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Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit (Gelesen 1841 mal)

Pflanzenstärkung, Krankheiten und physiologische Störungen

Moderator: Nina

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frida
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Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

frida »

Bei den Tomaten ging es gerade darum, daß die schlimmste Krankheit - die Braunfäule - ein jüngeres Problem ist, also erst seit etwa 20-30 Jahren je nach Region große Schäden verursacht. Von der Lauchminiermotte weiß ich, daß sie sich erst seit dem letzten Jahrzehnt ausbreitet.Bei menschlichen Krankheit gibt es auch verschiedene Konjunkturen - z.B. weniger Abnahme von Infektionskrankheiten wie Typhus, Pest, Krätze etc. und Zunahme von Allergien...Gibt es auch bei den Pflanzen Krankheiten, die seltener geworden sind? Und welche fallen Euch ein, die in der letzten Zeit schlimmer geworden sind? Ist der Trend so, daß es immer mehr Pflanzenkrankheiten gibt? Es ist ja immerhin spannend zu sehen, welche Zeiten welche "Schwachstellen" haben.
Man soll die Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sie sind (Karl Valentin)
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frida
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Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

frida » Antwort #1 am:

Niemand eine Antwort dazu ???
Man soll die Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sie sind (Karl Valentin)
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Arachne
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Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

Arachne » Antwort #2 am:

Ein wahrlich komplexes Thema, das Du da ansprichst, Frida!Zu einem Teilaspekt (Zunahme bestimmter Schädlinge) nur mal als laienhafte Überlegung in den Ring geworfen: liegt es vielleicht am Klima? Die Sommer werden seit Jahren wärmer, es gibt keine nennenswerten Winter mehr, die Unliebsames abtöten würden.Unter einem "richtigen" Winter würde ich verstehen, dass Mitteleuropa als geschlossene Fläche mindestens eine Woche Temperaturen von unter -10°C hätte. Regionale Kältephasen vernichten Schädlinge eben nur regional. Geflügelte Schädlinge wandern dann in kürzester Zeit wieder ein.
Drinnen die Kammern und die Gemächer,
Schränke und Fächer flimmern und flammern.
Alles hat mir unbezahlt Schmetterling mit Duft bemalt. (F. Rückert)
brennnessel

Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

brennnessel » Antwort #3 am:

Ich vermute, dass sich viele Schädlinge schnell anpassen können.Zum Beispiel Spanische Wegschnecken: die ersten Jahre nach ihrem Auftauchen brauchten sie Nächte um plus 15°, dass sie aus ihren Winterverstecken krochen. Das war bei uns meist erst irgendwann mal im Juni, wo die meisten jungen Pflanzen schon einen schönen Vorsprung hatten. Jetzt sind die Viecher schon bei den ersten paar schönen Frühlingstagen anzutreffen!Krankheiten oder Schädlinge, die es früher gegeben hat, die jetzt aber verschwunden sind, fallen mir nicht ein.....LG Lisl
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Daniel - reloaded
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Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

Daniel - reloaded » Antwort #4 am:

Nein, stimmt, aber es gibt den umgekehrten Fall.... es gibt seit einigen Jahren zum Beispiel wieder die Blattbräune an Quitten, die soll laut Fachliteratur seit 50 Jahren nicht mehr aufgetreten sein. Die Quelle (Taschenbuch des Pflanzenarztes) ist inzwischen aber auch schon fast 10 Jahre alt, zumindest die Auflage....Ansonsten denke ich, dass das Auftreten neuer Krankheiten und Schädlinge vor allem mit dem globalen Pflanzenhandel zusammenhängt und man sich vor allem Schädlinge mit Pflanzenlieferungen quasi aus Versehen mit einkauft. Ein "berühmtes" Beispiel aus dem Profibereich wäre der Bananentriebbohrer der vor einigen Jahren eingeschleppt wurde und seit dem vor allem an Grünpflanzen wie Dracaena sein Unwesen treibt. Und zum anderen dürfte auch der Klimawandel seinen Beitrag leisten, hier wäre ein klassisches Beispiel die Kastanienminiermotte, die seit Jahren ihr Unwesen treibt aber auch aus wärmeren Regionen zu uns gelangt ist.Und wir werden noch viele mehr oder weniger böse Überraschungen erleben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten....das ist denke ich sicher!LG Daniel
Was man über mich sagt(e):
Ich habe den Jargon eines Bauarbeiters, die Abgeklärtheit und Resolutheit einer Puffmutter und den Charme einer Drahtbürste...

