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Was vom Pferd (Gelesen 103339 mal)
Moderator: Nina
Re: Was vom Pferd
Alstertalflora hat geschrieben: ↑9. Mai 2020, 07:33Da kann man das Pferd ja garnicht am Zügel in die gewünschte Richtung ziehen ::)?
Naja, so einen Blödsinn fragten die sich in Tarahausen wenigstens nicht - ich schreibe zwar immer "ehemals renommierter Stall", aber das bezieht sich vor allem darauf, daß man so stolz auf Neckermann und Linsenhoff war, die da früher trainiert hatten. Das Niveau war - vergleichsweise - immer noch hoch. Die Ablehnung beruhte weniger auf Unwissen als auf Bockigkeit. *singt* "It was good for my mother / it was good for my father / it was good for my brother / it's good enough for me..."
Außerdem fürchtete man um die Reputation als bester Dressurstall weit und breit; ein wenig konnte ich das sogar nachvollziehen. :-\
Eine Gesellschaft von Schafen muss mit der Zeit eine Regierung von Wölfen hervorbringen. - Juvenal
*will Spatenpaulchen und Waldschrat zurück*
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- Rosenfee
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Re: Was vom Pferd
Ich glaube, dieser Zickenalarm hätte mir von vornherein die Freude am Reitsport genommen. Meine Freundin, die sich keine teuren Reitstunden leisten konnte, hatte sich aus Liebe zum Pferd Geld in einem sehr angesehen Reitstall verdient, um auch ab und zu reiten zu dürfen. Was sie dort erlebt hat, ist einfach unglaublich!
Schön, dass Ihr Fürsprecher gefunden habt, Tara :)
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LG Rosenfee
Re: Was vom Pferd
Zum Damenkrieg komme ich noch. 8) Da war was los! :-X Er dauerte ein Jahr, und ich mußte mich schließlich geschlagen geben. Aber man weiß nie, wozu es gut ist, sagte Trudis Großmutter immer: So bekam ich schließlich einen Offenstall mit einem Hektar Gelände, wobei ich dem Institut van Krachten aber auch danach all die Jahre eng verbunden blieb.
Aber erst muß ich von Lämmchen erzählen, denn den wollte ich bitten, auf Ti und mich aufzupassen. Und außerdem hatten wir zu wenige Koppeln, und die Pferde (es kostete extra) durften nur halbtags darauf. Ti sollte aber ganztags Koppelgang haben, das mußte Lämmchen irgendwie hinkriegen. Wenn da überhaupt was zu mogeln war, konnte das nur Viktor schaffen.
Aber erst muß ich von Lämmchen erzählen, denn den wollte ich bitten, auf Ti und mich aufzupassen. Und außerdem hatten wir zu wenige Koppeln, und die Pferde (es kostete extra) durften nur halbtags darauf. Ti sollte aber ganztags Koppelgang haben, das mußte Lämmchen irgendwie hinkriegen. Wenn da überhaupt was zu mogeln war, konnte das nur Viktor schaffen.
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Re: Was vom Pferd
Lämmchen stammte aus Berlin. Von seinem Zuhause erfuhren wir nie etwas. Allzu schön wird’s nicht gewesen sein, denn Lämmchen büxte früh zum Zirkus aus. Von dort war er auf allerhand Umwegen zu van Krachten gekommen. Und wir wurden das Zuhause, das er offensichtlich vorher nie gehabt hatte.
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Die drei Stallungen auf dem Hofgut – dazu kamen der große Schulstall bei den Hallen die Straße runter und weiter weg Tignous‘ neues Zuhause, die Feldscheune – waren hierarchisch gestaffelt, sowohl was die Kundschaft, als auch, was die Pfleger betraf. Viktor hatte den wichtigen Einserstall unter sich.
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Da standen Leute – also ja, da standen Pferde, aber man unterschied das nicht so genau -, die ihr Pferd in Vollpflege hatten. Das heißt, sie schrieben auf eine Tafel „11 Uhr“, und das bedeutete, daß ihr Pferd um 11 Uhr geputzt und gesattelt in der Reithalle bereitstand; die Herrschaften fuhren auf dem Parkplatz vor, stiefelten in die Halle, ritten, übergaben das Pferd an den Pfleger und verschwanden wieder.
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Alles andere erledigte Lammert – den Schmied bestellen und aufhalten, den Tierarzt benachrichtigen und so weiter. Er las nie mehr als die Bildzeitung, aber er war verdammt helle, und von schnellem Witz. Auch hübsch auf eine südländische Art, trotz Zahnlücke. Lämmchen war ein halber Tierarzt. Oder auch ein dreiviertel. Er hatte ein umfassendes Pferdewissen und vor allem einen Draht zu jeglicher Kreatur, den ich so nie wieder gesehen habe. Tiere vertrauten ihm instinktiv.
