News: Problem bei der Anmeldung? Bitte Mail über das Kontaktformular ganz unten!

Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar. (Gelesen 223157 mal)

Hier bist du richtig, wenn du nicht genau weißt, wohin mit deiner Frage oder deinem Thema!

Moderatoren: Nina, Phalaina, cydorian, partisanengärtner, AndreasR

Antworten
Benutzeravatar
lerchenzorn
Beiträge: 18570
Registriert: 4. Apr 2008, 22:21
Kontaktdaten:

Berliner Umland Klimazone 7a (wohl eher 6b)

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

lerchenzorn » Antwort #2655 am:

Felcofan hat geschrieben: 18. Okt 2023, 08:29 ... dass die frisch geschlüpften Küken in den dichten Grünlandflächen nicht mehr zurechtkämen, also,
Gras/Wiese zu hoch, trocknet zu langsam ab nach Morgentau, da stoplern dann quasie die Küken nass durch die Gegend, geschwächt, hungrig und nass-ausgekühlt

mit zu wenig Insekten, weil ihre Beute bevorzugt in warm-lückigen Trockenrasen lebt.

und davon gehen sie dann oft ein, aus Unterkühlung oder Energiemangel.
Und da war nicht ein Schnipsel Agrochemie im Spiel, der Sticktoff kommt oder kam zumindest damals aus der Lust, ausgesondert von Industrie, Haushalten, Verkehr und Stall ...


Das stimmt so nicht. Die heute allgegenwärtige Überfrachtung der Landschaft mit Stickstoff (Eutrophierung) hat sehr wohl landwirtschaftliche Ursachen. Mit der ab dem 19. Jahrhundert zunehmenden und seit Mitte des 20. Jahrhunderts allgemeinen Verfügbarkeit von synthetischen Stickstoffdüngern hat sich die Nährstoffausstattung der Landschaft grundlegend erhöht und aus den landwirtschaftlichen Nutzflächen heraus auch sehr viele nicht direkt beaufschlagte Flächen betroffen. Diese Effekte halten noch an, selbst wenn die Ausbringungsmethoden heute (im Idealfall) eine genauere Ausbringung ermöglichen.

Großtrappen in Nordostdeutschland haben ihre Küken nicht nur auf den trockenen Hochflächen aufgezogen, sondern vor allem im feuchten bis wechselfeuchten Grünland, das hier bis in die 1950er Jahre großflächig sehr schütter und nischenreich war. Mit konsequenter Grünlandextensivierung und Düngungsverzicht ist es in den letzten verbliebenen Trappengebieten über die letzten 50 Jahre gelungen, wieder halbwegs nahrungsreiche Flächen zu schaffen. Es ist aber immer wieder ein Zittern, wenn wieder ein Landwirtschaftsbetrieb mit seinen Flächen ausschert.
Benutzeravatar
thuja thujon
Beiträge: 21294
Registriert: 28. Apr 2016, 21:50
Region: Gemüsegarten Vorderpfalz
Höhe über NHN: 90
Winterhärtezone: 8b: -9,4 °C bis -6,7 °C

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

thuja thujon » Antwort #2656 am:

Es geht weniger um die Genauigkeit der Ausbringung, sondern über den Eintrag durch die Luft.
gesundes und krankes Gemüse in Amish-Qualität
Benutzeravatar
lerchenzorn
Beiträge: 18570
Registriert: 4. Apr 2008, 22:21
Kontaktdaten:

Berliner Umland Klimazone 7a (wohl eher 6b)

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

lerchenzorn » Antwort #2657 am:

Der Eintrag durch die Luft und diffuse Stickstoffquellen außerhalb der Landwirtschaft sind ja unbestritten. Die gibt es und die von zorro genannten Verbrennungsprozesse sind wesentliche Teile.

