Ja, genau so ist es. Viele Handwerksberufe lohnen einfach nicht mehr. Der Verlust ist sehr betrübend, aber irgendwie auch eine logische Konsequenz unseres modernen Lebens.
Genauso wie man dann halt nur noch industriell gebackenes Einheitsbrot bekommt, kriegt man eben nur noch Kirschlorbeer und Co.
Wobei Gärtner glaube ich noch nie zu den besonders gut verdienenden Berufen gezählt haben..
Was bleibt, ist das Hobby. Selbst Pflanzen anziehen, selbst Brot backen - zunehmend Orchideen( )-Fächer.
Will nicht zu philosophisch werden, aber ich glaube tatsächlich, dass es der Wohlstand ist, der dafür verantwortlich ist. Der Mensch muss nicht mehr besonders kreativ sein, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen..es gibt viele einfache(re) Wege. Was nicht heißen soll, dass es keine Not gibt. Aber anders als es vielleicht vor 60 Jahren war.
Und das moderne Leben ist geprägt durch Globalisierung und Vernetzung.
Begonnen hat es mit dem ersetzen Tierischer Arbeitskraft mithilfe Maschinen, sodass man deutliche längerere Strecken überbrucken konnte erst waren es Züge und Schiffe dann PKW und LKW. Während die Züge nur Bahnhöfe ansteuern konnten, kann man heute eigentlich überall mit einem LKW PKW hingelangen.
Nun kam in den letzten Jahrzehnten noch die Digitalisierung und Automatisierung hinzu. Durch die Vernetzung im Internet können andere Bewerber ihre Kunden direkt ansprechen der Handel wird immer vertikaler, Zwischenhändler fallen zunehmend weg und dazu kann auch die Gärtnerei von nebenan zählen. Also anders gesagt über das Internet Kunden ansprechen und über die Versandwege der heutigen Zeit erreichen.
Gleichzeitig können die größeren Betriebe, die Zwischenhändler wegfallen lassen, mehr Geld investieren in Automation etc ( Skaleneffekte und Lerneffekte kommen noch hinzu)--> Kostenstruktur verbessert sich erheblich. Sodass diese konkurrenzlos günstig herstellen können.
Automation benötig oft Vereinheitlichung und Vereinfachung von Produktionsprozessen --> führt dann zu uniformen Angeboten und dem teils verarmten Angebot das wir heute haben
Wobei dies in der Zukunft durch maschinelles Lernen etc ( Buzzword A.I.) noch verfeinert werden kann zur individual Massenproduktion, was wiederum für den Endkunden spannend sein dürfte
Ich denke also das nicht Wohlstand per Se Schuld daran ist, sondern zum einen der technische Fortschritt und im zweiten die Ökonomie. Die Wertschätzung des Menschen gegenüber der Gärten ist in DE zwar vorhanden aber nicht allzuhoch. Und die Preise die man nehmen kann sind halt eine Frage der Preisbereitschaft und da die meisten haben dann doch höhere Preisbereitschaft für Autos, Alkohol oder ähnliches als für Blümchen und Gartenarbeiten.
Bevor man einen Gärtner ruft, muss auch das Haus auch erstmal stimmen bspw. frisch gestreichen etc.
Garten wird oft als Luxus wahrgenommen, dabei ist doch durchaus Teil unseres Naturells als sesshaft gewordene Spezies.
Hinzu kommt gerade in Deutschland durch den demogrpahischen Wandel wenige junge Menschen. Den Kampf um Mitarbeiter gewinnen dann die großen Unternehmen und jene die mit der größten Bezahlung daher kommen, was in der Regel andere Branchen sind in De klassischerweise: Maschinenbau, Autos, Chemie, Metallverarbeitendes Gewerbe.
Im Beispiel Kirchenlohr klingt es ähnlich wie bei anderen kleineren Mittelständischen Unternehmen und anderen Selbständigen. Ist kein Phänomen welches sich nur auf Gärtnereien bezieht. Wie schon ansgeprochen auch Bäckereien, Schreibwarenläden uvm.
Zuletzt geändert von sempervirens am 14. Jan 2025, 10:26, insgesamt 6-mal geändert.
Krokosmian hat geschrieben: ↑13. Jan 2025, 20:52
Im konkreten Fall war es wohl die Entscheidung für ein schnelles Ende mit Schrecken, gegen einen Schrecken ohne Ende.
Ja, hier haben wohl mehrere Faktoren zu dieser für uns Gartenfreunde schmerzlichen Entscheidung geführt. Kirschenlohr war auch in der letzten Zeit nicht mehr auf den entsprechenden Pflanzenmärkten vertreten. Es ist schon schade, wenn man letztendlich nur noch auf Versandgärtnereien angewiesen ist. In einer Gärtnerei herumstöbern und Pflanzen aussuchen, das hat einen ganz anderen Reiz, als noch so schöne Bilder online oder in Katalogen zu betrachten.