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Lammert trank ein wenig zu viel, selbst an den örtlichen Verhältnissen gemessen. Manchmal auch viel zu viel. Es konnte schon mal vorkommen, daß er mittags im Reiterstübchen das zweite Pils leerte und auf einmal „Oha!“ sagte und schnell verschwand, weil ihm einfiel, daß etwas fehlte – daß er nämlich morgens etwa die Heunetze vergessen hatte. Oder daß er einen Hund (alle Hundebesitzer gaben ihre Viecher in seine Obhut, wenn sie etwa in Urlaub fahren wollten) leicht schwankend erst um Mitternacht Gassi führte, weil er im Casino hängengeblieben war.
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Daß er es aber tun würde, darauf konnte man sich verlassen. Und man konnte sich auch hundertprozentig darauf verlassen, daß er aus alkoholisiertem Schlaf schoß, wenn eines „seiner“ Pferde nachts auch nur ein Hüsterchen tat.
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Er trank, er hatte eine Berliner Kodderschnauze, und Respekt vor reichen Leuten war absolut nicht seins. Und die reichen Leute zahlten Bestechungsgelder, um ihre Pferde im Einserstall unterzubringen.
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Lämmchen verstand vom Reiten mehr als die meisten langjährigen Dressurreiter, obwohl er selbst nie auf einem Pferd gesessen war, und unterzog die Reiter, die er mochte – aber nur die! – nach der Reitstunde im Reiterstübchen einer vernichtenden Manöverkritik. Mich mochte er sehr… :P ;D
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Ich trabte also zum Einserstall. Lämmchen hatte eben Kunerts Zeppelin auf der Stallgasse angebunden, vorschriftsmäßig mit zwei Stricken, wie es sich gehörte, bei so etwas war er nie nachlässig.
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„Viktor?“ Lammert antwortete nicht. Ich drückte mich um den riesigen Zeppelin herum: „Viktor?“ Lammert brummte.
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“Ach, da bist du ja. Viktor. Ich habe ja nun den Tignous…“ Lammert schnaubte und murmelte unverständliches.
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„Und da wollte ich Dich bitten…“ Lammert drehte sich weg. Ich verstand nicht, was da los war, wir kamen ja sonst blendend miteinander aus, und gerade vorhin hatte er mir aus der Patsche geholfen.
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„Viktor? Also, ich wollte dich bitten, mir mit Ti zu helfen, also wenn er was hat oder wenn ich Fragen habe oder so.“
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Lammert sah böse aus. Ich war ganz verdutzt. „Lämmchen? Bitte?“
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Viktor sah mich richtig beleidigt an: „Wie lange haste den Zossen jetzt schon? Vier Monate mindestens, ne? Und da kommste jetz erst jeloofen?!“
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Ich war unsäglich erleichtert, und ich entschuldigte mich wortreich, erklärte, daß das doch eigentlich klar gewesen sei, wer denn wohl außer ihm, der Jochen aus dem Dreierstall etwa?!, und dankte ihm überschwenglich und von Herzen.
Aber nach der Mauschelei mit dem Koppelgang wollte ich jetzt lieber nicht auch noch fragen.
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„Also dann bis nachher im Casino, Lämmchen!“
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Ich wandte mich zum Gehen. Lämmchen pfiff mich zurück: „Det Ferd stand doch noch nie in ‘ner Box. Is dir eijentlich klar, det der janztachs Koppeljang brauch?!“
:D ;D
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Die drei Stallungen auf dem Hofgut – dazu kamen der große Schulstall bei den Hallen die Straße runter und weiter weg Tignous‘ neues Zuhause, die Feldscheune – waren hierarchisch gestaffelt, sowohl was die Kundschaft, als auch, was die Pfleger betraf. Viktor hatte den wichtigen Einserstall unter sich.
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Da standen Leute – also ja, da standen Pferde, aber man unterschied das nicht so genau -, die ihr Pferd in Vollpflege hatten. Das heißt, sie schrieben auf eine Tafel „11 Uhr“, und das bedeutete, daß ihr Pferd um 11 Uhr geputzt und gesattelt in der Reithalle bereitstand; die Herrschaften fuhren auf dem Parkplatz vor, stiefelten in die Halle, ritten, übergaben das Pferd an den Pfleger und verschwanden wieder.
