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Domestikation und Evolutionsökologie Malus domestica (Gelesen 1752 mal)

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Bergischer Apfel
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Domestikation und Evolutionsökologie Malus domestica

Bergischer Apfel »

In dem Thema "Wer zieht Äpfel und Birnen aus Kernen?" kam der Ursprung unserer Kulturäpfel aus Malus Sieversii auf, dort passte meien Antwort nicht wirklich rein, deswegen will ich hier mal ein neues Thema dazu erstellen.

Ich war lange der Ansicht das der Kulturapfel hauptsächlich aus Malus Sieversii enstanden ist, bei dem ein Teil der Population ja schon große Früchte hervorbringt, die gut nutzbar sein können. Das Wissen darum hatte ich besonders aus der tollen Arte-Sendung "Alte Gene für neue Äpfel", welche mich u.a. sehr für Malus Sieversii begeistert hat. Die Doku ist sicherlich auch Wissensquelle für viele andere, die sich mit dem Thema beschäftigen, entspricht aber nicht mehr dem aktuellen Stand, ist ja auch schon rund 14 Jahre alt. Die Untersuchungen haben wohl 2002 stattgefunden.

In habe mich immer mal wieder mit dem Thema beschäftigt, mein aktueller Stand war das die Kulturäpfel tatsächlich näher mit dem europäischen Wildapfel Malus sylvestris verwandt sind und weniger mit dem (heutigen) Malus sylvestris. Ich wusste aber nicht mehr wo ich das gelesen habe, hab die Quelle gesucht und mich nochmal kurz eingelesen:
https://www.researchgate.net/publicatio ... _of_apples

Es ist in englisch geschrieben, besonders auf Seite 6 und 7 wird auf die Ursprünge und Beteiligungen eingegangen. Nun ist die Quelle aus Ende 2013, also auch schon 11 Jahre alt, wird aber in 2019 noch zitiert ("A multifaceted overview of apple tree domestication").


Ich versuche das wichtigste grob in Deutsch zusammenzufassen.:


Ursprung im Tian Shan Gebirge von Zentralasien: War Malus sieversii der Vorfahre?

Die morphologischen Gemeinsamkeiten von M. domestica und M. sieversii sowie die immense Vielfalt der wilden Äpfel in Kasachstan wurden als erstes von Vavilov und später Ponomarenko (1983) gemeldet. Diese Ergebnisse wurden kürzlich von verschiedenen sammel-Exkursionen bestätigt, welche aus amerikanischen, europäischen und zentralasiatischen Wissenschaftlern bestanden.
Die genetischen Ergebnisse stimmten mit den morphologischen Beobachtungen überein.
Erste genetische Untersuchungen von Chloroplasten und Kernsequenzen bestätigten eine Vorfahren-Nachfahren-Beziehung, wobei M. sieversii und M. domestica das am engsten verwandte Paar darstellten, basiert auf den Sequenzen, und möglicherweise nicht einmal unterscheidbar. (Anmerkung von mir: So ist es ja auch in der Doku berichtet worden)
Schlussfolgerungen über die Herkunft der Kulturpflanze wurden jedoch durch das Fehlen von starken statisischen Untermauerungen oder eine kleine Probengröße behindert.

Die Analyse von mikrosatelliten-Markern (SSR) einer umfassenden Sammlung wilder und kultivierter Äpfel haben nun neue Einblicke geliefert und offengelegt das es sich bei M. domestica um eine eigene, in sich wirkende Gruppe handelt, welche deutlich von M. sieversii getrennt ist.
Dies kann bedeuten das die Populationen von denen die Kulturpflanze domestiziert wurde entweder noch nicht entdeckt wurde oder nicht mehr exestiert. Die Wälder wurden stark dezimiert seit Vavilov erstmals von ihrer Existenz berichtet hat.
Die substanzielle genetische Differenz der beiden Arten kann ebenso durch einen genetischen Drift und der Introgression (Einkreuzungen) anderer Wildapfelspezies herrühren, welche die Spuren der ursprünglichen Einwirkung von M. sieversii verdrängt haben.
Weitere Studien und Proben werden uns in der Zukunft weitere Einblicke in die Ursprünge und die Entwicklung von M. domestica geben und unser Verständnis der genetischen Architektur der Domestikationsgeschichte verbessern.


Diversifikation des domestizierten Apfels entlang der Seidenroute

M. sieversii war wahrscheinlich der Initialvorfahre, jedoch haben andere Wildapfelarten substanziell durch introgressive Hybridisierung zum genetischen Profil des kultivierten Apfels beigetragen. Dies betrifft Kern- und Chloroplasten-DNA.
Mehrere Studien haben die Wichtigkeit von Malus sylvestris, dem europäischen Wildapfel, in der Evolution und Diversifikation des Kulturapfels hervorgehoben, ebenso die geringere Einflussnahme von Malus orientalis, dem Kaukasusapfel. Dabei wurden Mikrosatteliten-Marker bei Kern- oder Chloroplastensequenzen genutzt. Die Introgression geschah während der Verbreitung Richtung Westen über die Seidenroute.
Diese Introgressionen verdecken das Signal eines initialen genetischen Flaschenhalses, welcher bei der domestikation von M. domestica aufgetreten ist.

Die Introgressionen waren so umfangreich das sich M. domestica nun näher verwandt mit dem europäischen Wildapfel M. sylvestris als mit dem asiatischen Wildapfel M. sieversii herausstellt, basiert auf mikrosatteliten-Markern. Die meisten, jedoch nicht alle Apfelsorten heute, scheinen dazu das Chloroplasten-Genom von M. sylvestris zu tragen.
Genetische Untersuchungen haben außerdem herausgestellt das heutige Cider-Kultivare, welche normalerweise kleinfruchtig sind und mehr Bitterstoffe enthalten, nicht am nächsten mit M. sylvestris verwandt sind. Diese Hypothese beruhte auf der historischen Verwendung von M. sylvestris für Getränke, sogar vor der aktiven Kultivierung von Äpfeln, und den astringierenden, bitteren Eigenschaften der Früchte, welche ideal für Cider-Herstellung sind.
Tatsächlich wurde anhand von mikrosatteliten-Markern festgestellt das Tafelapfelsorten genetisch enger mit M. sylvestris verwandt sind als Cider-Sorten. Cider wird in ganz Eurasien hergestellt und konsumiert, wahrscheinlich sind die Ciderapfelsorten in Zentralasien entstanden, wo Wildapfelpopulationen hoch divers in der Farbe, Geschmack und Größe sind.



Es ist also eher gegenteilig als wie man es erwarten würde, in den Kulturäpfeln steckt sogar mehr M. sylvestris als M. sieversii, und in den Tafelapfelsorten mehr M. sylvestris als in den Cidersorten.
Was das jetzt alles bedeutet und wofür man das benutzen kann wird auch noch erwähnt, das will ich jetzt aber nicht noch übersetzen.


In dem Beitrag, welcher mich darauf gebracht hat, wurde Barry Juniper erwähnt, welcher auch in der Doku vorstellt dass Malus sieversii und M. domestica identisch seien. Er ist leider 2023 verstorben ist, hat aber 2020 noch ein Buch veröffentlicht: "The Story of the Apple", zu Deutsch, "Die Geschichte des Apfels". Es würde mich interessieren ob jemand dieses Buch hat und wie die Ergebnisse dort vorgestellt werden.

Und wenn ihr neuere Erkenntnisse oder Kommentare habt, könnt ihr sie gerne ergänzen.

LG Bergischer Apfel
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