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schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum? (Gelesen 28471 mal)

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max.
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schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

max. »

wie allgemein bekannt, verzichtet der bio-anbau -z.b. der weinbau - auf organische fungizide und verwendet stattdessen u.a. kupfer und schwefel.ich hab trotz langer suche in fachbüchern und im internet keine schlüssige begründung dafür gefunden. deshalb die frage an die chemisch gebildeten im forum:gibt es nachvollziehbare gründe für diese entscheidung?zusatzfrage: ist "organisches" und "synthetisches" fungizid das gleiche?
bristlecone

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

bristlecone » Antwort #1 am:

zusatzfrage: ist "organisches" und "synthetisches" fungizid das gleiche?
Streng genommen: nein. Ein synthetisches Fungizid oder allgemein eine synthetische chemische Verbindung ist eine, die nicht in der Natur vorkommt, sondern erst vom Menschen hergestellt wurde. Wird eine in der Natur vorkommende Verbindung künstlich hergestellt, spricht man oft von "naturidentisch" (bei Fungiziden wüsst ich gerad kein Beispiel, bei Aromastoffen und Vitaminen ist das gang und gebe).Ein organisches Fungizid ist eines, dessen Wirkungsbestandteil zur Stoffgruppe der organischen Verbindungen gehört, d. h. zu denen, die Kohlenstoffatome enthalten (aus historischen Gründen werden CO2 und CO und ein paar simple andere meist zu den anorganischen Verbindungen gerechnet). Ein anorganisches Fungizid ist dementsprechend eines, dessen Wirkungsbestandteil ins Reich der anorganischen Verbindungen gehört, Beispiel wären elementarer Schwefel oder Kupferkalk. Die Übergänge sind in manchen Fungizidgruppen fließend.
max.
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Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

max. » Antwort #2 am:

danke, bristlecone. jetzt harrt nur noch der erste teil meiner frage einer antwort...
Günther

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

Günther » Antwort #3 am:

Organische Fungizide gelten, nicht zu Unrecht, als bezüglich Nebenwirkungen und verdächtiger Abbauprodukte als suspekt.Schwefel an sich ist kein Fungizid, es wirkt das daraus entstehende Schwefeldioxid. Der Gebrauch von Schwefel ist jahrtausendelang bewährt und die Wirkungen und Nebenwirkungen sind prinzipiell bekannt. Schon bei Homer heißt es: "Alte, bringe mir Feuer und fluchabwehrenden Schwefel..." und dann werden die Räume nach der Freierabschlachtung ausgeräuchert. Das Ausschwefeln der Fässer ist im Weinbau auch ein alter Hut. Prinzipiell heißt es aber, daß bei sorgfältiger Arbeit Schwefeln bei der Weinproduktion nicht notwendig ist, allerdings gesetzlich vorgeschrieben.Kupfer ist ebenfalls schon lange, auch in metallischer Form, üblich. Schiffe wurden gegen Parasitenbefall mit Kupfer beschlagen, und Omas Erdbeermarmelade verdankt ihre Stabilität und die schöne rote Farbe dem Kochen in Kupferkesseln. Früher wurde Spinat ebenfalls mit Kupferverbindungen geschönt - jetzt unzulässig. Kupfer ist für Mikroorganismen um Größenordnungen giftiger als für höhere Lebewesen. Für diese ist Kupfer sogar ein essentielles Spurenelement.In der Praxis sind Schwefel und Kupfer jedenfalls wesentlich kleinere Übel als die allermeisten handelsüblichen Fungizide. Nachtel: Für jedermann leicht und billig erhältlich - da kann die Industrie nix verdienen.....
Werner987
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Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

Werner987 » Antwort #4 am:

im ökologischen landbau sind nur diese pestizide und pflanzenschutzmittel zugelassen.die betriebe werden mind. 1 mal jährlich kontrolliert.die "Richtlinien der EU-VO 2092/91" galten bis 2008.ab 01.01.2009 gilt die neue verordnung "(EG) Nr. 834/2007".die verschiedenen einstufungen der bio-weinbauern sind gut am beispiel der alten verordnung ersichtlich:http://www.lwg.bayern.de/weinbau/29433/ ... _11.pdfwer es ganz genau wissen möchte kann sich dort informieren:http://www.oekolandbau.de/erzeuger/rich ... ordnungen/
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pearl
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Weinbauklima im Neckartal