Die Genauigkeit der Ausbringung von Stickstoffdüngern in der Landwirtschaft ist wesentlich für angrenzende stickstoffsensible Lebensräume, die unmittelbar beeinträchtigt werden. Nach aktueller Düngeverordnung (DüV) ist bei Ausbringung von N- und P-haltigen Düngemitteln ein Abstand zu Gewässern von mindestens 3 m einzuhalten. Zu allen anderen empfindlichen Lebensräumen gibt es keine regelmäßig wirksame Abstandsvorgabe. Raine, Hecken, Moore, ungedüngte Wiesen und Weiden, die nicht durch örtliche Regelungen besonders geschützt werden, unterliegen auch aktuell erheblichen Randeinflüssen aus der Düngung der angrenzenden Landwirtschaftsflächen.
Pjoter
Beiträge: 221
Registriert: 8. Jan 2008, 11:08

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

Pjoter » Antwort #2658 am:



Das mit dem mangelnden Abstand kann ich bestätigen,
ich kenne ein Naturschutzgebiet (Halbtrockenrasen),
da ist am Hang oberhalb Landwirtschaftfläche,
da gibt es keinerlei Abstand.
Bei Starkregen...

Als vor Jahrzehnten die Schutzverordnung erlassen wurde
nahm ich an, dass das mit der Zeit verbessert würde,
stattdessen geschah nichts, erst recht nicht unter der
aktuellen Regierung.

Originalzitat Kretschmann als er noch noch nicht MP war
und Naturschützer zu einer Veranstaltung eingeladen hatte:
Wir wollen doch keinen Urwald.
Floris
Beiträge: 2222
Registriert: 11. Feb 2010, 13:48

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

Floris » Antwort #2659 am:

Ich bin immer wieder erstaunt, wie regional unterschiedlich die Ansichten und Maßnahmen so sind.

Das Problem der Abschwemmung in tieferliegende Gebiete ist unstrittig. Wenn bei der Schutzgebietsausweisung keine Pufferflächen integriert wurden, kann man über Förderprogramme solche anlegen. Das funktioniert hier weitgehend, wenn jemand da ist, der die Landwirte drauf hinweist, wo sie ihre Extensivierung am besten platzieren, sei es bei Erosionsschutz- oder Gewässerschutzflächen.

@Frauenschuh: Wenn du über bürokratischen Aufwand, wie z. B. bei der Dokumentation schreibst, weiß ich zwar was du meinst, empfinde das bei uns aber anders. Ob das die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind oder persönlichen Eigenarten der zuständigen Sachbearbeiter? Ein Kontroller bekommt seine Vorgaben aus dem Ministerium und dokumentiert was er vorfindet. Ob daraus eine Beanstandung wird, entscheidet der zuständige Sachbearbeiter vor Ort, auch in Abstimmung mit dem Schutzgebietsbeauftragten. Wenn die dann kein Verständnis für die Situation aufbringen, hilft halt nichts.

Auch interessant finde ich deine negative Bewertung der Nachpflege von Weideflächen durch Mahd oder Mulchen. Sie dient dazu, dass sich Pflanzen die nicht abgeweidet werden und damit stehen bleiben, sich nicht immer weiter ausbreiten. Diese Maßnahme ist bei uns in beweideten Schutzgebieten Standard wo immer es technisch geht und wird gesondert vergütet. Sie ist Bestandteil der Pflegepläne, abgestimmt mit den Oberen Naturschutzbehörden und den Naturschutzverbänden. Auch außerhalb von Schutzgebieten ist einer der Steine im Baukasten des Vertragsnaturschutzes die Nachpflege von Weideflächen und wird allgemein empfohlen.
gardener first
Benutzeravatar
partisanengärtner
Garten-pur Team
Beiträge: 19092
Registriert: 27. Jan 2009, 08:22
Kontaktdaten:

Qualitatives Wachstum hat keine Grenzen. 6b

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

partisanengärtner » Antwort #2660 am:

In welchem Bundesland sind die denn so sensibel?
Wer zuviel jätet raubt sich manche Überraschung.

Axel
Pjoter
Beiträge: 221
Registriert: 8. Jan 2008, 11:08

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

Pjoter » Antwort #2661 am:

Floris hat geschrieben: 18. Okt 2023, 10:53
Ich bin immer wieder erstaunt, wie regional unterschiedlich die Ansichten und Maßnahmen so sind.




