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Kamillenteer als universeller Schutz (Gelesen 5758 mal)
Moderator: Nina
Kamillenteer als universeller Schutz
Ein häufiges Problem bei der Aussaat empfindlicher Blumen- und Gemüsesamen ist die Infektion des Keimlings durch Bakterien oder pathogene Pilze. Die bekannteste Auswirkung ist die sogenannte 'Umfallkrankheit, bei der sich meist zunächst eine Einschnürung am Stengel zeigt, die Pflanze knickt dort ab ('fällt um') und verdorrt.Im Konventionellen Gartenbau wird daher das Saatgut meist mit Chemikalien behandelt (gebeizt). Für den biologischen Anbau stellt das natürlich keine Option dar, es besteht daher eine große Nachfrage nach alternativen Behandlungen. Ein Hausmittel ist Kamillentee. Die darin enthaltenen ätherischen Öle wirken leicht desinfizierend. Oft jedoch reicht die Wirkung nicht aus. Die ätherischen Öle verflüchtigen sich schnell, und andere Inhaltsstoffe des Tees schimmeln sogar mit der Zeit. Gesucht wird daher ein Naturprodukt, das einen etwas länger wirkenden Schutz ergibt.Wie so oft wird man auf der Suche nach praktischen Methoden abseits von eingefahrenen Denkweisen im Osten fündig: Wir haben uns auf ein altes ukrainisches Rezept besonnen: Kamillenteer. Dabei handelt es sich im wesentlichen um z.T. denaturierte, in schwerflüchtige Formen überführte Wirkstoffe aus verschiedenen Kamillenspezies. Teer wurde und wird auch in der Medizin eingesetzt, z.B. als Teersalbe: http://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20070613222538AAouYVK&show=7Für die Anwendung im Gemüsebau ist jedoch nicht jeder Teer geeignet: in vielen Teeren sind wuchshemmende Stoffe enthalten, manche würden die Keimung ganz verhindern oder gar Pflanzen im Wachstum eingehen lassen. Die bekannte Milde der Kamille findet sich dagegen auch in ihrem Teer wieder.Gesammelt wird zunächst ein guter Arm voll Kamillenkraut, welches einen Gutteil Blüten enthalten sollte. Man lässt es zunächst einige Tage lang trocknen, Masse und Volumen nehmen dabei bereits deutlich ab. Durch Stampfen, z.B. mit einem Holzstampfer, verringert sich das Volumen weiter, es sollte sich jetzt um zwei bis fünf Liter Trockenmasse handeln. Das ist der Ausgangsstoff für die Verteerung. Nicht nur aus Kostengründen sammelt man die Kamille am besten selbst: in Importen aus Ägypten oder dem ehemaligen Jugoslawien wurden in der Vergangenheit Schwermetalle gefunden. http://www.heilpflanzen-welt.de/kraeutergarten/2003-11b-wunderheiler-kamille.htmStandardisierte Verfahren zur Kamillenteerherstellung gibt es noch nicht. Zur 'normalen' Teerherstellung und zum prinzipiellen Verfahren kann man hier etwas nachlesen: http://www.dueppel.de/index.php?id=62. Das ist jedoch für den Haushaltsmaßstab inpraktikabel, man wird andere Verahren finden müssen. Traditionell werden die zerbröselten Kamillenpflanzen mit unreifen Kiefernzapfen, je nach Region auch mit Fichtenzweigen oder Wacholder im Verhältnis 3:1 vermischt. Manche geben auch noch ein halbes Glas Honig, vorzugsweise von aromatischen Kräutern (Thymianhonig, Lavendelhonig) hinzu. Das ganze wird in einem großen Topf bei hoher Hitze einige Zeit verkokelt, der entstehende Qualm wird über ein Loch im Deckel durch ein kurzes (ca. 30 cm langes) Kupferrohr abgeleitet. Der Teer kondensiert darin und tropft in eine Tasse daneben. Die Ausbeute ist gering, sie lässt sich stark verbessern, wenn man ein Gefäß mit konischem Boden verwendet (z.B. einen Wok) und den Kamillenteer über in Loch an der tiefsten Stelle abzieht.In der rustikaleren Variante geschieht die Verteerung im Ofen, der Teer wird am Ende von den Wänden gekratzt. Hierzulande versucht man das Verfahren durch die Verwendung von Glaskolben und Destillierkolonne zu professionalisieren, Leute mit Elektroherd werden aber besser bei Metalltöpfen bleiben. (Achtung: keine Antihaftbeschichtung, Emaille dagegen ist gut geeignet.)Je nach Herstellungsverfahren und nach Routine des Teerkochers kann das Produkt sehr unterschiedlich ausfallen. Meist wird es sich um eine braunschwarze Masse von honigartiger Konsistenz handeln. Von hellbraun zu tiefschwarz und von ölig-viskos bis zu praktisch fest wie Asphaltbrocken kann alles vorkommen. Ebenso unterschiedlich ist die Weiterverarbeitung: natürlich lassen sich asphaltartig-feste Brocken weder auf das Saatgut noch auf Pflanzen streichen. Außerdem ist die Ausbeute bei der Herstellung gering und der Kamillenteer daher entsprechend wertvoll. Man wird ihn also eher