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Alles andere erledigte Lammert – den Schmied bestellen und aufhalten, den Tierarzt benachrichtigen und so weiter. Er las nie mehr als die Bildzeitung, aber er war verdammt helle, und von schnellem Witz. Auch hübsch auf eine südländische Art, trotz Zahnlücke. Lämmchen war ein halber Tierarzt. Oder auch ein dreiviertel. Er hatte ein umfassendes Pferdewissen und vor allem einen Draht zu jeglicher Kreatur, den ich so nie wieder gesehen habe. Tiere vertrauten ihm instinktiv.
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Lammert trank ein wenig zu viel, selbst an den örtlichen Verhältnissen gemessen. Manchmal auch viel zu viel. Es konnte schon mal vorkommen, daß er mittags im Reiterstübchen das zweite Pils leerte und auf einmal „Oha!“ sagte und schnell verschwand, weil ihm einfiel, daß etwas fehlte – daß er nämlich morgens etwa die Heunetze vergessen hatte. Oder daß er einen Hund (alle Hundebesitzer gaben ihre Viecher in seine Obhut, wenn sie etwa in Urlaub fahren wollten) leicht schwankend erst um Mitternacht Gassi führte, weil er im Casino hängengeblieben war.
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Daß er es aber tun würde, darauf konnte man sich verlassen. Und man konnte sich auch hundertprozentig darauf verlassen, daß er aus alkoholisiertem Schlaf schoß, wenn eines „seiner“ Pferde nachts auch nur ein Hüsterchen tat.
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Er trank, er hatte eine Berliner Kodderschnauze, und Respekt vor reichen Leuten war absolut nicht seins. Und die reichen Leute zahlten Bestechungsgelder, um ihre Pferde im Einserstall unterzubringen.
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Lämmchen verstand vom Reiten mehr als die meisten langjährigen Dressurreiter, obwohl er selbst nie auf einem Pferd gesessen war, und unterzog die Reiter, die er mochte – aber nur die! – nach der Reitstunde im Reiterstübchen einer vernichtenden Manöverkritik. Mich mochte er sehr… :P ;D
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Ich trabte also zum Einserstall. Lämmchen hatte eben Kunerts Zeppelin auf der Stallgasse angebunden, vorschriftsmäßig mit zwei Stricken, wie es sich gehörte, bei so etwas war er nie nachlässig.
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„Viktor?“ Lammert antwortete nicht. Ich drückte mich um den riesigen Zeppelin herum: „Viktor?“ Lammert brummte.
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“Ach, da bist du ja. Viktor. Ich habe ja nun den Tignous…“ Lammert schnaubte und murmelte unverständliches.
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„Und da wollte ich Dich bitten…“ Lammert drehte sich weg. Ich verstand nicht, was da los war, wir kamen ja sonst blendend miteinander aus, und gerade vorhin hatte er mir aus der Patsche geholfen.
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„Viktor? Also, ich wollte dich bitten, mir mit Ti zu helfen, also wenn er was hat oder wenn ich Fragen habe oder so.“
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Lammert sah böse aus. Ich war ganz verdutzt. „Lämmchen? Bitte?“
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Viktor sah mich richtig beleidigt an: „Wie lange haste den Zossen jetzt schon? Vier Monate mindestens, ne? Und da kommste jetz erst jeloofen?!“
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Ich war unsäglich erleichtert, und ich entschuldigte mich wortreich, erklärte, daß das doch eigentlich klar gewesen sei, wer denn wohl außer ihm, der Jochen aus dem Dreierstall etwa?!, und dankte ihm überschwenglich und von Herzen.
Aber nach der Mauschelei mit dem Koppelgang wollte ich jetzt lieber nicht auch noch fragen.
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„Also dann bis nachher im Casino, Lämmchen!“
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Ich wandte mich zum Gehen. Lämmchen pfiff mich zurück: „Det Ferd stand doch noch nie in ‘ner Box. Is dir eijentlich klar, det der janztachs Koppeljang brauch?!“
:D ;D
Eine Gesellschaft von Schafen muss mit der Zeit eine Regierung von Wölfen hervorbringen. - Juvenal
*will Spatenpaulchen und Waldschrat zurück*
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Re: Was vom Pferd
Lämmchen war klasse, und ich hatte ihn sehr gern.
.Ich weiß nicht recht, wie ich weitererzählen soll - den Damenkrieg am Stück zu schildern, ist fast unmöglich; immerhin zog er sich über ein Jahr hin, mit täglichen Scharmützeln, Guerillataktiken und schließlich offener Feldschlacht.
Die mein Pferd entschied.