(In Erinnerung an die Zeit im Wohnheim der Meisterschule)
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Cerinthe
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Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

Cerinthe » Antwort #5 am:

Mir fällt spontan die Kraut- und Braunfäule der Kartoffel ein, die große Hungersnöte in Irland auslöste und viele Iren zur Auswanderung in die USA zwang, so auch die Vorfahren eines gewissen J. F. Kennedy.Im Mittelalter spielte das sogenannte Antoniusfeuer eine Rolle. Das war eine Geisteskrankheit, die durch den Mutterkornpilz im Getreide verursacht wurde. Das Mutterkorn enthält LSD-artige Substanzen. Dank Saatgutreinigung gibt´s das heute nicht mehr.Bei den Römern gab´s, glaub ich, wegen der Rostkrankheiten des Getreides auch einen Gott oder irgendwelche Riten.Wieder fast in unserer Zeit wären noch zwei Schädlinge zu nennen (Krankheiten im weiteren Sinne): die Reblaus, die den Weinbau in Deutschland fast zum Erliegen gebracht haben soll und der Kartoffelkäfer, der in der Schulzeit meiner Eltern von Hand eingesammelt wurde.Das war jetzt alles aus dem Gedächtnis und stimmt vielleicht nicht mehr 100%-ig, wer´s besser weiß, möge korrigieren.Die Kraut- und Braunfäule ist übrigens ihrer Wirtspflanze nachgereist. Die Spanier oder wer´s war, hatten "saubere" Kartoffeln aus Amerika nach Europa gebracht und ein paar hundert Jahre später kam dann die Seuche.Ich vermute, dass es auch bei den Pflanzenkrankheiten zur Globalisierung kommt.Neuestes Kapitel: Buchsbaumsterben? Ach ja, da war doch das Ulmensterben, jetzt gibst`s auch noch diese Kastanienminiermotte und irgend so ein Bakterium ... Ich höre jetzt lieber auf.Cerinthe
Querkopf
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Saartal, WHZ 7b, 245m ü. NN, toniger Lehmboden

Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

Querkopf » Antwort #6 am:

Hallo, Cerinthe, was die Reblaus betrifft, kannst du das vorsichtige "soll" weglassen: Die so genannte Reblauskatastrophe ist historisches Faktum. Sie hat, von Frankreich aus rasend schnell nach Osten und Süden übergreifend, in den Jahrzehnten nach 1860 tatsächlich den mitteleuropäischen Weinbau ruiniert. Gründlich, in manchen Gegenden sogar endgültig. Das ist solch ein Fall, wie Daniel ihn skizziert hat: ein versehentlich eingeschleppter Schädling. Im speziellen Fall einer, der in seinem Heimat-Habitat unauffällig bleibt, weil die Pflanzen, an/von denen er lebt, Widerstandskräfte gegen ihn entwickelt haben – so gibt es keine Schäden. Anders die Pflanzen seines neuen Lebensraumes: keine Resistenz, daher die katastrophalen Folgen. Hier sind ein paar gute Links dazu:Reblaus-Link1Reblaus-Link2Reblaus-Link3Reblaus-Link4
... Gibt es auch bei den Pflanzen Krankheiten, die seltener geworden sind? Und welche fallen Euch ein, die in der letzten Zeit schlimmer geworden sind? ...
@Frida: Diverse Pilzkrankheiten, von Mehltau bis WeißderKuckuckwas, sind in den vergangenen 2, 3 Jahrzehnten langsam, aber sicher stärker geworden. So weit es Obst- und Weinbau in Europa angeht, bringen Fachleute diese Zunahme in Zusammenhang mit Veränderungen in der Industrie. Dort nämlich sind die Abgasfilter besser geworden, Industrie-Schornsteine pusten u.a. deutlich weniger Schwefel in die Luft als anno dunnemals. Schwefelverbindungen sind wichtige Mitverursacher für Waldboden-Versauerung und Waldsterben, da wird es sich hoffentlich irgendwann als segensreich erweisen, dass der Schwefel-Eintrag in die Atmosphäre stark vermindert worden ist. Landwirte und Winzer könnten das womöglich anders sehen. Denn Schwefel wirkt fungizid, also pilztötend – wo pilzliche Pflanzenkrankheitene ein Problem sind, wie etwa im Wein- und Obstbau, muss man jetzt entweder höhere Schäden in Kauf nehmen oder höhere Kosten fürs Spritzen. (Quellen dazu habe ich momentan nicht zur Hand, es gibt aber m. W. Studien, die den Zusammenhang plausibel machen, wenn nicht sogar belegen.)Von Rosen-Profis habe ich gehört, dass auch sie Zusammenhänge sehen zwischen besserer industrieller Abgasfilterung und stärkerem Befallsdruck bei Pilzkrankheiten. Ob Ähnliches auch für Blattfäule-Pilze an Kartoffeln, Tomaten etc. gilt, weiß ich nicht – Daniel, hast du vielleicht Informationen dazu? (Die Sache mit der Quitten-Blattbräune würde ins Bild passen, auch das ist ja eine Pilzkrankheit.)Schöne GrüßeQuerkopf
"Eine Gruppe von ökologischen Hühnern beschloss, jenes Huhn zu verbannen, das goldene Eier legte, weil Gold nicht biologisch abbaubar sei." Aus: Luigi Malerba, "Die nachdenklichen Hühner", Nr. 137

"Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein." (NICHT von Kurt Tucholsky)
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Daniel - reloaded
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Re:Pflanzenkrankheiten im Wandel der Zeit

Daniel - reloaded » Antwort #7 am:

Naja genaue Infos dazu muss ich schuldig bleiben, aber ein Zusammenhang scheint durchaus möglich. Die Wirkungsweise der Netzschwefelpräparate beruht ja auf der Umsetzung des Schwefels in Schwfeldioxyd bzw. letztendlich in schwefelige Säure (H2SO3). Allerdings haben Schwefelpräparate kaum eine Woirkung auf die Krautfäule, sie wirken vor allem gegen echten Mehltau und auch gegen Schorf an Kernobst.....nach eigenen Beobachtungen scheint eine Nebenwirkung auf Rost und STR bei Rosen aber vorhanden zu sein. Das deckt sich ja auch mit deiner Aussage. Die Schwefelemissionen sind übrigens inzwischen soweit zurückgegangen, dass es bei einigen Kulturen in der Landwirtschaft (und im Gemüsebau?) inzwischen notwendig geworden ist dem Boden Schwefel über die Düngung zuzuführen damit es nicht zu Mangelerscheinungen kommt. Kupfer ist von der Wirkungsbreite her besser (und auch gut gegen Krautfäule), aber der dürfte bei den Abgasen keine wirkliche Rolle spielen.Zu den Krankheiten zurück:Es gibt gerade in den letzten Jahren einen Trend zu neuen und deutlich agressiveren Rassen bei Pilzen, zum Beispiel auch bei der Kraut- und Braunfäule (Phytophthora infestans). Das führt dazu, dass mit Bekämpfungsmaßnahmen immer früher begonnen werden muss und man einen Befall nur noch mit sehr hohen Kosten zum Stillstand kriegt.Und ein ganz wichtiger Aspekt, der noch nicht angesprochen wurde sind immer ausgeprägtere Resistenzen gegen bestimmte Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen. Denn auch das kann dazu führen, dass bestimmte Pilze in den letzten Jahren wieder deutlicher in den Vordergrund rücken. Einige Wirkstoffe verschwinden auch von Markt (die einige Pilze vielleicht "nebenbei" bekämpft haben) und die Wirkungsmechanismen werden auch nicht gerade mehr.....Man sieht also, dass das Auftreten bestimmter Krankheiten die über Jahre kaum noch eine Rolle spielten nicht nur mit unserem Klima und der Globalisierung zu tun haben müssen, sondern es auch eine ganz natürliche Anpassung der Erreger an die Umgebungsbedingungen sein kann...nähere Beispiele würden aber glaub ich zu weit führen....Der Teil gilt aber vor allem für den Profibereich, denke ich zumindest.....ich konnte zumindest noch kaum Resistenzen im Kleingarten beobachten was aber mit Sicherheit in absehbarer Zeit zunehmen wird.LG DanielP.S.: Etwas von Thema abgelitten, aber ich denke auch eine Betrachtung von dieser Seite lohnt durchaus.... ;)
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