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Verschnittene Bäume wieder aufräumen (Gelesen 2526 mal)

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Moderator: cydorian

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hobab
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Verschnittene Bäume wieder aufräumen

hobab »

So richtig weiß ich nicht wohin mit einem Thema, das mich schon lange plagt und auf das es wohl keine klare Antwort geben wird: als Gärtner schneide ich auch Obstbäume, aber eben mal, nicht haupfberuflich. In der Regel bedeutet das Gehölze die entweder nie, oder so geschnitten wurden, dass der Kunde irgendwann nicht weiterwusste. Vorgestern stand ich mal wieder vor einem Apfel, der gar nicht mal so falsch geschnitten war, aber recht hart und dann wurde vier Jahre nichts gemacht. Also ungefähr zwanzig armdicke Wassertriebe steil nach oben. Wie schneidet ihr sowas? In dem Fall habe ich auch bis zu 7cm dicke Äste entfernt, weil der Baum sehr vital war, aber mit einem so miesen Gefühl dabei...das viele dieser Schnitte vermutlich nicht heilen werden ist mir klar. Aber einen so verbauten Baum macht ja auch wenig Sinn, der hätte vielleicht von alleine in zehn Jahren wieder eine vernünftige Form, aber dann wären die Äpfel unerreichbar hoch.
Die Frage wäre wohl, wieviel Risiko sollte man eingehen beim Schnitt von stärkeren Holz, in Abwägung zum Kronenaufbau? Prunus ist noch mal was anderes, das ist klar. Mich würde eure Schmerzgrenze interessieren, oder wonach ihr dann entscheidet, mit mehr Erfahrung werde ich eher immer vorsichtiger und ich hasse es mit dem Gefühl zu schneiden, dass viele Schnitte Eintrittspforten für Pilze sein werden.
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cydorian
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

cydorian » Antwort #1 am:

Bei Äpfeln kann man viel korrigieren und auch radikal vorgehen. Bei Birnen etwas zarter, abhängig von Sorte und Wuchskraft.

Hatte das Problem, als ich eine verwilderte Obstwiese übernahm und dann nochmal mit Rindenbrandruinen. Versuche mit starkem Rückschnitt bis hin zum teilweisen Kronenneuaufbau liefern ziemlich gut. Auch aus den Rindenbrandruinen konnte ich noch ein paar gute Jahre herausholen. Natürlich gab es die von dir schön beschriebenen Astwälder, als ich in 2m Höhe dem Hauptstamm absägte, der ab dieser Höhe am Absterben war und unten schon Nottriebe machte.

Bei dann entstehenden Astwäldern geht man ohne Hektik vor. Man nimmt erst nur max. 30% der engstehenden Äste raus, möglichst im Sommer und nimmt in Kauf, halt nur langsam zu besserer Belichtung zu kommen. Solange der Baum wüchsig ist, überwallt er auch grössere Schnittwunden gut. Mittlerweile lass ich die Bäume ausserdem grundsätzlich dichter, weil das meinem Eindruck nach auch in den Hitzesommern Vorteile hat, etwa die Rinde immer beschattet hält.
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hobab
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

hobab » Antwort #2 am:

Super - Danke für die Antwort, die hilft mir sehr! Und mir ist klar, dass jeder Gärtner etwas anderes vorgeht, daher bin ich über viele verschiedene Meinungen auch froh. Eure Diskussionen über den Baumschnitt sind spannend und ich lese eigentlich immer mit, auch ohne mich einzumischen (da fühle ich mich nicht fachkundig genug).

Beim Auslichten bin ich etwas radikaler, aber im Prinzip mache ich es auch genauso wie von dir beschrieben. Ich habe halt nicht den Luxus über viele Jahre Bäume zu begleiten, häufig sind das nur Aktionen über 1-10 Einsätze.
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hobab
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

hobab » Antwort #3 am:

Hintergrund meiner Frage ist unter anderem auch die Idee, dass Bäume, die gut kompartieren können, wie Buche oder Eiche, dafür weniger gut austreiben. Dagegen sollen Bäume, die nicht gut verheilen wie Apfel, Kirsche oder Ahorn, den Verlust durch starkes Wachstum ausgleichen können.
Die Idee leuchtet mir ein, grade bei Apfel kann man gut verfolgen, wie selbst schon halb abgestorbene Bäume wieder unten neu austreiben können, beziehungsweise wie Teile der Krone schon innen hohl sind, was den Baum aber nicht hindern, neue Äste zu bilden.