Das war bei diesen Geschichten auch von Anfang an mein Problem - ob es eine fortlaufende Handlung geben solle. Hier ist jedenfalls der Beginn.
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Die Feldscheune, der preiswertere Ableger der van Krachtenschen Stallungen, war Tignous’ neues Zuhause. Seit Monaten schon zahlte ich dort die Boxenmiete, denn es war nur noch eine Box frei. Und die wollte ich mir nicht vor der Nase wegschnappen lassen! Die Boxen „auf dem Hof“ konnte ich mir nämlich nicht leisten. Außerdem wurde abends spätestens um zehn das Hoftor abgeschlossen. Wer dann noch zu seinem Pferd wollte, hatte Pech gehabt. In der Feldscheune aber, 400 Meter entfernt vom Hof, konnte man kommen und gehen, wie man wollte..Links sechs Außenboxen, die an den kleinen Paddock angrenzten, rechts sechs normale, hinten quer noch mal drei, daneben die Sattelkammer: Das war die Feldscheune. Davor waren die eigentliche Strohscheune, an allen Seiten offen, und der Misthaufen..Von hier ging es rechts auf die van Krachtenschen Koppeln, an die der Konkurrenzstall Schmitt angrenzte. Links war der Friedhof; wegen Lämmchen, der gerne die Abkürzung über den Friedhof genommen hatte, wenn er ein Pferd zur Koppel führen mußte - und weil man einem Pferd auch das Äppeln nicht verbieten kann -, gab es da am Eingang über dem Schild „Hunde verboten“ noch ein Schild „Pferde verboten“. Hinter der Strohscheune lagen noch ein paar Privatkoppeln, unter anderem die des Bösen Bäckers. Daneben noch eine van Krachtensche, fest verpachtet. Das sollte nun sozusagen auch mein engeres Zuhause werden..Hier in der Feldscheune sah nie jemand nach dem rechten; wie die Kunden, so konnte hier auch der Pfleger schalten und walten, wie er wollte. Ein kleines Paradies, abgesehen vom Pfleger, wie ich herausfinden sollte…. Ich war begeistert und freute mich auf die Gesellschaft: So eine kleine Gemeinschaft war genau das Richtige für mich.




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Die Feldscheune, der preiswertere Ableger der van Krachtenschen Stallungen, war Tignous’ neues Zuhause. Seit Monaten schon zahlte ich dort die Boxenmiete, denn es war nur noch eine Box frei. Und die wollte ich mir nicht vor der Nase wegschnappen lassen! Die Boxen „auf dem Hof“ konnte ich mir nämlich nicht leisten. Außerdem wurde abends spätestens um zehn das Hoftor abgeschlossen. Wer dann noch zu seinem Pferd wollte, hatte Pech gehabt. In der Feldscheune aber, 400 Meter entfernt vom Hof, konnte man kommen und gehen, wie man wollte..Links sechs Außenboxen, die an den kleinen Paddock angrenzten, rechts sechs normale, hinten quer noch mal drei, daneben die Sattelkammer: Das war die Feldscheune. Davor waren die eigentliche Strohscheune, an allen Seiten offen, und der Misthaufen..Von hier ging es rechts auf die van Krachtenschen Koppeln, an die der Konkurrenzstall Schmitt angrenzte. Links war der Friedhof; wegen Lämmchen, der gerne die Abkürzung über den Friedhof genommen hatte, wenn er ein Pferd zur Koppel führen mußte - und weil man einem Pferd auch das Äppeln nicht verbieten kann -, gab es da am Eingang über dem Schild „Hunde verboten“ noch ein Schild „Pferde verboten“. Hinter der Strohscheune lagen noch ein paar Privatkoppeln, unter anderem die des Bösen Bäckers. Daneben noch eine van Krachtensche, fest verpachtet. Das sollte nun sozusagen auch mein engeres Zuhause werden..Hier in der Feldscheune sah nie jemand nach dem rechten; wie die Kunden, so konnte hier auch der Pfleger schalten und walten, wie er wollte. Ein kleines Paradies, abgesehen vom Pfleger, wie ich herausfinden sollte…. Ich war begeistert und freute mich auf die Gesellschaft: So eine kleine Gemeinschaft war genau das Richtige für mich.
Zuletzt geändert von Tara am 31. Mai 2025, 23:45, insgesamt 1-mal geändert.
