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Sinn oder Unsinn von Züchtungen (Gelesen 1627 mal)

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Paulownia
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Sinn oder Unsinn von Züchtungen

Paulownia »

Angeregt durch verschiedene Beiträge hier, stellt sich mir die Frage nach dem Sinn einiger Züchtungen.Warum ist es erstrebenswert Pflanzen mit besonders großen, gefranzten, gewellten , geringelten, gekringelten Blüten zu züchten wenn der Rest (Standfestigkeit, Anfälligkeit usw.) nicht berücksichtigt wird.Geht es da nur um das so genannte 'Höher, Weiter , Schneller'. Was für ein Gartenwert hat so eine Pflanze?Oder sind das mal wieder Auswüchse die über den großen Teich geschwappt sind.Was nützt mir z.B. eine Paeonie mit riesigen Blüten und toller Farbe, wenn sie im Garten mit ihren Blüten eh nur auf dem Boden rumdümpelt, weil der Stiel sie nicht tragen kann.Oder sind die Anhänger dieser Züchtungen reine Sammler, denen der Habitus und der Zierwert egal ist. Doch wenn es so ist, dann hätte ich gerne von den Züchtern gewusst auf was sie ausser der Blüte noch wert legen.Und kann sich eine neue Züchtung nicht nur beständig etablieren, wenn alles stimmt, nicht nur die Rüschen?
LG Margrit
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fars
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Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

fars » Antwort #1 am:

Es gibt überaus positive Züchtungsergebnisse, die die Gesundheit der Pflanze, ihre Robustheit, den Blütenreichtum oder die Blütenfarbe verbessern.Aber vermutlich gibt es ebenso viel, die tatsächlich verzichtbar sind.Mein Standardbeispiel ist der gefüllt blühende Gentiana sino-ornata ("Eugens Bester" oder wie er heißt). Wie kann man nur eine von Natur aus so perfekte Pflanze durch eine Rüschen-Kreuzung so verhunzen.Das ist ganz klar eine sehr persönliche Meinung. Es gibt viele Liebhaber der barocken Blütenformen.
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Staudo
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Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

Staudo » Antwort #2 am:

Ich sehe das wiederum aus noch anderer Perspektive. Wenn es um Geschmacksfragen geht, halte ich mich in aller Regel zurück. Für mich sind vitale, reichblühende und unkomplizierte Sorten wichtig. Hätschelkinder verschwinden im normalen Garten ohnehin bald wieder. Schön finde ich es auch, wenn sich die Sorten im Garten gut einfügen lassen und unproblematisch zu kombinieren sind. Weil es Fars angesprochen hat etwas zum Herbstenzian, Gentiana sino-ornata. Gefüllte Sorten finde ich zumindest interessant und die Farbe ist toll. Leider halten diese Enziane hier keinen Sommer durch, weshalb ich sie ignoriere. Wenn nun jemand eine Sorte züchtete, die robust und wüchsig ist, widerstandsfähig gegen Pilzkrankheiten und Trockenheit, ja diese würde ich bevorzugen, selbst wenn der Blütenaufbau vielleicht nicht ganz optimal wäre.Ein schönes Beispiel sind die modernen Orchideensorten. Weil diese problemlos im Zimmer wachsen, haben sie so große Verbreitung gefunden.
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tomir
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Saludos de España!

Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

tomir » Antwort #3 am:

Es kommt doch immer darauf an, wer und warum was wie gezüchtet wird ::).Ich denke jeder der sich mit Züchtung abgibt hat eine gewisse Idee was erreicht werden oder zumindest in welche Richtung es gehen soll - das heisst der Zuechter setzt seine eigenen Massstaebe was gut und was schlecht ist - ob das dann fuer den Markt taugt ist ein ganz anderes Thema - die meisten die Zuechten leben ja nicht davon.Einen gefuellten Enzian bräuchte ich jetzt auch nicht...lg tomir
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Carnivora
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Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

Carnivora » Antwort #4 am:

Ich freue mich schon über robuste Züchtungen, z.B. die "Frosch" - Cypripedien. Prachtvolle Orchideen, die keinen Kummer durch Sonderansprüche machen. Schön wärs, wenn sie auch noch für die Schnecken ungenießbar werden.Aber ich bin skeptisch, wenn z.B. Viren eingesetzt werden, um geflammte oder zerfetzte Blütenformen zu erreichen. ich liebe geflammte Tulpen wirklich, aber nicht wenn sie alle anderen Farben damit anstecken.Und dann nehme ich mir auch keine Sorten in den Garten, von denen ich befürchten muss, dass sie sich in wilde Bestände der gleichen Pflanzenart einkreuzen. Beim erwähnten Frauenschuh wäre es nicht toll, wenn diese Gene in den wilden Marien-Frauenschuh gelangen.
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pearl
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Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

pearl » Antwort #5 am:

Paulownias Thema, finde ich, enthält in ihrem Eingangsbeitrag die für den Gärtner entscheidende Frage schlechthin. Daraus ergibt sich auch die Frage: Wie kann man Sorten kennzeichnen, die für den einen oder anderen Zweck besonders tauglich sind? Oder genauer ausgedrückt, welche Auszeichnung gibt es für Sorten, die eine besondere Verbesserung des Sortiments darstellen. Auszeichnung in beidem Wortsinne.Dazu haben sich schon einige Leute was einfallen lassen. Leider ist die gute Sitte in Katalogen die Sichtungsergebnisse der deutschen Staudensichtung zu vermerken abhanden gekommen. Kayser + Seibert haben das mal gemacht. Götz im auch sonst vorbildlichen und hervorragenden Katalog auch. Götz gibt es nicht mehr. Leider.Die Sichtungsergebnisse findet man in der Gartenpraxis. Eine Zeitschrift, die Anfänger nicht beziehen.Der Blumentopf*, den die Royal Horticultural Society besonders gartenwürdigen Pflanzen verleiht ist auch ein Symbol, auf das man sich verlassen kann. Es gibt einige Publikationen, die ins deutsche übersetzt sind und eine sehr gute informative Netzseite auf der alle - leider wirklich alle, von allen Jahren - empfehlenswerten Gartensorten gelistet sind.Karl Foerster hat sich die Mühe gemacht in seinen Büchern immer wieder auf die verbesserten Sorten hinzuweisen und aufzulisten welche überholt sind. Ein Fleiß ohne Preis. Niemand hat ihm dafür einen Blumentopf verliehen.Allerdings sind seine Züchtungen bis heute im Handel und in Amerika verbreiteter als hier, so dass zur Bundesgartenschau in Potsdam von Übersee das Sortiment wieder zusammengetragen werden musste. In dem Stile wie Foerster und Pargels züchtet hier keiner mehr. Dafür gibt es Amateure, also Liebhaber, die sich auf bestimmte Gattungen spezialisiert haben und die sich auf die drei züchterisch potentesten Pflanzen, Iris, Taglilien und Pfingstrosen werfen. Wie ich immer wieder höre, auch hier im forum, sind diese in Liebhabergellschaften organisierten Gärtner nicht an der Vermarktung ihrer Pflanzen interessiert. Der Aspekt Kombinierbarkeit und Verwendbarkeit in Staudenpflanzungen werden nicht berücksichtigt. So sehen die Aufpflanzungen dieser Züchter auch eher wie Gemüseäcker aus. Es handelt sich um Monokulturen.Im anglikanischen Gartenkulturraum ist das ein bisschen anders. Gute Literatur, Monografie, über die jeweilige Gattung enthält immer ein, vielleicht manchmal kleines, Kapitel über die Sorten in der Verwendung für den Garten. Diese Verwendbarkeit für den Garten bezüglich der Sorten von Bartiris, Taglilien und Pfingstrosen wird von der deutschen Staudensichtung nicht mehr geprüft. Die Sichtung wird den Liebhabergesellschaften überlassen. Die naturgemäß völlig andere Kriterien haben und haben müssen. Das ist der entscheidende Nachteil für den ahnungslosen Gärtner und der Kernpunkt der von Paulownia angesprochenen Angelegenheit. *es handelt sich um einen Pokal
“I love science, and it pains me to think that so many are terrified of the subject or feel that choosing science means you cannot also choose compassion, or the arts, or be awed by nature. Science is not meant to cure us of mystery, but to reinvent and reinvigorate it.”

— Robert M. Sapolsky
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Staudo
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Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

Staudo » Antwort #6 am:

Ganz so ist es nicht. Es findet massive professionelle Staudenzüchtung statt. Die Zuchtziele sind Blüte im ersten Jahr, kompakter Habitus, uniformer Wuchs. Winterhärte und Gartentauglichkeit im traditionellen Sinne interessieren nicht - wozu auch. Die Pflanzen sollen im Baumarkt schnucklig aussehen und gekauft werden.Ebenso wie vor 50 Jahren gibt es viele Gärtner, die nebenbei etwas züchten, eigentlich mehr oder weniger spontan entstandene Spots oder aufgetauchte Sämlinge selektieren. Die Salvia 'Caradonna' von Zillmer z.B. ist so ein Beispiel oder Salvia 'Marcus' von Häußermann. Die Firma Stade betreibt eine kleine Züchtung (Ligularia 'Laternchen', Acaena 'Brauner Läufer'). Richtige Züchtungsabteilungen können sich die „normalen“ Staudengärtnereien nicht mehr leisten. Das ist wahr.
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pearl
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Re:Sinn oder Unsinn von Züchtungen

pearl » Antwort #7 am:

ja, die Sorten von Hügin oder Coen Jansen nicht zu vergessen!
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