Na ja, ich denke aber auch dass sich der Beruf des Gärtners gewandelt hat. Es wird wird viel mehr Wissen erwartet, es gibt sehr viel mehr Technik und es gibt kaum noch den festen, stabilen Job fürs Leben.
Auf der andere Seite gibt es die Maintenance Trupps - dafür braucht es weder Lehre noch Schulabschluß, das sind Jugendliche die sonst was gelernt hätten. Ich glaube das ist eine Reform die wir Schröder verdanken?
Die Lehlingsklassen haben in Berlin jedenfalls wenig mit denen von früher zu tun, das sind zum Großteil Abiturienten, was bei den immer größeren Erwartungen die an Gärtner gestellt werden, ja auch gut ist. Bloß bleiben die oft nicht lange Gärtner…
Ich hatte lange überlegt ob ich was ähnliches schreibe wie sempervirens - zu lange, da stand es dann: zunehmende Standardisierung und Arbeit durch ungelernte, billige Arbeitskräfte, eine Entwicklung die man in manchen anderen Handwerken ja auch beobachten kann (vorgefertigte Fenster, Türen, Treppen, ganze Verbaussysteme wie die Dachgärten bei Gärtnern, das braucht keiner eine Lehre machen für). Darüber dann eine gut ausgebildete Technikerkaste, die oft keine Ahnung vom praktischstem Beruf hat.
Das führt aber in Gärtnereien die ihre Waren hauptsächlich über den Großhandel beziehen, zu dem kuriosen Effekt das die perfekt gedüngte Massenware (die viele Kunden inzwischen erwarten, die nicht so schöne, aber lebensfähige Ware aus herkömmliche Ware wird als ‚schlecht‘ stehengelassen) zu guten Teilen sich in den widrigen Bedingungen der Gärten gleich verabschieden. Ich schätze das bei mir 7-9 von 10 solcher Pflanzen das zweite Jahr nicht erleben und höre ähnliches von Kunden.
Trotzdem kann man in wenigen Berufen noch wirklich etwas von Anfang bis Ende so zu Ende bringen wie als Gärtner. Von der Aussaat bis zur Pflanzung und bestenfalls noch Pflege, das gibt es immer noch.
Zuletzt geändert von hobab am 14. Jan 2025, 11:51, insgesamt 1-mal geändert.
sempervirens hat geschrieben: ↑14. Jan 2025, 10:00
... Die Wertschätzung des Menschen gegenüber der Gärten ist in DE zwar vorhanden aber nicht allzuhoch. ...
Ich seh halt hier in der Grenzregion den fundamentalen Unterschied zwischen den Niederlande und Deutschland - während in den Niederlande ein Großteil (alleine schon, ist das, was ich sehe) Vorgärten interessant bepflanzt sind, muss man das in Deutschland sehr lange suchen.
In den Niederlande werden die 0815-Gartencenter regelmäßig mit Neuheiten und Raritäten bestückt, die man hier in Deutschland mit Glück auf Pflanzenmärkten begegnet (und dann haben sie dort oft das Label, mit dem sie in Holland im Verkauf sind, können aber auch gern das doppelte wie in Holland kosten)....
Wer meinen Lern-Garten sehen will - unterm Goldfrosch-Bild den Globus klicken!
Erich Kästner, (1933/46), Ein alter Mann geht vorüber
“Frei zu sein bedeutet nicht nur seine eigenen Ketten abzulegen, sondern sein Leben so respektvoll zu leben, dass es die Freiheit anderer steigert.“ Nelson Mandela
planwerk hat geschrieben: ↑13. Jan 2025, 22:21
Ich vermute die Seniors hören auf und das kannst Du finanziell nicht ersetzen.
Das war auch meine Vermutung.
Schade, schade, ich konnte dort zwar nicht oft hinfahren, aber wenn ich in der Ecke war, musste ein Abstecher immer sein.
Wobei mir dabei gelegentlich auch die Öffnungszeiten in die Quere kamen, ist bei Anja Maubach ähnlich.
Liebe Grüße Ariane
It takes both, sunshine and rain, to grow a garden.
sempervirens hat geschrieben: ↑14. Jan 2025, 10:00
... Die Wertschätzung des Menschen gegenüber der Gärten ist in DE zwar vorhanden aber nicht allzuhoch. ...
Unterschied zwischen den Niederlande und Deutschland - in den Niederlande ein Großteil orgärten interessant bepflanzt sind, muss man das in Deutschland sehr lange suchen.
In den Niederlande 0815-Gartencenter mit Neuheiten und Raritäten bestückt, die man hier in Deutschland mit Glück auf Pflanzenmärkten begegnet ( gern das doppelte wie in Holland kosten)....