Eine Gesellschaft von Schafen muss mit der Zeit eine Regierung von Wölfen hervorbringen. - Juvenal
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Re: Was vom Pferd
Pustekuchen. Nix war’s.. Ich fand zwar Gemeinschaft, aber eine ganz kleine, eine wirklich kleine: den sehr unkonventionellen Michael Seeberg mit seinem 18jährigen Vollblut Ritma und Frau Winterling mit ihrem Sokran, dem Berberhengst. Und unsere Pferdemädel: Michaela für Sokran, ihre Freundin Kerstin für Ritma, Tis Boxennachbarin. .Gleich am ersten Tag fragte sie, ob sie sich auch um Tignous kümmern dürfe, und da ich sie als zuverlässig und verantwortungsbewußt kannte, sagte ich gerne zu. Ich hatte ein Reitmädel! So ändern sich die Zeiten. Es war doch noch gar nicht so lange her, da hatte ich selbst wildfremde Leute angebettelt: „Darf ich mal ihr Pferd halten bitte?“ .Die Feldscheune war fest in Frauenhand. Es gab einige junge und ein paar ältere, auch zwei Mutter-Tochter-Gespanne. Irgendwie aber sahen die Damen alle gleich aus: gutsituierter Mittelstand, blond, zurückhaltend gekleidet, sonnenbankgebräunt, Dauerwellen. Bis auf die junge Reister, die sich mit ihrer Mutter in den Schimmel Hühnchen teilte. Die war schwarzhaarig und sah ansonsten aus wie ein amerikanisches Bonbon..Die Damen bildeten eine geschlossene Gesellschaft. Ich kam da nicht rein. Ich paßte da wohl auch nicht wirklich rein. Ich probierte es, ich gab mir wirklich große Mühe. Es hatte keinen Zweck. Ich versuchte vorsichtig, den Grund herauszufinden: „Wenn de disch midd dene zesammetust, hasde Pesch gehabt“, meinte das Bonbon kaltblütig und meinte Seeberg und Frau Winterling. Vor die Wahl zwischen diesen beiden Fronten gestellt, war die Entscheidung allerdings nicht schwer..Der einzige Herr hielt sich tapfer: Michael Seeberg pfiff nämlich auf die Damen. Er pfiff überhaupt auf so allerlei. Das machte ihn mir sofort sympathisch. Das und sein ätzender Humor. Frau Winterling, die Tignous und mich mit offenen Armen willkommen hieß, war von gleichem Schrot und Korn.
Zuletzt geändert von Tara am 31. Mai 2025, 23:49, insgesamt 2-mal geändert.
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- Obstjiffel
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- Registriert: 28. Feb 2012, 08:48
Re: Was vom Pferd
Gucke auch immer als erstes am Tag hier rein. Wenn ich dann beim lesen herum gniggere ist mein Mann ständig irritiert
Diese "elitären" Gruppen im Reitstall kenn ich auch gut. War nie meine Welt und auch nicht wirklich erstrebenswert. Da war mir meine kleine Gruppe von Pferdemädels/-jungs, die sich um die wirklich interessanten, doch von den anderen misstrauisch beäugten Pferden kümmerte, viel lieber. Da war Leben und Spaß drinnen und viel lernen. Darum ging es beim Rest so gar nicht. Unsere Pferde hatten ihren eigenen Kopf, waren nicht einfach oder langweilig. Sie funktionierten nicht einfach so.
Ich glaube die Erlebnisse in der Reitstallzeit haben später dazu beigetragen, dass mein Bruder, meine Schwägerin und ich eine Jugend- und Kinderfarm als Verein aufgebaut haben. Viele Tiere, rumsauen, werkeln und bauen, jede Menge Ponys. Die Sandkiste war einfach ein vom Laster gekippter großer Haufen Sand. Jedes Kind hatte seine Verantwortung, musste mit auf die Weide zum Pferdeäpfel sammeln. Entweder mit Handschuhen oder mit Schippe und Rechen. Bei den Kleintierställen durften sie mit bauen und ihre Ideen einbringen. Es war bunt, passte nicht unbedingt zusammen, aber lebendig ohne Ende. Wir haben unser Heu und Stroh selbst gemacht, alles musste mit ran auf die eine oder andere Art. Wenn ich zurück denken wie viele Kinder bei uns ihre Angst vor Dreck verloren, wie viele Eltern lernten ihren Kindern etwas zuzutrauen und letztendlich mit anpackten, ein Traum als Arbeitsplatz. Und er lebt noch, wenn auch ohne uns. Aber die JuKi-Farm ist ein immer noch bestehender Bestandteil in meiner Heimatstadt. Wenn ich daheim bin, fahre ich immer vorbei und schaue, was sich neues entwickelt hat. Aber es brauchte, glaube ich, beide Erfahrungen um dieses Projekt anzupacken. Sowohl unsere Art mit Pferden zu leben, als auch die der anderen.