nicht zu dick auftragen wollen. Durch vorsichtiges Erwärmen und verdünnen mit Sesamöl wird es besser handhabbar. Teer kann die Feuchtigkeitsaufnahme von Samen erheblich behindern. Aus diesem Grund wird das Saatgut zunächst in Wasser eingeweicht, kurz abgetrocknet und dann erst geteert. Interessanterweise ist aber auch gar keine lückenlose Teerung notwendig, denn Kamillenteer wirkt wie ein "Depot-Kamillentee". Im feuchten Substrat werden ständig geringe Mengen an Wirkstoff herausgelöst und in der Umgebung verteilt. Vermutlich beruht darauf auch die äußerst positive Wirkung von Kamillenteer auf die Widerstandsfähigkeit von Gemüsepflanzen gegen Pilzkrankheiten: wird der Stengel regelmäßig frisch geteert, so kann die Pflanze ständig Wirkstoffe aus diesem 'Depot' aufnehmen. Wir werden dieses Jahr die Wirkung gegen Braunfäule testen. Ein besonderer Kniff: einige Bauern in Weißrussland mischen einen kleine Anteil Honig angeblich erst am Schluss in den fertigen Teer. So erhöht sich die Löslichkeit und Atmungsaktivität der Beschichtung.Neben Saatgut profitieren auch Zwiebeln von einer Teerung:
Diese junge Tomatepflanze hat gerade ihre erste Schicht Kamillenteer auf den Stengel bekommen. Eine erneute Anwendung wird erst wieder im Juni nötig sein und dann aufgrund des hohen Befallsdrucks durch Braunfäule alle drei bis vier Wochen wiederholt werden:
Hier nochmal eine größere Aufnahme. Es handelte sich um eine sehr niedrig viskose Zubereitung. Das ganze ist noch in der Erprobung und wird noch einige Übung erfordern. Wie man sieht wurden die Keimblätter mitgeteert, was aber nichts ausmacht, da die Pflanze bereits mehrere adulte Blätter besitzt:
Auch wenn die ersten Versuche noch etwas unbeholfen sind und noch einige Übung und Verbesserung benötigen werden, ich hoffe, der eine oder andere kann von dem neuen Hilfsmittel Kamillenteer profitieren.Viele Grüße,Robert
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Hi!Hab es dieses Jahr ausprobiert. So eine Sauerei.... mach ich nie wieder :-/Und besser als mit Salzwasser desinfizierte samen sind die auch nich gekeimt.Also naechstes Jahr mach ich das nich nochmal.Hier mal Foto von einer Chili (Joes Long). Hab sie nur noch mit Handschuhen angefasst um mir nicht die Flossen vollzuschmieren
;DBye, Simon


Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Na dann werde ich mal in den Garten gehen und Pflanzen teeren. Aber zu vor werde ich mich von innen teeren mit schwarzen Tee.
Liebe Grüsse Crispa
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Vorsicht bei der Anwendung im Freiland: Wenn es zu warm ist, trocknet der Teer aus und wird bröckelig. Bei Regen hingegen wird er sehr klebrig.
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Oh - was sehe ich da auf dem Weg zur Arbeit? Da muß ich doch auch noch schnell meinen Senf dazugeben:Nachdem uns Re-Mark letztes Jahr bei einem spontanen Treffen von seinem "Teer-vorhaben" erzählte, war nicht nur ich interessiert. Da die ganze Prozedur recht aufwändig ist, schickte mir Re-Mark dankenswerterweise eine kleine Menge seines Kamillenteers.Was soll ich sagen: Jetzt endlich nach vorher 5 mißlungenen Versuchen, ist der Samen von Romnyea coulteri gekeimt und über sein Keimblattstadium auch hinausgekommen :DDieses Jahr werde ich mich nun selbst an die Kamillenteerherstellung wagen.@ Simon: war Deine Masse vielleicht zu dünn? Zuwenig Kamille und zuviel Honig? Du solltest Dich nochmal vom "Altmeister" Re-Mark instruieren lassen - sein Kamillenteer war jedenfalls Klasse
!LGmacrantha

Wenn Du einen Schneck behauchst, schrumpft er ins Gehäuse,
Wenn Du ihn in Kognak tauchst, sieht er weiße Mäuse. (Ringelnatz)
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- Nina
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Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Aber Simon, Re-Mark hatte doch schon darauf hingewiesen, dass es noch etwas Übung und Probieren für die richtige Anwendung braucht. Ich finde Du stellst Dich etwas an.Jedenfalls finde ich die detaillierte Anleitung super! :)Die Ukrainer werden bestimmt nicht soviel Aufwand betrieben haben, wenn es nichts bringt.Hab es dieses Jahr ausprobiert. So eine Sauerei.... mach ich nie wieder :-/
- RosaRot
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Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Außerdem teeren die ja in großen Mengen ihre ganzen Sonnenblumen, d.h. ein bißchen osteuropäische Lässigkeit in der Herstellung schadet sicher nicht. 