Meine Erfahrung ist auch, dass es auf die Kommunikation ankommt,
die aber behördlicherseits oft als lästig empfunden wird

Als Eigentümer hatte ich einmal mein Einverständnis mit der Mahd
einer NS-Fläche mitgeteilt und um Mitteilung des Termins gebeten, damit
ich dabei sein kann. Das wars, lieber macht man gar nichts.

Hinzu kommt, dass für Kleinflächen keine Aufwandsentschädigung an die
Eigentümer geht, die Vermessung ist unerhört teuer geworden, seit die
Vermessungsbehörde Landesbetrieb ist, also auch keine Grenzen im "Busch"
mehr feststellbar, früher benutzte Wege verfallen, Zugang teilweis nur über
mehrere Nachbargrundstücke und dadurch Pflege durch Eigentümer
unmöglich gemacht.


Benutzeravatar
frauenschuh
Beiträge: 987
Registriert: 7. Jul 2015, 00:37
Region: Solling
Kontaktdaten:

Wir haben nur dieses eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben!

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

frauenschuh » Antwort #2662 am:

Deshalb beherbergen meine Flächen auch Ameisenhügel bis teilweise kurz unterm Knie. Dass Altgrasstreifen vergütet würden, liegt ja auch daran, dass darin Puppen ect. hängen. Die sind nach dem Mulchen hinüber. Ich glaube, wir sind da weniger auseinander als es jetzt scheint. Geht es um die berühmt berüchtigte Flachlandmähwiese, dann wäre ich da weniger betroffen als wenn es um eine beweidete Streuobstwiese geht. Zudem... manch einer wird es kennen aus dem Schaffred... es ist mitnichten so, dass wir nicht Nachpflegen. Da wird gesenst, ausgestochen oder der2 Takter bemüht. Je nach Zustand. Da kann es also sein, dass eine Fläche nach 3 Jahren durchgemulcht werden muss, weil die ursprünglich von Brombeerwüste kommt und das auch mit hartem Weidefruck irgendwann nicht mehr ausreichend funzt. Farn... muss ich ständig irgendwo sensen. Brennnesseln bekommen in den ersten Jahren auch eins mit der Sense übergebraten. Die schockt mich aber nicht wirklich. Und wenn ich dann zwischen taumelnden Blutbären stehe, dann lass ich die in Ruhe. Ich mulche aber nur im Ausnahmefall (eben jene egemalige Brombeerwüste) ganze Flächen. Bei uns geht es um Problemecken

Bürokratie: Bitte ich deutlich zu trennen zwischen Auflagen der UNB und der LWK. Richtung UNB gibt es keine Probleme. Richtung LWK: Sorry, da ist der Bogen überspannt. Bei wöchentlicher Satellitenbildkontrolle rätsel ich alleine, wie ich ausrechnen soll, wenn wie gehabt nicht die ganze Herde an einem Tag die Fläche verlässt. Also ja klar: Beweidungstagebuch ist dann easy. Einfach neue Spalte und in Etappen eintragen. Schlagkartei? Tier pro Fläche ausrechnen. Jetzt im Ernst nochmal Taschenrechner zücken und neu rechnen für 1 Tag?! Allein die auf einmal geforderten Kartierungen vom Frühjahr waren so auswändig dass ich nicht mehr zum abzäunen gekommen bin. Nachdem dann erfolgreich 2 ha versperrt waren hat das ein Reh mit seinem Leben bezahlt. Im Herbst nochmal nachrechnen lassen wieviel Großvieheinheiten es denn nun waren... wofür habe ich im Mai die Dame der LWK bezahlt, damit sie das ausrechnet. Wenn ich weiß, dass ich dann bis Ende September kein Tier verkaufen darf... was soll sich daran geändert haben? Die Fani App... Fotobelegaufträge deren Frist verstreicht bevor ich laut Auflage der AUM Maßnahmen überhaupt losgelegt haben muss... nein. Das ist eine Quälerei, die nicht dafür sorgt dass es noch mehr machen werden. Im Gegenteil. Ein Kumpel, fast gleiches Baujahr, kann das noch weniger als ich. Aus verschiedenen Gründen. Und die liegen nicht darin, dass er seine Tierhaltung nicht ordentlich oder nicht regelkonform macht. Der überlegt aufzuhören. Er könne das nicht. Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht.