Ich hoffe du hörst noch sehr lange nicht auf zu schreiben, es ist wunderbar dabei zu sein! Und es weckt eigene Erinnerungen, was ich gerade sehr genieße.
Diese "elitären" Gruppen im Reitstall kenn ich auch gut. War nie meine Welt und auch nicht wirklich erstrebenswert. Da war mir meine kleine Gruppe von Pferdemädels/-jungs, die sich um die wirklich interessanten, doch von den anderen misstrauisch beäugten Pferden kümmerte, viel lieber. Da war Leben und Spaß drinnen und viel lernen. Darum ging es beim Rest so gar nicht. Unsere Pferde hatten ihren eigenen Kopf, waren nicht einfach oder langweilig. Sie funktionierten nicht einfach so.
Ich glaube die Erlebnisse in der Reitstallzeit haben später dazu beigetragen, dass mein Bruder, meine Schwägerin und ich eine Jugend- und Kinderfarm als Verein aufgebaut haben. Viele Tiere, rumsauen, werkeln und bauen, jede Menge Ponys. Die Sandkiste war einfach ein vom Laster gekippter großer Haufen Sand. Jedes Kind hatte seine Verantwortung, musste mit auf die Weide zum Pferdeäpfel sammeln. Entweder mit Handschuhen oder mit Schippe und Rechen. Bei den Kleintierställen durften sie mit bauen und ihre Ideen einbringen. Es war bunt, passte nicht unbedingt zusammen, aber lebendig ohne Ende. Wir haben unser Heu und Stroh selbst gemacht, alles musste mit ran auf die eine oder andere Art. Wenn ich zurück denken wie viele Kinder bei uns ihre Angst vor Dreck verloren, wie viele Eltern lernten ihren Kindern etwas zuzutrauen und letztendlich mit anpackten, ein Traum als Arbeitsplatz. Und er lebt noch, wenn auch ohne uns. Aber die JuKi-Farm ist ein immer noch bestehender Bestandteil in meiner Heimatstadt. Wenn ich daheim bin, fahre ich immer vorbei und schaue, was sich neues entwickelt hat. Aber es brauchte, glaube ich, beide Erfahrungen um dieses Projekt anzupacken. Sowohl unsere Art mit Pferden zu leben, als auch die der anderen.
Ich hoffe du hörst noch sehr lange nicht auf zu schreiben, es ist wunderbar dabei zu sein! Und es weckt eigene Erinnerungen, was ich gerade sehr genieße.
Liebe Grüße
Birte
Birte
- Alstertalflora
- Beiträge: 2880
- Registriert: 25. Apr 2017, 08:57
Re: Was vom Pferd
Das war auch meine Interpretation-so hätte das niemand dort gesagt. Und das war kein kleiner, unbedeutender Stall, sondern eine Reitanlage mit ca 180 Pferden, damals „nur“ 2 60iger Hallen (Gut Tangstedt).
Ja, ich hoffe auch, dass Du weiterschreibst. Vieles davon erzeugt ein „déjà vu“ bei mir ;D
Re: Was vom Pferd
;D
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Seeberg hatte einen kleinen Autoverleih, und wenn der Wagen, mit dem er vor der Feldscheune vorfuhr, ein Indiz war – ein etwas asthmatischer uralter Benz, knallrot – dann war klar, warum er sich sein Pferd aus Ungarn geholt hatte: Dort bekam man ein Pferd immer noch für‘n Appel und ein Ei, und er hatte Ritma nun schon viele Jahre; sie war billiger gewesen als eine Boxen-Monatsmiete. Immerhin war sie nichts Exotisches, sondern ein Vollblut von der Rennbahn.
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Die Rennbahn konnte sie übrigens nie vergessen, und man vergaß Seeberg nie, daß sie die Rennbahn nie vergessen hatte: Seeberg hatte nämlich anfangs – das war lange vor meiner Zeit gewesen - mit allen Bereitern reihum gewettet, daß sie sie nicht reiten könnten, und er hatte keine einzige Wette verloren… Man hatte ein langes Gedächtnis im Institut.
.
Daß er nur im Gelände ritt und höchstens im schlimmsten Winter mal in der Halle erschien, wo er sich dann zwar brav an alle Regeln hielt, aber auf dem zweiten Hufschlag seinen eigenen Kram machte - das erschwerte die Sache natürlich noch. Ich hörte nichts wirklich schlechtes über ihn, aber man rümpfte allgemein die Nase, wenn sein Name fiel.