Viele Grüße von
RosaRot
RosaRot
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Soweit ich weiß, sollte man bei der Anwendung auf die Mondphasen achten.Peter
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Peter,hast Du nicht aus Deinen "sozialistischen" Zeiten, in denen die Kontakte in den Osten intensiver waren als heute, noch Informationen über die Anwendung von Kamillenteer im Gartenbau?
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Das ist kein Argument! Aufwand wird fuer alles moegliche betrieben ohne dass es was bringt (Grander Wasser, EM, ...) ::)Ausprobiert -> bringt nix -> Aufwand nicht wert und vergessen.In der Natur keimen und wachsen chili+tomaten ja auch ohne den ganzen humbug 8)Bye, SimonDie Ukrainer werden bestimmt nicht soviel Aufwand betrieben haben, wenn es nichts bringt.
- RosaRot
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Regenschatten Schattenregen Nordöstliches Harzvorland, Podsol, Regosol 7b 123m
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Die Verwendung von sozialistischem Kamillenteer unterlag natürlich einer strengen Geheimhaltungspflicht auf Lebenszeit, ich weiß ja nicht ob man da so einfach plaudern darf, Peter!("Schaut auf real-kapitalistische Kamillenfeld der ehemaligen LPG vor der Haustür, das gerade mit..... behandelt wird.")
Viele Grüße von
RosaRot
RosaRot
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Das ist schon wahr, aber wir müssen eben auch gegenüber Methoden, deren Wirkung noch nicht ganz bewiesen werden kann, erst mal wahnsinnig tolerant sein. :-XIch kann mir deshalb sehr gut vorstellen, bald ein, zwei Wochen Ferien zu nehmen und die Herstellung mal selbst zu versuchen und zu üben.In der Natur keimen und wachsen chili+tomaten ja auch ohne den ganzen humbug 8)Bye, Simon
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Also wenn ich das richtig sehe, ist es ja gar nicht so, dass du feststellen musstest, dass es nichts bringt. Dir ging es nur um die Handhabung (--> teert alles voll). Da kann man aber sicher noch einiges dran drehen mit dem richtigen Teer und mit der richtigen 'Zubereitung'. Ich fand es jedenfalls gut, endlich mal etwas gefunden zu haben, was zwar einerseits ein Naturprodukt ist, andererseits aber etwas 'handfestes'. Etwas, wo man auch den Eindruck hat, dass da etwas Power hintersteht. Es macht richtig Spass, sich vorzustellen, wie z.B. Phytophtora-Sporen (Braunfäule) im Teer kleben bleiben.Ausprobiert -> bringt nix -> Aufwand nicht wert und vergessen.

Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Wenn ich das Zeug in brauchbarer Viskosität hinkrieg, versuch ichs bei Haferwurzel, Stachys und jungen Zucchini (da können die Schnecken dann kleben bleiben!)
Re:Kamillenteer als universeller Schutz
Naja gekillt hat es meine Pflanzen nicht. Aber gebracht hats auch nix. Und etwas woran man glauben muss damit es wirkt brauch ich nicht 8)Hab da keinen unterschied zu normal ausgesaehten chilis gesehen.Also wenn ich das richtig sehe, ist es ja gar nicht so, dass du feststellen musstest, dass es nichts bringt.Ausprobiert -> bringt nix -> Aufwand nicht wert und vergessen.
Das war nur ein weiterer Grund das nicht mehr zu machen...Ist mir auch zuviel Aufwand das ganze, lohnt sich nicht meiner Meinung nach.Bye, SimonDir ging es nur um die Handhabung (--> teert alles voll). Da kann man aber sicher noch einiges dran drehen mit dem richtigen Teer und mit der richtigen 'Zubereitung'.