Veilchen hat geschrieben: ↑25. Jun 2023, 15:13Nur gehört zum eigenen Garten auch ein Stück Selbsterkenntnis. Ich kenne die Grenzen meines Gartenkonzepts und muss meine 1000 Quadratmeter nicht zum Zentrum des naturnahen Gärtners stilisieren.
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[quote author=Bredehöft link=topic=72515.msg4058088#msg4058088 date=1687700154]
Und eine Frage an Chica, wie viel Platz hast du für dein Wildbienenbiotop reserviert?
Niemand stilisiert ja hier künstlich irgendetwas zu etwas, damit das dann irgendwie heißen kann. Ich habe den Mutterinstinkt, gebe ich zu. "Meine" Insekten hier sollen es gut haben. Hier sind 58 Tagfalterarten nachgewiesen, direkt auf meinem Grundstück. Ich kenne die ganz genauen Lebensbedingungen jeder Art, wann sie fliegt, was die Raupen fressen, in welchem Mikroklima die Pflanze stehen muss, damit sie von den Weibchen mit Eiern belegt wird. Ich habe hier zwei Wildbienenhäuser. Im ersten Jahr habe ich 8 Bienenarten identifiziert, dazu Solitärwespen sowie Gegenspieler aller Arten. Ich weiß wer wo nistet, welchen Pollen welche Biene braucht, wann sie erscheint. Die Tage ist mir aufgefallen, dass die Maskenbienenmänner, die immer um diese Zeit auf
Anthemis tinctoria erscheinen noch nicht zu finden sind. Gestern waren sie dann da. Schaut im Wildbienenthread,
Hylaeus nigritus wahrscheinlich. Die Tage müssen die Schachbrettchen schlüpfen, es ist Zeit. Dann
Thymelicus sylvestris und
lineola, so wie jedes Jahr. Ich gehe mit der Kamera durch den Garten und laufe den Tieren hinterher. Für
Xylocopa violacea habe ich jede Menge Totholz auf Bewehrungsstähle gespickt. Die Art fliegt hier im ehemals kontinentalen Osten noch nicht lange. Inzwischen gibt es zwei Weibchen, eine nistet im Eschenholz, das ich extra für sie hingelegt habe. Ich liebe diese Tiere. Ich weiß bei einem Blütenbesuch genau, trinkt sie jetzt Nektar oder sammelt sie Pollen für ihr Nest. Ich pflanze noch mehr Pollenpflanzen, um mein ehemaliges Gemüsebeet kommt ein Schneckenzaun damit
Salvia sclarea überleben kann, eine ihrer Lieblingspflanzen. In die neu gepachtete Gemeindewiese habe ich
Colutea arborescens gesetzt. Ich schreibe über das alles ja im "Sonnigen Gehölzsaum", bei den Schmetterlingen und Wildbienen. So ist im Laufe der Jahre aus den etwas über 2.000 qm Garten hier ein Insektengarten geworden. Iris, Phlox und andere klassische herkömmliche Beetstauden funktionieren wegen der Dürre in Verbindung mit dem mageren Sandboden seit Jahren nicht mehr. Dann wird eben Platz für noch mehr "Bienenpflanzen" frei,
Campanula persicifolia erweist sich als äußerst robust und samt sich in die Lücken. Gut so, Glockenblumen sind ausgesprochene Bienenpflanzen. Ich habe überhaupt keine Lust mich auch nur mit den Pflanzen zu beschäftigen, die da in der Liste für die "Staudenwiesen" stehen. Wozu? Wozu die 100ste Sorte der 35. nordamerikanischen Art? Mir fehlt einfach die Zeit und Energie gegen die natürlichen Gegebenheiten hier zu gärtnern, Boden zu verbessern, auszutauschen, stundenlang zu gießen. Also wird nur schonend eingegriffen und die Anzahl der Blütenpflanzen die funktionieren erhöht, so dass ich hier eine Insektenoase habe. Die Wiesenflächen werden mit Wildblumen gedopt, Initialbeete heißt das Zauberwort, und mit Sinn und Verstand und ökologisch ungefährlicher Technik partiell gemäht. Ich fühle mich hier wohl, mir gefällt es sehr gut. Ich muss nicht mehr gestalten. Ich liebe es mit "meinen" Tieren hier zu leben, sie in jedem Jahresverlauf erneut zu treffen. Und wie das Ganze dann am Ende heißt ist mir völlig egal. Ich folge da auch keiner moralischen Verpflichtung, für mich passt das nur so am besten zusammen.
Der schönste Garten ist der, der kurz vor dem Verwildern steht.
Dr. med. Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808-1861)