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass die Niederlande bezogen auf die Vertikalisierung des Handels im Bereich Pflanzen eher ein Gewinner der Entwicklungen der letzten Jahre ist (Gloablisierung, Internet und Co). Deutsche Produzenten haben eher das Nachsehen. Und die Niederländer sind bei den Themen Gewächshäuser, Automation etc ganz vorne dabei. Diese zahlstarken Groß-Betriebe können dann auch noch junge talentierte Menschen halten.
Gerade das mit dem Label zeigt ja das "gefühlt" an jeder verkauften Pflanze ein Holländer verdient. Viele denken sich dann warum hier den doppelten Preis zahlen und nicht direkt beim Großhersteller kaufen zum halben Preis ( klassische Vertikalisierung). Und ich muss gestehen ich mache es in Teilen auch selbst in dem man Blumenziwebel ordert übers Netz es ist halt leider konkurrenzlos günstig ...
Einige Baumärkte hier mit besseren Sortiment werden auch von niederländischen Großhändlern ausgestattet.
Aber es hat natürlich auch historische Gründe angefangen mit dem Übersee-Reich der Niederländer und den Blumenzwiebeln war das Pflanzengeschäft insbesondere von Zierpflanzen und Raritäten immer etwas relevanter als hier in DE und soweit ich weiß trägt die Landwirtschaft in den Niederlanden mit 25% noch ziemlich viel zum BIP des Landes bei.
Aber so ist das halt in der Ökonomie an sich ist es ja besser für alle wenn einer zu viel besseren Preise produziert. Aber ich denke das geht einher mit dem Verlust loakler Beratung : was funktioniert bei einem Vorort und alle die Sorten die durch Zufallsfunde in Gärtnereien entdeckt worden sind, werden dann den Niederländern vorbehalten sein. Und im Sinne der Pflanzenverwendungung dann schlecht für Pflanzen die in DE besser zu kultivieren sind als in NL
Zuletzt geändert von sempervirens am 14. Jan 2025, 12:20, insgesamt 7-mal geändert.
Das Holland so groß ist mit Gewächshäusern, hat auch viel mit Rotterdam zu tun, DEM Hafen für Erdöl. Das war immer billig in Holland, so dass deutsche Gärtnereien nicht mithalten konnten. Jetzt ist es die Windkraft, für die die Niederlande ideal liegen, sowie vermutlich eine bessere Energiepolitik als Merkel machte - jedenfalls scheinen sie auch Energiespeicher zu bauen.
Korrekt das Sterben der Kleinen ist Teil davon wie gesagt durch die Skalen und Lerneffekte der Großen sind kleine Betriebe ökonomisch nicht ausreichend kokurrenzstark und verschwinden. Einzig jene die sich gute Nischen gesucht haben oder sich durch andere Merkmale abheben können überleben.
Das ist ähnlich wie mit der Flora in Deutschland. Das moderene Logistikwesen und das Internet sind vergleichbar zu Stickstoffdüngern. Die Starkzehrer gewinnen und verdrängen die kleinen licht und Magerkeitsliebenden Arten. Die Artenvielfalt nimmt ab die Biomasse vllt sogar zu. Ähnlich ist mit den Betrieben es werden weniger und die übrigen sind Größer und vom Produktionsoutput vermutlich auch größer als damals die kleinen Gärtnereien in ihrer Gesamtheit
Zuletzt geändert von sempervirens am 14. Jan 2025, 12:25, insgesamt 2-mal geändert.
Hobab, Gewächshaus, und damit heute auch Automatisierung. Wir sind mit unserem automatisierten ein Spezialfall, Topfmaschine mit viel Verschleiß weil sandige Substrate verwendet werden und vieles mehr, über 90% Sonderanfertigungen.
Staudo hat geschrieben: ↑14. Jan 2025, 12:06
Auch in den Niederlanden gibt es ein massives Gärtnereiensterben. Das betrifft wie in Deutschland vor allem Kleinbetriebe. Aber auch große hören auf.
Ist das so?
Ich denke, es ist auch eine Frage der Größe des "Absatzmarktes".
Holland hat knapp 18 Millionen Einwohner, Deutschland 84,5 Millionen.
Wenn ich so die vielen gut bepflanzten Vorgärten in Holland mit den wenigen deutschen vergleiche, dann auch noch z.B. das Forum hier nehme, mit um die 19.000 über 20 Jahre angemeldeten Mitgliedern - von denen aktuell vielleicht wenns hochkommt nur um die 30 überhaupt regelmäßig aktiv sind......dann erscheint mir der Absatzmarkt in Holland größer als hier in Deutschland, trotz enormem Unterschied der Einwohnerzahl.
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Erich Kästner, (1933/46), Ein alter Mann geht vorüber
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