Darf ich nachfragen, sarastro - wie meinst Du das?Wenn ich nur an die Neuauflage des Jelitto-Schacht denke, so kommt mir dies wie ein blanker Hohn gegenüber ernsthaften Pflanzenfreaks vor!
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Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle? (Gelesen 12667 mal)
Moderatoren: Nina, Phalaina, cydorian, partisanengärtner, AndreasR
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Stimmt, Kayser & Seibert, Gräfin Zeppelin, Arends und Klose waren die Kataloge, die die Gartenbegeisterung geweckt hatten - danach die Spezialitäten von Sündermann und Wetzel. fars hat recht, das besondere Pflanzensortiment wird immer nur einen bestimmten Personenkreis ansprechen. Ich bin überzeugt, dass es heute um ein vielfaches größer ist - man muss nur danach suchen, wobei das Internet wunderbar dabei hilft.
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Solche Nostalgie ist in meinen Augen vor allem nicht Aufgabe der Staudengärtner oder gar privaten "normalen" Pflanzenliebhaber. Dafür gibt es andere Institutionen ;)Ich denke grundsätzlich ist klar, dass Angebot und Nachfrage auch im gärtnerischen Markt eine große Rolle spielen. Ich persönlich finde spezialisierte Betriebe häufig deutlich symphatischer und fühle mich dort auch wesentlich besser aufgehoben. Nur eines ist klar, ich kann und will nicht sämtliche angebotenen Pflanzen auch kaufen um somit das entsprechende Sortiment zu erhalten bzw. dazu beizutragen. Das kann ich nur im kleinen Rahmen, in dem ich "meinen Teil" aus dem Sortiment heraus picke und kaufe. Und auch das wird bei dauerhaften Stauden - Kulturfehler mal außen vor - nicht jedes Jahr auf neue wiederkehren. Ich denke zu heutigen Zeiten, wo ich ohne größeren Aufwand bei einer spezialisierten Gärtnerei außerhalb meiner Region oder gar aus dem Ausland bestellen kann, werden diese Betriebe viel mehr unterstützt und in ihrer "Mission" bestätigt, als dies noch vor Jahren der Fall gewesen sein kann. Schöne neue Zeitunnütz hingegen finde ich es, wenn eine alte sorte nur deshalb weiter kultiviert wird, weil sie halt eine alte sorte ist ...

Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Ebbie, wenn der JSS in zwei, drei Jahren neu aufgelegt wird und noch mehr Raritäten darin enthalten sind, die per Internet in Buxtehude zu bekommen sind.Wir hatten ja schon einmal darüber diskutiert. Ich finde es einfach eine fatale Entwicklung, wenn z.B. Heuchera 'Caramel' an jeder Ecke zu bekommen ist, hingegen Anemone nemorosa 'Parlez Vous' oder Dionysia freitagii nur bei wenigen Spezialisten, Delphinium 'Perlmutterbaum' oder Anemone x lesseriii bald nirgendwo mehr! Wegen zwei, drei Raritätentöpfchen werde ich kaum irgendwo in England oder Frankreich bestellen. Und so ist ein großes Sortiment auf "nationaler" Ebene immer noch sinnvoll, auch wenn vieles unwirtschaftlich erscheint. Man muss dann eben zweite Absatzkanäle suchen.Die Gattung Saxifraga haben wir deswegen verworfen und einem Kollegen abgegeben, weil die Vermehrung zu einer Zeit abläuft, wo wir Kopf stehen und der Verkauf sich sehr in Grenzen hält. Da ist Nostalgie fehl am Platz, das soll Sündermann oder andere machen. Er hat auch den Namen dafür. Fars hat völlig Recht damit, wenn er sagt, die Gärtner sind für die Verflachung selber verantwortlich. Ich weine nicht den früheren Zeiten nach. Aber da hatten die Sortimente noch mehr Tiefe. Ob sie deswegen wirtschaftlicher geführt wurden, bezweifle ich sehr. Man muss sich nur die Preise in alten Foersterkatalogen ansehen. Dies war offenbar für eine Oberschicht bestimmt. Er war eben auch allein auf weiter Flur!Traurig stimmt mich die Tatsache, wenn an Gartentagen nur noch aufgepäppte Ware vom Großmarkt blühend