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

pearl » Antwort #5 am:

wie allgemein bekannt, verzichtet der bio-anbau -z.b. der weinbau - auf organische fungizide und verwendet stattdessen u.a. kupfer und schwefel.gibt es nachvollziehbare gründe für diese entscheidung?
vielleicht ist es so trivial, dass es keiner Erklärung mehr bedarf. Wir hatten in den 70er Jahren Diskussionen über Chemie in Lebensmitteln. So war auch der Titel eines Buches der Kölner Katalysegruppe.Zwar steht auf Weinflaschen "Enthält Sulfite" Aber auch das ist eine Substanz mit der Lebewesen fertig werden. Nicht so leicht ist der Abbau großer Mengen an Pflanzenschutzmitteln organischer Natur. Dafür brauch man eine Mikroflora, also eine gesunde Population an Mikroorganismen, die diese Stoffe zerlegen können. Bei gestörten Böden und bei manchen Substanzen ist das mit Schwierigkeiten verbunden. Einige Substanzen sind noch nach langer Zeit in Organismen nachweisbar und akkumulieren in den Lebewesen. Blöd für die, die am Ende der Nahrungskette stehen. Eigentlich ist es wie mit Kernkraft. Die nachfolgenden Generationen haben dann mit dem Entsorgungsproblem von heute zu tun. Und das Argument für den Einsatz des einen oder des anderen ist immer ein Abwägen zwischen dem, was unmittelbar notwendig erscheint um den Bestand der Art zu sichern und dem, was diese Art in Zukunft an Problemen zu lösen hat oder ob man dieser Art überhaupt eine Zukunft wünscht und möglich macht.
“I love science, and it pains me to think that so many are terrified of the subject or feel that choosing science means you cannot also choose compassion, or the arts, or be awed by nature. Science is not meant to cure us of mystery, but to reinvent and reinvigorate it.”

— Robert M. Sapolsky
bristlecone

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

bristlecone » Antwort #6 am:

Zwar steht auf Weinflaschen "Enthält Sulfite" Aber auch das ist eine Substanz mit der Lebewesen fertig werden.
Das steht deshalb da drauf, weil nicht wenige Menschen auf Sulfit allergisch reagieren, und zwar mit Asthmaanfällen.Was die Nichtabbaubarkeit von Fungiziden betrifft, so gilt das natürlich für Kupfer par excellence: Kupfer bleibt Kupfer, und in Weinbaugebieten lassen sich erhöhte Kupfergehalte im Boden nachweisen. Allerdings bildet Kupfer im Boden ziemlich schwer lösliche Verbindungen und wird deshalb kaum mit dem Wasser ausgetragen und nur in geringen Mengen von Pflanzen aufgenommen.Es gibt Bestrebungen, aus Umweltschutzgründen die Verwendung von Kupferverbindungen in der Landwirtschaft zu untersagen (Quelle) (unten auf der Seite gibt's weitere Links zu dem Thema).
max.
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Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

max. » Antwort #7 am:

@werner, in den beiden links steht nichts zum thema drin.@günther, in dt. ist das schwefeln von wein nicht per gesetz vorgeschrieben- es gibt aber eine vorgeschriebene höchstmenge. gerade ist sie wieder reduziert worden.@ pearl und bristlecone,ist das in den boden gelangte kupfer denn für bodenorganismen unschädlich?
Lehm

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

Lehm » Antwort #8 am:

ist das in den boden gelangte kupfer denn für bodenorganismen unschädlich?
Nein. Kupfer ist ein giftiges Schwermetall. Es kommt halt auf die Menge an. Leider wird Kupfer auch vermehrt und masslos beim Dachbau und insbesondere bei Regenrinnen verwendet, so dass auch von dort Kupfer in den Boden gelangt.
max.
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Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

max. » Antwort #9 am:

wenn das so ist, dann stelle ich meine ausgangsfrage nochmal:warum werden vom bioanbau die organischen fungizide anders bewertet als etwa kupfer?
bristlecone

