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Garten und Individualität (Gelesen 24097 mal)
Re:Garten und Individualität
Fionelli, deine Feststellungen sollen in keiner Weise bestritten werden. Heutzutage interessieren sich zweifellos weitaus mehr Männer für Gartenanlage und –pflege als noch vor Jahrzehnten. Der Garten hat inzwischen einen völlig anderen Statuswert bekommen. Kaum ein anderer Markt hat derartige Wachstumsraten wie Pflanzen und Gartengeräte, Gartenaccessoires. Warum das so ist, dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen: angefangen beim Eigentumsgedanken bis hin zum Rückzug hinter den eigenen Zaun. Dazwischen alle Schattierungen.Die Frage, um die es geht, ist, ob es einen geschlechtsspezifischen „Gartentypus“ gibt und wenn ja, welcher dann von den Käufern/Grundstücks-/Balkoneigentümern realisiert wird. Ich vertrete die Auffassung, dass Männer zu eher (heute) nüchtern erscheinenden Gartenstrukturen neigen, sich der „weibliche“ Blumengarten aber inzwischen weitgehend durchgesetzt hat. Zweifellos haben sich viele Männer diesem Stil inzwischen angepasst, aber er entspricht zumindest nicht mehrheitlich ihrer natürlichen Neigung.Ein anderes Beispiel aus dem jedem bekannten Alltag mag es verdeutlichen. In meiner Büro-Umgebung haben viele Frauen ihr Zimmer durch Blumensträuße/Topfpflanzen geschmückt. In den Männerbüros findet man derartiges höchst selten. Darauf angesprochen, erhält man meist nur ein Schulterzucken. Männer finden Blumen zwar auch schön, aber pflegen, darum kümmern und überhaupt und außerdem im Büro soll gearbeitet werden und nicht Blumen gegossen.In dem Buch „Geschichte eines Gartens. Vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart.“von George Ordish wird sehr anschaulich geschildert, wie die Frauen der jeweiligen Eigentümer ihren Männern Gartenareale für Blumen förmlich abringen müssen. Geht es hingegen um Gewächshäuser mit Pflanzen, wie sie der Adel besitzt oder um Bowling-Greens und Kricket-Lawns, da ergreifen die Männer die Initiative und sind zu großen Erdbewegungen bereit. Wer jetzt meint, die „Erziehung“ oder der kulturelle Wandel hätten daran etwas in der Tiefe verändert, der möge sich an Desmond Morris und andere erinnern lassen.
Re:Garten und Individualität
Auf das letztere wollte ich eigentlich hinaus. Dass Frauen hier und da ein Fleckchen kriegten, um ein par Blümchen zu ziehen, das gab es schon. Aber die Anlage und Pflege von Gärten war Männersache. Bürgerliche Ziergärten gab es ja erst ab dem vorletzten Jahrhundert.Ich las vor kurzem eine große Untersuchung über Pfarrgärten in Norddeutschland, die über Jahrhunderte das Vorbild für Privatgärten abgaben. Da kommen Frauen sozusagen überhaupt nicht vor, nur als Saat- und Erntehelferinnen.Das hat sich trotz Desmond Morris sehr gewandelt (und wird wohl bleiben, bis unsere Kultur untergeht. Dann müssen die Frauen wieder ins Haus und dürfen nur noch in unserer Begleitung mit Schleier Ringelblumen ernten gehen.)A propos Büro: Es gibt in der Tat Ausnahmen, und was für welche. Ich hatte mal einen in Ehren ergrauten Mitarbeiter, bei dem sich ein Gummibaum durchs ganze Zimmer wand. Der Mann konnte gerade noch am Tisch sitzen; Stehen war nicht mehr drin. Weit um den Topf war der ganze Teppichboden versaut, der Fensterputzer durfte nicht mehr seines Amtes walten, und die Putzfrauen machten immer größere Bögen um die Arbeitsfläche. Eines Tages traf ich ihn in einem kahlen Büro, drei Stümpfen im Gummibaumtopf und ein paar Stecklingen in einem Wasserglas. Bald danach ging er in Vorruhestand. Ich habe ihn nie kritisiert und den Baum sogar bewundert. Aber irgendwie schien mir die Bepflanzung und das ganze Verhalten drumherum ziemlich geschlechtsspezifisch. Mit Frauen habe ich auch nur annähernd Vergleichbares nie erlebt.
Re:Garten und Individualität
Interessanter Aspekt, aber vermutlich konfessionell beeinflusst.Norddeutschland = protestantisch = schmucklose Kirchen (hat sich inzwischen deutlich gemildert).In katholischen Gegenden sind die Pfarrgärten (traditionell?) blumenreicher, auch (oder sogar gerade) um Vasenschmuck für die Kirche liefern zu können. In ländlichen Regionen, wo die Kirchendekoration reihum geht (selbstverständlich stets Frauen), wird allein schon deshalb in den Privatgärten auf Blumenvorrat geachtet. Gilt ganz besonders auch für England, wo man in den Kirchen die "To-do-Listen" aushängen sieht.Bei der Gelegenheit fallen mir auch die Klostergärten ein (Mönche). Die Ziergehölze/-stauden, soweit es sich nicht um Heil- oder Nutzpflanzen handelt, beschränken sich überwiegend auf Pflanzen mit starkem religiösem Bezug (meist Rosen, Lilien). Die Schattensituation der Innenhöfe erzwangen zudem oft blütenarme Anlagen. Aber gerade hier wird es heftige Ausnahmen geben, da die Mönche/Nonnen häufig "kulturelle Speerspitzen" waren und zum Lob und Preis des Allmächtigen die Salomonische Pracht auch in ihren Gärten spiegeln wollten. Insoweit könnte man vielleicht von programmatischen Gärten sprechen.Ich las vor kurzem eine große Untersuchung über Pfarrgärten in Norddeutschland, die über Jahrhunderte das Vorbild für Privatgärten abgaben. Da kommen Frauen sozusagen überhaupt nicht vor, nur als Saat- und Erntehelferinnen.
Re:Garten und Individualität
Die Gärten evangelischer Pfarrhäuser waren auch programmatische Gärten. Der Pfarrhaushalt war ja sozusagen der Prototyp des protestantischen Lebens. (Das hängt damit zusammen, dass Luther sich gegen die katholische Lehre wandte, das Klosterleben sei das eigentliche und das "weltliche" nur das zweitbeste Leben. Nach seiner Auffassung waren beide vor Gott gleichwertig. Luther prägte deshalb den Begriff des Berufes, der von der Berufung kommt und besagen sollte, dass eine Hausfrau zu ihrer Arbeit ebenso berufen ist wie ein Priester. Aber deshalb brauchte die neue Auffassung ein Vorbild, und der entwickelte sich im evangelischen Pfarrhaushalt, der sich auch im "weltlichen" Leben bewährte.)Die evangelischen Pfarrer prägten also weithin das, was sich dann auch in protestantischen Haushalten wiederfand, und es gab auch Rückwirkungen auf katholische Pfarrhäuser, in denen ja mindestens auch ein Mann und eine Frau tätig waren
.Die Gärten der Pfarrhäuser dienten dabei vor allem dem Lebensunterhalt, denn die Bezahlung war oft karg bzw. gar nicht vorhanden. Deshalb gehörten aber auch viele (evangelische) Pfarrer zu den Pionieren der Nutzpflanzenzucht.Für den Blumenschmuck der evangelischen Kirchen sorgten meist die Küster.Übrigens sind nicht die Protestanten insgeamt bilderfeindlich. Im Ulmer Münster, das evangelisch wurde, finden sich zB noch heute 500 Mariendarstellungen. Bilderfeindlich waren die Reformierten (zB die Ostfriesen
, aber auch die fleißigen Fabrikanten im Bergischen Land).Die Entwicklung der Klostergärten nahm eine andere Entwicklung, je nachdem auch, ob der Orden eher praktisch oder kontemplativ ausgerichtet war. Gregor Mendel in Brünn war Augustiner.