vertickert werden. Aber das ist ein anderes Thema, das wir schon zur Genüge breit getreten hatten. Zazoo, wie weit hat eine Spezialisierung zu gehen? Wenn es nur noch Betriebe gibt, die sich ausschließlich mit Hostas beschäftigen, die nächsten mit Alpinen, wieder die nächsten mit Sempervivum, so finde ich dies auf Dauer langweilig, nämlich für den Kunden wie für den Gärtner! Und gefährlich, da der Markt äußerst eng wird und man nicht flexibel ist. Irgendwann haben alle genug von Helleboren und Campanulen. ;DDas Thema Galanthus ist ein eigenes, höchst umstrittenes. Da kommt es mir vor, man fühlt sich nicht wohl, wenn jedes Jahr 100 neue Sorten kommen, die sich nur sehr geringfügig unterscheiden.
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Zazoo, wie weit hat eine Spezialisierung zu gehen?

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Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Ich kenne wenig Branchen, die sich so schlecht vermarkten wie gerade die Gärtnerzunft. Wo wird in der Werbung Appetit gemacht auf das Besondere? Allenfalls heißt es "Grün ist Leben". Etwas dürftig und gerade mal als eine Werbung für den unkrautfreien Rasen zu verstehen.Aber warum nicht mal für die Vielfalt im Detail werben? Das Problem ist schnell erkannt: Der so aufgestachelte Interessent huscht in die nächste Staudengärtnerei und verlangt Primula marginata "Rosengarten" (bevor jemand bestellt: Das ist ein Fantasiename).Was antwortet ihm da der Staudengärtner? Wie mein erster Baumschuler mit ausgelutschter Pfeife zwischen den Zähnen: "Das wächst hier nicht."
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
die antwort lautet manchmal auch: "sowas gibt es nicht"

Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Und wenn dann mal Marketing gemacht wird und eine gelb-rot gestreifte, anemonenblütige Helleborus in Mengen vermehrt wird, so dass sie überall erhältlich ist, ist es auch wieder nicht Recht.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Ist ja dann auch wie bei Cheap & Awful
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
oder: "Die gibt es nicht mehr. Nehmen Sie doch moderne Sorten." Die Antwort bekam ich heute bei einem Telefonat mit einer Baumschule, von der ich unter anderem Zuccalmaglio und Esperens Bergamotte haben wollte. Jonagold? Pinova? Danke. Die brauch ich nicht pflanzen, die gibt es in jedem Supermarkt.die antwort lautet manchmal auch: "sowas gibt es nicht"![]()
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
1927/28: Helianthus salicifolius 80 Pf., Hepatica triloba rot 50 Pf. Hepatica triloba weiß 70 Pf. Lysimachia clethroides 50 Pf., möglicherweise so viel wie ein Brot damals. Aber dann fragt man sich doch, warum die Oberschicht, die von Foerster angeblich bedient wurde, heute das Interesse so kläglich verloren hat!Man muss sich nur die Preise in alten Foersterkatalogen ansehen.
“I love science, and it pains me to think that so many are terrified of the subject or feel that choosing science means you cannot also choose compassion, or the arts, or be awed by nature. Science is not meant to cure us of mystery, but to reinvent and reinvigorate it.”
— Robert M. Sapolsky
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Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Ein gelernter Arbeiter verdiente 1928 im Durchschnitt 1,07 RM
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
am Tag? In der Woche? Monat? Jahr?Warte, gleich weiß ich es.
“I love science, and it pains me to think that so many are terrified of the subject or feel that choosing science means you cannot also choose compassion, or the arts, or be awed by nature. Science is not meant to cure us of mystery, but to reinvent and reinvigorate it.”