Diesen Gedanken in meinen Schnitt einbauen zu können wäre verlockend, wie fundiert die Therorie ist - weiß ich leider nicht.
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

Starking007 » Antwort #4 am:

Des Apfels natürliche Strategie: Während des waldlichen Überholvorganges immer weitertragen, und wenn`s liegend ist...

Ich hatte mal ein Vorbild, der war noch gelernter Obstbaumschneider und beruflich in F und Südtirol tätig.
Der sagte mir (Apfel): Bevor du und der Baum sich quält, hau ihn runter, und wenn er schon 20cm stark ist, oder neu,
auf 1,30m, wie ein Pfosten, und mach was schönes neues daraus.
Äste am Stamm gewünscht? Motorsäge rauf und runter, das wird schon.

Da ist schon was dran.

Meine derzeitige Apfel-Birne-Kirsche Schnittsituation:
30 Jahre alt, 1m neben dem Stamm konventioneller Acker, 1m andere Seite tiefer feuchter Wassergraben + Strasse.
Die stören überall, Landwirt und Gemeindearbeiter. Gepflanzt bei der Flurbereinigung, nie geschnitten, dafür angefahren....
Meine Strategie: Einen Versuch sind sie wert, bei mimimalem Aufwand.
Motorsäge + Hochentaster: Luft in die Mitte, Übergewicht weg, Verkehrsraum frei machen. Evtl. noch Gipfel freistellen oder einen neuen schaffen. Fertig.
Wird`s nix - bodengleich.
Nachschau in ein paar Jahren....

Kommentar der Beobachter: Kommst zu mir auch??? Nein.
Gruß Arthur
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Lady Gaga
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

Lady Gaga » Antwort #5 am:

hobab hat geschrieben: 23. Feb 2025, 16:23 Beim Auslichten bin ich etwas radikaler, aber im Prinzip mache ich es auch genauso wie von dir beschrieben. Ich habe halt nicht den Luxus über viele Jahre Bäume zu begleiten, häufig sind das nur Aktionen über 1-10 Einsätze.
Wenn man "nur" 1/3 der Äste kürzt und dann im nächsten Jahr erst weitermacht, sollten die vielen Wassertriebe nicht kommen. Bei dem radikalen Schnitt schießen viele neue Triebe nach oben.
Grüße aus dem Burgenland, dem Land der Sonne!
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Monti
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

Monti » Antwort #6 am:

Genau die Frage ist mir am Samstag auch durch den Kopf gegangen.
Ich hab letztes Jahr eine Wiese gekauft. Die Bäume wurden schon immer wieder geschnitten, leider verkehrt...
Die Lebenszeit ist leider viel kürzer als potenziell möglich. Durch den falschen Schnitt (Zapfen, Starkastschnitt) sind fast alle Bäume von Weißfäule bildenden Porlingen befallen. Astbruch ist die Folge.
Der hier ist noch einer der vitaleren (Brettacher):
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Diese Quirle aufzulösen, davor graut mir schon...
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hobab
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

hobab » Antwort #7 am:

Was du meinst Starking versteh ich gut, aber wir haben grade Kastanien geschnitten und wenn man dann sieht, das Schnitt von vor vier Jahren nicht abgeheilt sind, teilweise schon Pilz haben: da kann man nicht neu aufbauen. Und das waren Schnitte unter vier Zentimeter. Bei 20 Kastanien in Reihe sollte auch keiner ausfallen, und beim heiß geliebten Hausapfel der Kundin: auch schwierig der das beizubringen....

Lady Gaga, das weiß ich auch, aber ich räum lieber einmal auf, als den Kunden so eine Dauerbaustelle aufzubürden. Zumal man nie weiß was die nächste WEG/Beiratssitzung beschließt, da wird dann der Garteneinsatz eingespart und der halbgeschnittene Baum wird nächstes Jahr definitiv nicht mehr geschnitten werden können, dann sind die Schnittstellen zu groß. Das hatte ich ja grade mit den Kastanien, da haben sie vier Jahre gewartet ...
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

hobab » Antwort #8 am:

Monti hat geschrieben: 23. Feb 2025, 18:11 Genau die Frage ist mir am Samstag auch durch den Kopf gegangen.
Ich hab letztes Jahr eine Wiese gekauft. Die Bäume wurden schon immer wieder geschnitten, leider verkehrt...
Die Lebenszeit ist leider viel kürzer als potenziell möglich. Durch den falschen Schnitt (Zapfen, Starkastschnitt) sind fast alle Bäume von Weißfäule bildenden Porlingen befallen. Astbruch ist die Folge.
Der hier ist noch einer der vitaleren (Brettacher):
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Diese Quirle aufzulösen, davor graut mir schon...
Bei dem würde ich es noch versuchen, was will man da machen außer auch kräftiges Holz rauszuhauen? Aber bei noch schlimmeren ist es wohl besser neu zu pflanzen. Oder den Starkingschnitt mit der Kettensäge - probieren kann man es....
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