Bitte bedenkt beim Luftstickstoff auch den, der sprichwörtlich durch die Luft fliegt. Ich hatte schon Fotos gezeigt. Sind Fleischrassen egal welcher Spezies auf Magerflächen unterwegs lohnt der genaue Blick.

Pufferzonen, sorry. Die gibt es hier nicht. Wenn ich hier an den Brinkplak denke... das ist ein Steilhang über den das gesamte Wasser der oberhalb liegenden Felder fließt. Ein schöner satter Brennnesselstreifen zeigt an was da los ist. Was mich hieran doppelt ärgert: Auch hier ist das Versuchsgut nebenan. Mit allem Düngeeinsatz der irgend möglich ist. Ohne dass noch ein Randstreifen den Boden zurück halten würde. Und wenn es so ein halbstaatlicher Betrieb nicht macht, was erwartet man dann bitteschön von normalen konventionellen Landwirten?!
Wir haben nur das eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben.
Benutzeravatar
lerchenzorn
Beiträge: 18570
Registriert: 4. Apr 2008, 22:21
Kontaktdaten:

Berliner Umland Klimazone 7a (wohl eher 6b)

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

lerchenzorn » Antwort #2663 am:

In Brandenburg reichen die Agrar-Umwelt-Mittel für die Umwandlung oder Extensivierung von Ackerland nur für die nach Wasserrahmenrichtlinie ausgewiesenen Pufferflächen. Sensible Naturschutzflächen kommen nur ausnahmsweise in die Kulisse oder wenn sie zufällig mit den Gewässerschutzflächen zusammenfallen.
Benutzeravatar
frauenschuh
Beiträge: 987
Registriert: 7. Jul 2015, 00:37
Region: Solling
Kontaktdaten:

Wir haben nur dieses eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben!

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

frauenschuh » Antwort #2664 am:

Vielleicht noch als Ergänzung: Der Brinkplak liegt im FFH Gebiet Ilme. Der bewusste Acker liegt als einziger rechtsherum, womit die Soße ungebremst über den schon vollkommen ausgewaschenen Hohlweg in die Ilme fließt. Hier irgendwas zu wollen... vergebliche Liebesmüh. Weil alle anderen Flächen so stark über dieses Grundstück entwässern, hatten sich schon 2 Erdfälle gebildet. Da duckt sich jeder weg. Der letzte Erdfall war auf dem Weg. Zugeschoben standen da dieses Jahr die riesigen Erntemaschinen drauf. Der Untergrund ist schweizer Käse. Ich bin gespannt wie lange das noch gut geht. Wer beim Baumpfahl einschlagen plötzlich den Pfahl vermisst, der fährt da persönlich nicht mit einem Fahrzeug drauf :-X

Das Grundstück ist auch ein Dauerbrenner bei der LWK. Ich hatte mal den Brennnesselstreifen neu einsäen lassen wollen. Das wollte dann die Wasserbehörde nicht. Egal wie oft und wo ich das der LWK mitgeteilt habe... es landet nicht. Ich solle da bitte zukünftig eine andere Kennnumner angeben, weil Narbenerneuerung da anders beschlüsselt werden muss. Es ist hoffnungslos. Gut. Schlüsseln wir das künftig anders, auch wenn nie eine Narbenerneuerung stattgefunden hat. Dann hat der Prüfer was zum festbeißen. Das ist wie mit dem Lagerplatz auf dem nichts liegt. Das ist auch nicht zu vermitteln. Da kommen dann wieder Fotobelegaufträge.
Wir haben nur das eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben.
Floris
Beiträge: 2222
Registriert: 11. Feb 2010, 13:48

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

Floris » Antwort #2665 am:

Sensibilität ist wohl eher eine Eigenschaft von Personen, nicht von Bundesländern, aber unsere Landesverordnung in Hessen lässt es wohl zu.
Vielleicht spielt es eine Rolle, dass bei uns die Forstbehörden und die Agrarverwaltung für die Pflege von Schutzgebieten zuständig ist, nicht die UNBen.

