ein Ferngespräch! „Also wo bekomme ich bitte das Tedöh?“
.
„Ha, bei d’ Franzose! Wenn se’s Ferd dirt gekauft hen, kenne se doch auch en Franzose?“
„Ähm.“ Fred würde sich bedanken.
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Der Zollmensch zeigte mir den Ausweg: „Sie könne des nadürlich auch middem Verzahnungschin mache.“
„Verzahnungsschein statt Tedöh?“
„Ja nadürlich, des sag i doch.“
„Wo bekomme ich den???“
„Ha, nadürlich bei d’ Franzose.“
.
Jj-ja. „In Neuenburg?“
„Noi. In Oddmarshm.”
.
„Ich hole also in Ottmarsheim den Verzahnungsschein, nehme den Kaufvertrag und die Zollbescheinigung und finde mich damit bei ihnen ein.“
„Noi, so oifach isch des aaa nedd. Da müsse sie nadürlich noch zu die Schpedizjohn.“
„Aber ich spediere doch selbst!“
„Aber sie brauchet doch en Bürge! Und des muß d’ Schpedizjohn mache. Koschd’ neunzisch Mark.“
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Ich war kurz davor, mir die Stirnlocke auszureißen. Ich atmete schwer. „Also, jetzt erklären sie mir das noch mal für Idioten -“
„Des hobbe sie g’sogd! Idiod hobb i nedd g’sogd! Do bemüh i mi nach Kräfde, ihne zu erkläre, was daß sie mache müsse...“
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TIEF Luft holen. „Wo finde ich diese Spedition?“
„Also, do rufe Se am beschde den Herrn Maas an. Oder d’ Firma Meirich.“
„Wo finde ich die?“
„In Neueburg nadürlich.“
„Ich muß also mein Pferd bei ihnen stehen lassen, in Neuenburg eine mir völlig unbekannte Spedition ausfindig machen, damit die für mich bürgt, und dann wieder zu ihnen kommen. Mit Zollbescheinigung und Verzahnungsschein und Kaufvertrag.“
.
„Na wadde Se emol, so oifach isch des aaa nedd. Do sin’ no d’ Waddezeide. Mi’m Dedöh hosch nadürlich koi Waddezeide.“
.
Ich schaffte gerade noch ein „Vielen Dank“, ehe ich matt auf meinem Stuhl zusammensank.
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Alstertalflora
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Re: Was vom Pferd

Alstertalflora » Antwort #144 am:

;D ;D ;D
Ich hab meine beiden jungen Lusitanos von einer auf Pferdetransporte spezialisierten Speditition aus Portugal transportieren lassen- zusammen mit dem Junghengst meiner Bekannten. War nicht billig, aber auf irgendwelche Komplikationen hatte ich so gar keine Lust. Und ich wollte, dass sie möglichst unversehrt bei mir ankommen!
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #145 am:

Alstertalflora hat geschrieben: 5. Mai 2020, 21:27
;D ;D ;D
Ich hab meine beiden jungen Lusitanos von einer auf Pferdetransporte spezialisierten Speditition aus Portugal transportieren lassen- zusammen mit dem Junghengst meiner Bekannten. War nicht billig, aber auf irgendwelche Komplikationen hatte ich so gar keine Lust. Und ich wollte, dass sie möglichst unversehrt bei mir ankommen!


Dazu hatte ich kein Geld mehr; ich fuhr 1800 km jede Woche allein bei diesen Touren... Am einfachsten wäre das schon gewesen, ein, zwei internationale Pferde-Speditionen wird es da auch schon gegeben haben, aber ich dachte gar nicht daran.
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Re: Was vom Pferd

Waldschrat » Antwort #146 am:

;D

Mehr bitte :D
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #147 am:

Alsdann: :D
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Wie in Dreiteufelsnamen brachte ich mein Pferd nach Deutschland?
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Es war zwar wunderschön, zwei Tage der Woche in Südfrankreich zu verbringen, aber allmählich zehrte das doch an der Substanz, gar nicht mal so sehr die Autofahrten, aber das wahnwitzige Arbeitstempo mit sehr langen Tagen und viel zu wenig Schlaf.
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Mein Gewissen erinnerte mich zudem zart daran, daß es ein Konto gab, auch so etwas wie einen Kontostand und Kontoauszüge. Die sollte ich mir vielleicht mal wieder ansehen… Und wenngleich keiner von den Technik- und Redaktionskollegen irgendwelche Ermüdungserscheinungen zeigte, was mein allmittwochliches frühes Verschwinden betraf, so war es doch vielleicht besser, etwas zu unternehmen, ehe das jemand tat.
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Nur was? Alle vorgeschriebenen Untersuchungen hatte ich vornehmen lassen; ich hatte seit Wochen kaum etwas anderes getan. Sogar auf Perniziöse Anämie war mein Pferd untersucht. Und das war ein Meisterstück gewesen, denn das Zertifikat für den Coggins-Test durfte nur die Universitäts-Veterinärklinik in Paris ausstellen. Und die hatte gerade, wie ganz Frankreich, Sommerferien.
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Sogar das also hatte ich geschafft. Aber das Tedöh, das schaffte ich nicht mehr. Das Tedöh schaffte mich.
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Formulare! Schon die Entschlüsselung meiner Heizungsabrechnung - Quatsch, der ergebnislose Versuch der Entschlüsselung - hinterläßt mich leer und hohl. Und jetzt das Tedöh!
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Es reichte. Neumünster angewählt: „Birte, Du wolltest doch immer schon mal ’n Pferd aus Frankreich schmuggeln, ne?“
„Wüßte nichts, was ich lieber täte.“
„Birte. Wenn Du wüßtest, was ich durchmache mit den Zoll-grenz-dienst-stellen...“
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„Klar holen wir den“, beruhigte mich meine Freundin. „Ich hab’ ja auch mit Beate schon mal einen aus Dänemark geholt. Hihi!“
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Birte brach bei der Erinnerung in glucksendes Lachen aus. „Und da kam an der Grenze der Tierarzt. Der machte ganz forsch die Hängerklappe auf, hihihi! Und dann hat er gefragt, ob das ein Hengst ist, und als Beate ja sagte, hat er sie ganz schnell wieder zugemacht. Hihi! Aber blitzschnell! Und dabei war das mal noch’n Fohlen!“
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #148 am:

Den Entschluß einmal gefaßt, kam mir die Erinnerung an einen Grenzübergang, den Monsieur J. in einem Nebensatz einmal erwähnt hatte. Mit großer Verspätung ging mir ein Licht auf... Seiner Erfahrung nach, sagte Monsieur bei vorsichtiger Nachfrage pfeifend und wie nebenher, ging man in Vogelgrun früh schlafen.
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Ich kaufte eine Landkarte in großem Maßstab.
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Gertrud vertraute ich meine Entscheidung an. Trudi, die Konservative, als Höhere Tochter sozusagen die Tarahausener Pappritz, war überraschenderweise begeistert, wohl in Ermangelung eigener Abenteuer: „Das ist das erste Vernünftige, das ich in dieser Sache höre. Wann fahrt ihr?“
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Es dauerte keine zwei Wochen mehr, bis Birte ihrem Herrn Papa den Benz für vier Tage abgeluchst, ihm ihre klapprige Ente als Ersatz untergejubelt und sich einen Hänger geliehen hatte. Ihr stand jetzt eine lange Tour bevor: Neumünster-Pinneberg-Frankfurt-Ardèche-Frankfurt-Pinneberg-Neumünster.
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Im Tunnel von Lyon – es gibt nun schon lange eine Umgehung, damals mußte man noch mitten durch die Stadt – war wie immer Stau; ich hatte da schon so viele Stunden meines Lebens verbracht, daß ich die Kacheln an den Wänden einzeln mit Namen kannte. Es gab wohl keinen zweiten Tunnel, der so schlecht belüftet war; der Gedanke, in diesem Gestank und Krach unter einigen hundert gereizten Autofahrern eine Stunde lang oder auch länger mit einem nervösen Pferd zu stehen, schreckte mich ziemlich. Mir selbst war da schon unwohl.
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Die vorläufig letzte nächtliche Begrüßung durch Titoune, die letzte Nacht in „meiner“ Hütte, das letzte Frühstück mit der Familie. Alles war gerührt, die Abschiedszeremonie dauerte. Es dauerte auch, Tignous von seinem Koppelkumpel zu trennen, ein zweiter Berber, ebenfalls ein Neuzugang; die beiden hatten sich tröstend aneinander angeschlossen.
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Birte lud schon mal Sattel und Hackamore auf. Justine schnappte endlich Tignous und drückte mir den Führstrick in die Hand. Ich schluckte – ich? Und wenn er nun nicht auf den Hänger ging? „Na auf!“ knurrte meine persönliche Reitlehrerin.
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Auf dem kurzen Weg zum Hänger machte mein Therapiepferd, das irgendetwas Schreckliches erblickt hatte, das allen anderen Augen verborgen war, einen mächtigen Satz zur Seite. „Prima!“, lobte Birte, „mit dem wirst du keine Probleme mit wegrennen haben – der dreht schon neugierig den Kopf noch während er weghüpft, um zu schauen, wovor er sich da erschrocken hat!“ Mir ging ja jedes Wort des Lobes runter wie Butter. Das Rumhüpfen aber sollte er bitte nicht zur Gewohnheit machen (aber doch, er tat es).
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Re: Was vom Pferd

Waldschrat » Antwort #149 am:

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