Re:Garten und Individualität
Ein bisschen Freude war vermutlich auch in evangelischen oder sogar protestantischen Pfarrgärten zu finden. Diese minimalistische Blumenpracht war dann aber gewiss der Frau zu verdanken. 

Re:Garten und Individualität
Zufällig lese ich in einer holländischen Gartenzeitung den Artikel: Die Frau ist der Chef im Garten. Und dazu Stellungsnamen der Leser. Ganz interessant und sich nicht wirklich unterscheidend von deutschsprachigen Meinungen. Ganz lustig, dass das Thema auch hier zur Zeit die Gemüter bewegt.
Lg


Re:Garten und Individualität
Zitat:Wo Frauen gärtnern, gibt es Blumen. Als Gärten ein und ein halbes Jahrhundert eine Männerleidenschaft wurde, verschwanden sie, Männer pflanzen Bäume und Sträucher. (Gabriele Tergit; Journalistin und Schriftstellerin, 1894-1982)
Re:Garten und Individualität
Kein Wunder dass man von Gabriele Tergit noch nie etwas gehört hat.... 

- Gartenlady
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Re:Garten und Individualität
Wird hier ein Generationenkonflikt ausgetragen
. Sprechen wir eigentlich von Gärten und Gärtnern heute oder von einem und einem halben Jahrhundert in grauer Vorzeit? 


Re:Garten und Individualität
Nun, wir sind schon recht aktuell. Zu dem Verständnis, warum es so ist/sein könnte/(von vielen) wahrgenommen wird, gehört nun mal die Vergangenheit.Zumindest wenn man das Thema argumentativ angeht.
- olle hummel
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Re:Garten und Individualität
... und hochwissenschaftlich....

Re:Garten und Individualität
Wie du sehr gut weißt, versagt die Wissenschaft bei Frauen 