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

bristlecone » Antwort #10 am:

@ pearl und bristlecone,ist das in den boden gelangte kupfer denn für bodenorganismen unschädlich?
In geringen Mengen ist Kupfer ein lebensnotwendiges Spurenelement, nicht nur für den Menschen, auch für die meisten Tiere und für Pflanzen.Erhöhte Kupferzufuhr kann dazu führen, dass die Aufnahme anderer lebensnotwendiger Spurenelemente beeinträchtigt wird. Das wäre so etwas wie eine indirekte schädliche Wirkung.Noch höhere Mengen können dann Bodenorganismen unmittelbar schädigen. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Gesamtkonzentration an Kupfer im Boden an, sondern darauf, wie viel davon für Organismen verfügbar ist. In sauren, humusarmen Böden ist Kupfer besser verfügbar als in basischen humushaltigen, bei derselben Gesamtmenge an Kupfer ist daher in letzteren noch nicht mit Schäden zu rechnen, wenn es in ersteren schon giftig wirkt.Einen kurzen Text zu Kupfer im Boden in Weinbaugegenden findest du z.B. hier: Ökoweinbau: Optimierung des Rebschutzes (pdf).
max.
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Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

max. » Antwort #11 am:

danke dir. darin steht (sinngemäß): hoher kupfergehalt im boden wirkt sich extrem nachteilig auf das bodenleben aus.da alle weinbergsböden in den letzten 100 jahren bis zur einführung der org. fungizide ausschließlich mit kupfer gegen peronospera behandelt worden sind, wäre doch eigentlich jede weitere zugabe mit vorsicht zu genießen.
bristlecone

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

bristlecone » Antwort #12 am:

wenn das so ist, dann stelle ich meine ausgangsfrage nochmal:warum werden vom bioanbau die organischen fungizide anders bewertet als etwa kupfer?
Die im Weinbau verwendeten Kupferverbindungen wirken auf der Blattoberfläche, dringen aber praktisch nicht über das Blatt in die Pflanze ein und werden auch nicht in die Frucht verlagert.Im Boden wird das Kupfer, wie schon erwähnt, stark gebunden und gelangt nicht in nennenswerten Mengen in die tieferen Bodenschichten, in denen der Wein wurzelt. Man muss also nicht befürchten, Kupferrückstände im Wein zu bekommen, wenn man mit Kupferverbindungen arbeitet.Organische Fungizide wirken oft systemisch, d.h. sie werden von der Pflanze aufgenommen und in ihr verteilt. So ergibt sich ein von innen wirkender Schutz vor Pilzbefall. Allerdings besteht da eher die Möglichkeit, dass geringe Mengen in die Früchte gelangen und damit in den Wein, wenn zwischen dem letzten Spritzen und der Ernte nicht genug Abstand liegt (Stichwort "Wartezeiten").Im Boden verhalten sich diese Fungizide sehr unterschiedlich. Wenn sie (oder deren Abbauprodukte) nicht stark gebunden werden, besteht die Möglichkeit, dass sie ausgewaschen werden und ins Grundwasser gelangen.Früher wurden, wie Pearl schrieb, oft Pflanzenschutzmittel verwendet, die a) schlecht abbaubar waren und b) sich aufgrund ihrer geringen Wasser- und hohen Fettlöslichkeit im Organismus anreicherten.Heutige Pestizide müssen da eine Reihe von Kriterien erfüllen, die eben dies verhindern sollen und können.
bristlecone

Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

bristlecone » Antwort #13 am:

da alle weinbergsböden in den letzten 100 jahren bis zur einführung der org. fungizide ausschließlich mit kupfer gegen peronospera behandelt worden sind, wäre doch eigentlich jede weitere zugabe mit vorsicht zu genießen.
So sehe ich das auch.Wäre es nicht Kupfer, sondern ein organisches Fungizid, das sich da über die Jahre im Boden ansammelt, würden die Alarmglocken schrillen.
max.
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Re:schwefel/kupfer versus organische fungizide, warum?

max. » Antwort #14 am:

interessant wäre eine untersuchung zu den jeweiligen auswirkungen von organischen fungiziden versus kupfer auf das bodenleben.vielleicht hat jemand einen link dazu?
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