Starking007 » Antwort #9 am:

Wenn es sonst nur eine einzige Alternative gibt, ist ein "unsachlicher" Schnitt manchmal das Beste....
Gruß Arthur
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

Mottischa » Antwort #10 am:

Naja Monti es kommt darauf an, wieviel Arbeit du dir machen willst. Bei dem Austrieb scheint der Baum recht vital zu sein, das Grundgerüst ist doch auf Anhieb mal ganz gut. Ich würde oben anfangen, in der Mitte und mir einen Fortsatz des Leitastes suchen und die anderen daneben rigoros schneiden. Deinen Leitast solltest du einkürzen und dann die Knospenansätze entfernen. Also erstmal die obere Krone auslichten. Man arbeitet sich eigentlich erstmal von oben nach unten runter und guckt halt, welche Äste die Belüftung stören, also z.B. quer wachsen. Das dauert insgesamt sicherlich sehr lang, weil du den Baum nicht auf einmal fertig bringst, sondern jährlich ran musst. Wenn du den Baum jetzt schneidest, dann treibt er sicherlich wieder sehr gut aus. Wenn du den Baum erstmal im Wachstum beruhigen willst, also eine langsamere Gangart einlegen möchtest, kannst du ihn im Sommer schneiden, dann ist die Wundheilung übrigens besser.

Insgesamt finde ich bei dem Baum die Grundvoraussetzungen gar nicht schlecht, meiner wurde in der gesamten Krone gekappt und sieht aus wie die peitschende Weide, dieser hier hat immerhin noch ein Gerüst.
Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann, ohne dabei glücklich zu sein. (Fjodor Dostojewskij)
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

Staudo » Antwort #11 am:

Ich würde auch etwas rabiater mit der Säge vorgehen und die Schere bewusst nicht einsetzen. Dadurch bleiben dem Baum "Ventile" für den Saftdruck. Obstbäume sind keine Straßenbäume. Deshalb würde ich Hohlräume durch größere Wunden in Kauf nehmen. Die sind obendrein wertvoll für Vögel und Insekten.
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

hobab » Antwort #12 am:

Das wird die Kunden nicht überzeugen, aber da bin ich sonst ganz bei dir. Aber mehr Spaß macht das Feintuning mit der Schere, wo man sich nicht den Kopf über Pilzbefall zerbrechen muss...aber das dürfte bei dem noch eine Weile dauern. Beim meinem hab ich höchstens mal die Astschere benutzt.
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

cydorian » Antwort #13 am:

Solche alt gewordenen Igelbäume sind genauso zu schneiden. 30% raus, im Sommer. Brettacher regeneriert gut, triploide Sorte. Mir ist mal einer regelrecht zusammengekracht wegen Überbehang plus Sturm. Hab ich sauber wieder aufbauen können, obwohl erst nichts mehr stimmte.

Diese Igel haben wir hier auch sehr häufig. Das machen gerne Leute, die auch Weinbau betreiben oder betrieben haben. Mag nicht mehr hingucken, es frustriert nur und verstärkt das unangenehme Gefühl, das gar nicht so wenig Baumbesitzer Psychos sind.
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Re: Verschnittene Bäume wieder aufräumen

thuja thujon » Antwort #14 am:

Ich würde sie nicht Psychos nennen. Sie haben sich halt noch nicht ausreichend mit der Materie beschäftigt.

Bei den Bäumen von Monti würde ich wie bei den meisten solchen Kandidaten vorgehen: Schattendach in der Mitte entfernen, egal was kommt, auch mehr als 30%. Das sollte mit wenigen Sägeschnitten erledigt sein. Lieber 5 Minuten länger Baumansprache halten, um rauszufinden, was stehen bleibt als zukünftiges Kronengerüst. Die Zukunft gilts rauszuarbeiten. Wenn dafür 50 oder 70% der Krone fallen, so what. Hauptsache es werden nicht hunderte Schnitte gemacht und es gibt genug Saftzieher zum aufnehmen vom Wuchs.

Meist muss man das Jahr drauf nochmal nacharbeiten, danach kehrt mit den Erträgen aber wieder schnell Ruhe in den Baum. Wenn was fault, egal, der Baum ist ja wüchsig und bildet genug Stützholz. Also wie Staudo schon gesagt hat, dann gibts eben eine kleine Bruthöhle.
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