.
Zudem war seine Ritma nicht immer so auf Hochglanz poliert, wie die Damen das erwarteten. Also eigentlich nie. Und wenn Seeberg keine Zeit hatte, dann bürstete er nur schnell die Sattellage, holte eine alte karierte Wolldecke vom Beifahrersitz der Roten Gefahr, warf sie ihr über und ritt eben ohne Sattel und mit dem ein oder anderen Mistplacken auf Ritmas Achtersteven.
.
Und er war dabei nicht so gekleidet, wie man das voraussetzte. Nein, ganz und gar nicht. Straßenschuhe und die Anzughose, mit der er sonst im Autoverleih stand. Er vertraute mir später einmal an, warum er sich an keine Bekleidungsregel hielt: Er hatte als Bub sonntags weiße Kniestrümpfe tragen müssen! Da ich dieses schlimme Schicksal teilte – und ich war ja nicht einmal ein Junge gewesen -, konnte ich seinen ohnmächtigen Grimm nachvollziehen.
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Und dann tat der Mann tatsächlich auch noch, was er wollte! Freundlich, höflich und mit tabakbraunen Zähnen lächelnd, aber er setzte seinen Willen durch. Ihm kam es nur auf eines an: auf Ritmas Wohlergehen. Schrecklicher Mann!
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Nur Sepp, einer der Pfleger im Schulstall, hatte Worte der Achtung für Seeberg: “Der longiert ohne Longe. Mußt du mal angucken. Wer das kann, der hat wirklich Pferdeverstand. Das kann hier sonst keiner.“
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Ich sah Seeberg folgsam dabei zu: Er schickte Ritma im Kreis und in Achten um die Stützpfeiler der Außenboxen, ließ sie beliebig die Hand wechseln, nur mit Körpersprache. Ich lernte dabei schon beim ersten Zusehen viel. Heute kann das so mancher, aber es war dies lange vor Gurus wie Monty Roberts und Linda Tellington-Jones, und Seeberg hatte das ganz allein für sich herausgefunden.
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Seeberg hatte einen kleinen Autoverleih, und wenn der Wagen, mit dem er vor der Feldscheune vorfuhr, ein Indiz war – ein etwas asthmatischer uralter Benz, knallrot – dann war klar, warum er sich sein Pferd aus Ungarn geholt hatte: Dort bekam man ein Pferd immer noch für‘n Appel und ein Ei, und er hatte Ritma nun schon viele Jahre; sie war billiger gewesen als eine Boxen-Monatsmiete. Immerhin war sie nichts Exotisches, sondern ein Vollblut von der Rennbahn.
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Die Rennbahn konnte sie übrigens nie vergessen, und man vergaß Seeberg nie, daß sie die Rennbahn nie vergessen hatte: Seeberg hatte nämlich anfangs – das war lange vor meiner Zeit gewesen - mit allen Bereitern reihum gewettet, daß sie sie nicht reiten könnten, und er hatte keine einzige Wette verloren… Man hatte ein langes Gedächtnis im Institut.
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Daß er nur im Gelände ritt und höchstens im schlimmsten Winter mal in der Halle erschien, wo er sich dann zwar brav an alle Regeln hielt, aber auf dem zweiten Hufschlag seinen eigenen Kram machte - das erschwerte die Sache natürlich noch. Ich hörte nichts wirklich schlechtes über ihn, aber man rümpfte allgemein die Nase, wenn sein Name fiel.
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Zudem war seine Ritma nicht immer so auf Hochglanz poliert, wie die Damen das erwarteten. Also eigentlich nie. Und wenn Seeberg keine Zeit hatte, dann bürstete er nur schnell die Sattellage, holte eine alte karierte Wolldecke vom Beifahrersitz der Roten Gefahr, warf sie ihr über und ritt eben ohne Sattel und mit dem ein oder anderen Mistplacken auf Ritmas Achtersteven.
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Und er war dabei nicht so gekleidet, wie man das voraussetzte. Nein, ganz und gar nicht. Straßenschuhe und die Anzughose, mit der er sonst im Autoverleih stand. Er vertraute mir später einmal an, warum er sich an keine Bekleidungsregel hielt: Er hatte als Bub sonntags weiße Kniestrümpfe tragen müssen! Da ich dieses schlimme Schicksal teilte – und ich war ja nicht einmal ein Junge gewesen -, konnte ich seinen ohnmächtigen Grimm nachvollziehen.
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Und dann tat der Mann tatsächlich auch noch, was er wollte! Freundlich, höflich und mit tabakbraunen Zähnen lächelnd, aber er setzte seinen Willen durch. Ihm kam es nur auf eines an: auf Ritmas Wohlergehen. Schrecklicher Mann!