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Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
im Klassenbuch 3 Herausgeber Hans Magnus Enzensberger steht leider nur von 1928 ein Text von Willi Bredel über eine Lohnforderung von 15 % mehr.Aber die demographischen Verhätnisse waren 1928 so:Proletarier : 40 MillionenStädtischer Mittelstand: 10 MillionenBauern: 9 MillionenBourgeoisie: 2 Millionen.Also, wenn ein Teil der Bauern und ein Teil der Bourgeoisie damals gute Kunden des Karl Foersters waren, dann frage ich mich, warum sie heute in die Gartencenter rennen. 9 Millionen Baueren. 1 Bauernhof, davon ein zehntel mit gutem Boden und Ertrag, das sind 100.000. Dazu noch 100.000 Bourgeoise Landhäuser, dann haben wir ohne den Mittelstand 200.000 potentielle Kunden.Heute könnte die Gärtnerei Foerster gut von denen leben und alle anderen auch. Arbeiter haben schon im 18. Jahrhundert mit der Kultur von speziellen Gattungen angefangen. Sowohl hier als drüben, über dem Ozean. Arbeiter sind heute allerdings nicht mehr der Kern der Gartenenthusiasten. Die ersteren wollen jetzt eher einen eigenen Mercedes.
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Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Der tarifliche Stundenlohn für einen gelernten Arbeiter in der Produktionsmittelindustrie liegt nach Angaben des Statistischen Jahrbuchs im April 1928 durchschnittlich bei 1,07 Reichsmark (RM; April 1927: 1,01 RM), ein ungelernter Arbeiter in der Produktionsmittelindustrie erhält immerhin 0,77 RM pro Stunde, das sind 7 Pfennig mehr als im April 1927.http://www.chroniknet.de/indx_de.0.html?article=1266&year=1928
Re:Sortimentsentwicklung in Gärtnereien - Globalisierungsfalle?
Ich finde das Sortiment heute vielfältiger als vor 30 Jahren. Ich erinnere mich bei Deh..er an eine Handvoll Samentütchen - verschiedene Sorten Fehlanzeige. Clematis gab es eine rosa, eine blaue und eine weiße - Namen nicht genannt. Sonst v.a. Einjährige. Was da wohl rausgekommen wäre, hätte ich nach Nepeta gefragt?Das Reihenhausgärtchen meiner Eltern hatte typisch 70er Jahre eine rote neben einer gelben Rose. Das sind so die Erinnerungen an meine ersten gärtnerischen Gehversuche. Jetzt haben die div. Bau- und Gartenmärkte immerhin einige Sorten, den meisten Leuten reicht das, die interessieren sich für die Farbe und das war´s. Ob das für ihren Standort das richtige ist wird meist auch nicht hinterfragt (ich hab eine Bekannte, die kauft voller Begeisterung Sonnenanbeter únd setzt sie dann unter ihre Fichtenhecke). Hier gibt es Gartenliebhaber (die in Ort einkaufen) die durchaus auch ausgefallenere Sachen kaufen, weil es ihnen gefällt und wohl auch weil es nicht jeder hat. Ob das blaue Blümchen dann aber Nepeta oder Amsonia heißt ist ihnen völlig Wurst. Fazit: Die Gärtner, die Namenssorten haben wollen sind damals wie heute dünn gesät und ich meine, ich bekomme heute wesentlich leichter bestimmte Pflanzen als vor 30 Jahren. Dadurch, dass man jetzt auch im Internet nachforschen kann und viel angeboten bekomme, wächst auch das Interesse der Leute an tieferen Sortimenten auch wenn sie die genauen Beteichnungen nicht interessieren . Klar gibt es Moden die heute hochgespült werden und morgen verschwinden, aber grundsätzlich denke ich das das Interesse an etwas anderen Sortimenten als 0815 zunimmt.LG Flash