... BotanikFaschismus. ...
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Die Verknüpfung von Taxonomie und Naturschutz mit politischen Begriffen und der Rassismuskritik finde ich (immer) problematisch. Es gibt gute Gründe für den Schutz der örtlichen Populationen von Pflanzen in ihrer genetischen Identität. Als Ergebnisse einer mehr oder weniger lang dauernden Evolution sind diese örtlichen Populationen die Träger der biologischen Vielfalt. Ihre spezifischen (genetischen) Eigenschaften versetzen sie unter anderem in die Lage, sich unter den örtlichen Bedingungen langfristig zu behaupten.
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Menschliche Gesellschaften und Individuen behaupten und arrangieren sich aber nicht hauptsächlich aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften, sondern (hoffentlich ganz überwiegend) mit den Mitteln der Zivilisation und der Kultur. Beides fehlt den natürlichen Systemen, in denen Pflanzenpopulationen überleben müssen. Deshalb sollten Fragen der genetischen Identität in natürlichen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen niemals vermischt und das eine aus dem anderen heraus weder begründet noch abgewertet werden.
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sehr richtig. Ich wollte eben nur auf die gelegentlich vorkommenden fundamentalistischen Tendenzen mancher Gärtner abheben. Und eben erinnern, dass es in der Biologie historisch heute immer noch nicht ganz überwundene Dogmen gab und gibt. Und dass Termini aus der Biologie häufig und immer noch für Ideologien missbraut werden. Ob es der extreme Sozialdarwinismus ist, oder Rassismus rechtfertigende Äußerungen von Ethologen. Die Aggressionstheorien oder der dumme Missbrauch der Biologie und Genetik in der Frage der Transgenderrechte. Die Biologie und die Biologen ändern sich gerade. Bisher hatte eine ältere Generation immer den Fokus auf das Überleben der Arten durch Wettkampf um Ressourcen. Ein falsch verstandenes "survival of the fittest". Die Evolutionsbiologie hat die andere Seite des Überlebens völlig ausgeblendet. Es gibt EvolutionsbiologInnen, die seit den 80er Jahren - einer davon bezeichnet sich als jungen Studenten als Hippie - die Bedeutung der erfolgreichen Aufzucht von Jungtieren wissenschaftlich nachweisen. Die Hälfte der Evolution fiel bei unseren alten Männern unter den Tisch.
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Darwin ist bei Geisteswissenschaftlern total unter den Tisch gefallen und bei Wirtschaftswissenschaftlern so dermaßen falsch verstanden, dass es geradezu Missbrauch ist.
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Die Stimmen für Darwin und für die weiche und sanfte Seite der Evolution, die der Brutpflege, des Bemutterns, des Huderns, des Teilens und der sozialen Gruppenstrukturen hat Peter Kropotkin in seinem Werk: Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt 1902 veröffentlich. Ein Anarchist und seine kritische Haltung für ihn tödlich. Quasi ein erster Hippie des 20. Jahrhunderts. Kropotkin hat in England Darwin studiert. Ich finde seinen Beitrag wichtig für die moderne Biologie.
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Dass wie in allen wissenschaftlichen Disziplinen, so auch in der Biologie, alte Ideologien die Forschung beeiinflussen kann keiner leugnen. Am Genetischen Institut in den 80er Jahren habe ich unter anderen bei Benno Müller-Hill studiert. Er hat das Thema Biologen unter Hitler Ende der 80er, Anfang der 90er betreut. Auch im Fischer Verlag erschienen.
Biologen unter Hitler: Porträt einer Wissenschaft im NS-Staat.
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Dass merkwürdige Vorstellungen über Reinheit der Arten, Selektion, Segregation bei Leuten vorhanden sind, die im Naturschutz tätig oder als Gärtner aktiv sind, das ist mir in den letzten 30 Jahren immer wieder aufgefallen. Manche Dogmen halten sich und sind nicht wegzukriegen, obwohl die Wissenschaft sie nicht mehr stützt. Wir leben nicht mehr in einer Welt mit wilder unberührter Natur. Wir haben in Deutschland nur noch winzige Reste ursprünglicher Wälder und kaum noch unberührte Naturräume.
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So wichtig es ist, diese zu schützen, so viel wichtiger ist es völlig neue Konzepte zu entwickeln, damit das unser Lebensraum, unser vielfach verflochtenes System von Lebewesen jeder Gattung, nicht kollabiert. Da ist Reinheit von Arten und autochthones Saatgut ein Witz. Die Wälder fackeln ab, weil wir eine iindustrialisierte Forstwirtschaft haben, die falsche Entscheidungen getroffen hatte. Alles sowieso nicht standortgerechte Gehölze und ganz unautochthone Arten.
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Wir hatten in Europa Regenwälder und im Mittelmeerraum Hartlaubvegetation, beides riesige Flächen, und können sowieso nicht wieder zurück zu einem "wilden" "echten" "natürlichen" Zustand. Ich halte daher
Planting in a Post-Wild World: Designing Plant Communities for Resilient Landscapes für eine gute Strategie. Auch für den privaten Garten.
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Wobei ja sowieso jeder im Privaten machen kann, was er will. Und wenn er ausschließlich
Polygonum polymorphum 'Johanniswolke' pflanzt, wie Wolfgang Oehme in Dortmund so provozierend verschmitzt ins Publikum sagte. Eine Staude von der sowieso keiner den genauen Artnamen weiß.
Die das aber nicht daran hindert wie blöd zu wachsen. Sowas liebe ich. Eine Pflanze, die auf ihren Namen geradezu pfeift.
Durch bloßes Dasein.