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Nur Sepp, einer der Pfleger im Schulstall, hatte Worte der Achtung für Seeberg: “Der longiert ohne Longe. Mußt du mal angucken. Wer das kann, der hat wirklich Pferdeverstand. Das kann hier sonst keiner.“
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Ich sah Seeberg folgsam dabei zu: Er schickte Ritma im Kreis und in Achten um die Stützpfeiler der Außenboxen, ließ sie beliebig die Hand wechseln, nur mit Körpersprache. Ich lernte dabei schon beim ersten Zusehen viel. Heute kann das so mancher, aber es war dies lange vor Gurus wie Monty Roberts und Linda Tellington-Jones, und Seeberg hatte das ganz allein für sich herausgefunden.
Eine Gesellschaft von Schafen muss mit der Zeit eine Regierung von Wölfen hervorbringen. - Juvenal
*will Spatenpaulchen und Waldschrat zurück*
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Re: Was vom Pferd
Daß er auch recht erfolgreich Militarys geritten war, erzählte mir seine Frau Caro. Die ritt auch, aber nur Schulpferde – auch sie konnte Ritma nicht bändigen. Er selbst brüstete sich nie mit etwas. Als ich ihn nach Einzelheiten fragte, meinte er nur, das sei so lange her, daß er sich nur an den Frosch erinnern könne.
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Da startete er also mal in X bei einer Vielseitigkeit; es war richtig viel Publikum da. In der Dressur hatte er ganz gut abgeschnitten, und jetzt in der Geländeprüfung ging auch alles wunderbar. Er nahm ein Hindernis nach dem anderen, alles klappte bestens. Dann der Wassereinsprung, aber irgendwie hatte er die bremsende Wirkung des Wassers diesmal unterschätzt… Sie gingen baden.
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Ritma pflügte mit lang ausgestrecktem Hals und Kopf durchs Wasser wie ein Pelikan beim Fischen, Seeberg verlor erst die Kappe (die hatten damals noch keinen Kinnriemen, nur einen schwarzen Schlüpfergummi, aber den klemmte sich kaum wer unters Kinn, das sah so albern aus) – verlor erst den Helm und dann das Gleichgewicht und platschte neben ihr hinein.
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In einer Wasserfontäne rappelten sie sich beide wieder auf; Seeberg fischte erst nach seinem Helm – da trug er noch kein Toupet, die Glatze war ihm peinlich – und dann nach den Zügeln. Er schaffte es wieder aufs Pferd, doch irgendetwas stimmte ganz und gar nicht – es krabbelte ihm etwas ganz unangenehm am Kopf… Er zog die Kappe, und vor dem johlenden Publikum sprang – nie vergessener Höhepunkt des ganzen Turniers - der Frosch zurück ins Wasser…
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Da startete er also mal in X bei einer Vielseitigkeit; es war richtig viel Publikum da. In der Dressur hatte er ganz gut abgeschnitten, und jetzt in der Geländeprüfung ging auch alles wunderbar. Er nahm ein Hindernis nach dem anderen, alles klappte bestens. Dann der Wassereinsprung, aber irgendwie hatte er die bremsende Wirkung des Wassers diesmal unterschätzt… Sie gingen baden.
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Ritma pflügte mit lang ausgestrecktem Hals und Kopf durchs Wasser wie ein Pelikan beim Fischen, Seeberg verlor erst die Kappe (die hatten damals noch keinen Kinnriemen, nur einen schwarzen Schlüpfergummi, aber den klemmte sich kaum wer unters Kinn, das sah so albern aus) – verlor erst den Helm und dann das Gleichgewicht und platschte neben ihr hinein.
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In einer Wasserfontäne rappelten sie sich beide wieder auf; Seeberg fischte erst nach seinem Helm – da trug er noch kein Toupet, die Glatze war ihm peinlich – und dann nach den Zügeln. Er schaffte es wieder aufs Pferd, doch irgendetwas stimmte ganz und gar nicht – es krabbelte ihm etwas ganz unangenehm am Kopf… Er zog die Kappe, und vor dem johlenden Publikum sprang – nie vergessener Höhepunkt des ganzen Turniers - der Frosch zurück ins Wasser…
Eine Gesellschaft von Schafen muss mit der Zeit eine Regierung von Wölfen hervorbringen. - Juvenal
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Re: Was vom Pferd
Ich lach mich schlapp ;D. Der Herr Seeberg ist mir unheimlich sympathisch. :D