cydorian hat geschrieben: ↑15. Okt 2018, 11:57 fragen wir besser nach den geeignetsten Sorten für eine bestimmte Pflanzung, das bringt uns mehr.
Es klingt gut, dass Cydorian eine neue Epoche des Obstbaus ausruft!
Denn das tut er.
Aber steht uns diese neue Epoche wirklich bevor?
Wenn nun - in der Sprache der 4 Pfälzer Obstbau-Epochen* - das Obstbau-"Technologiezeitalter" (seit 1950) durch ein neues Zeitalter (noch namenlos) abgelöst würde, dann könnte es tatsächlich um die am besten geeigneten Sorten für eine bestimmte Pflanzung gehen. Es ginge dann nicht nur um Plantagenpflanzungen in Bestlagen, sondern auch um andere extensive Pflanzungen im Hausgarten, Streuobst, Direktvermarktung, Selbstversorger, ungünstigere Lagen oder auch Allergikerobst, Naturgarten-Obst, Balkonobst, Lifestyle-Obst usw.
Noch allerdings sind die Kräfte des "Technologiezeitalters" stark und haben mächtige Eigeninteressen an ihren "neuen Sorten".
Das sollte nicht vergessen werden, dass "Alte Sorten" vor allem ein Gegenbegriff ist - gegen den Kampfbegriff der "neuen Sorten" mit ihrem Allmachtsanspruch aus flüchtigen Resistenzen, ein Begriff gegen die Gewalt der Rodungen, die Rodungsprämien und die hoch subventionierten, nur vermeintlich so viel besseren Neuzüchtungen.
Das
Begriffspaar "neue Sorten" versus "alte Sorten" verlöre seine Bedeutung, sollte dieser Kampf tatsächlich jetzt schon beendet sein. Und selbst wenn er das wirklich sein sollte, dann sollen wir seine Geschichte aufgeklärt in Erinnerung behalten.
Übrigens gibt es - an Stelle einer Wiederbegründung des einst mächtigen Pomologenverbands - heute in Frankreich die "Apfelherzensbrecher". "Les Croqueurs de pommes": 8000 Mitglieder in 67 Ortsgruppen, 20 000 Bäume in "Rettungsgärten", ehrenamtlich und kommunal mit enormen Obstbausachverstand.
Das ist
fast schon eine soziale Bewegung, die es bekanntlich so ähnlich auch in Deutschland gibt. Auch dafür steht der Begriff der "Alten Sorten"! Wenn nun nach der "Rettung" ein neuer Gebrauch der geretteten Obstsortenvielfalt im Hier und Heute ansteht - dann spricht das für Cydorians Aufruf: fragen wir besser nach den geeignetsten Sorten für eine bestimmte Pflanzung.
( *Die 4 Obstbau-Epochen nach dem Pfälzer Flugblatt, das oben thuja thujon eingehängt hat. Darin ist die Zäsur um 1950 enthalten. Andere Epochen sind dort nach meiner Ansicht weniger zutreffend skizziert, aber das ist ein anderes Thema.)
P. S. Warum aber nicht außerdem das "
Obstmuseum" schön finden und sich dafür interessieren? An manchen Orten, auch in der Schweiz und Österreich, gibt es solche Museen wirklich; die gehen unbefangen mit ihrer erst kurz zurückliegenden Agrar-, Kultur- und Regionalgeschichte um. Warum nicht auf den Dörfern noch eine andere Geschichte erforschen als nur die von Kirche und Bürgermeistern? Wer weiß schon, wie Cydorian, ob es in seiner Gegend Streuobstgürtel, Baumalleen, oder die "Krautgärten" gab? Was wuchs in den Bauerngärten, welches Steinobst wuchs in den Knicks und Hecken, wie wurde das Straßenobst bewirtschaftet, wo gab es Marillenspaliere, was war mit dem Weinbau? Viele interessante Fragen ...
Deshalb hatte ich in meinem Beitrag oben auch eine weitere Definition "Alter Sorten" vorgeschlagen, die sich nicht nur auf Streuobst beschränkt.
Das Interesse für das Obstbaumuseum einer untergegangenen bäuerlichen Wirtschaftsweise soll gar nicht davon abhalten, den Rest der glücklich überlebenden Obstsortenvielfalt im im Hier und Heute zu nutzen und weiterzuentwickeln. Beides schließt sich nicht aus, im Gegenteil!