Aber ich habe ja auch nur einen kleinen Einblick in unsere nähere Umgebung, wobei der ausreicht um zu erkennen, dass schon die Regierungspräsidien als Obere Naturschutzbehörden nicht einheitlich vorgehen, d. h. bevor man etwas unternimmt immer erst klären, wer zuständig ist, um sich auf die Verfahrensweise einzustellen.

frauenschuh hat geschrieben: 18. Okt 2023, 12:10
Tier pro Fläche ausrechnen.

Klingt nach flächen- und taggenauer Feststellung der Besatzdichte. Ist mir so unbekannt, ich frag bei Gelegenheit mal, ob es sowas bei uns auch gibt.
Hast du Beispiele, wofür Fotobelege angefordert werden? Ich bin gespannt, wenn zum Jahresende die Mindestbewirtschaftung geprüft wird. Es gibt Grünlandflächen an denen ich regelmäßig vorbeikomme, auf denen nach meinem Eindruck dieses Jahr noch nichts passiert ist.

Kennartenkartierung habe ich dieses Frühjahr auch ein paar gemacht, ging recht flott, aber ich musste auch jeweils nicht weit laufen um die erforderliche Artenzahl beisammen zu haben.
gardener first
Benutzeravatar
frauenschuh
Beiträge: 987
Registriert: 7. Jul 2015, 00:37
Region: Solling
Kontaktdaten:

Wir haben nur dieses eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben!

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

frauenschuh » Antwort #2666 am:

Fotobelegaufträge sind im letzten Jahr gescheitert, weil ich die Bilder der App mangels Empfang nicht zufüttern konnte. Dieses Jahr soll es anders sein - habe aber nicht hochladen können, weil die Frist im August verstrichen ist. Da waren die beiden Flächen noch nicht genutzt. Wir sind rechtzeit durchgekommen. Bis Ende September waren alle Flächen, rund 23 ha, genutzt. Da bin ich sau stolz drauf! Denn in diesem wüchsigen Jahr ist das keine Selbstverständichkeit gewesen. Der LSV sagte, alles zu spät. Ich hätte Widersprich einreichen müsen. Der Naturpark sagt alles easy, die nächsten Aufträge werden kommen. Ich weiß nicht wieso. Aber mich beruhigen soöche Aussagen nicht so wirklich. Fotobelegaufträge gibt es also zwecks Nutzungsnachweis. Bild der Fläche (hat schon mal jemand eine Bananenfläche im Steilhang versucht zu fotografieren?! Mit Hecke dazwischen. Wie soll das gehen?!), Bild der Grasnarbe weil XY Prozent Gras sein muss. Ich bewirtschafte fast ausschließlich, ab 24 ausschließlich Biotopflächen. Hier entbrennt also der Streit: Sind das überhaupt landwirtschaftliche Flächen. Wenn ich diese riesige Fläche mit einem Bild der Grasbarbe ablichten soll... das weiß doch jeder, das sagt gar nichts. Absolut nichts. Ich kann eine hübsche Grasstelle aussuchen oder eine Wildkräuterecke. Unterschied 100% Wenn ich mein Hirn ausschalten würde, fände ich die ganzen Aufträge vielleicht nicht so schlimm. So aber grätsche ich zwischen krankem Mann, 21 Stunden Beruf und meiner Landwirtschaft und jeder Brief löst hier Tränen aus. Wenn ich allein an die vielen Telefonate der letzten Jahre denke: Was haben sie wann gedüngt.
Ich dünge nicht. Womit denn auch? Das bisserl, was wir an "Mist" (eher ist es Stroh) produzieren, geht an Gartenleute. Warum sollen die im Baumarkt Rindermist kaufen, wenn sie Schafmist für lau haben können. Dann kommt der nächste böse Brief: Sie haben keine NPK Berechnung abgegeben. Nee, wie auch. Wir düngen nicht. Diesen Herbst erstmalig die Möglichkeit anzukreuzen: Sie haben nicht gedüngt.
Öffz.
Anfühlen tut sich das wie die bewusste Sau, die durch den Ort getrieben wird. Betriebe wie wir sind nicht die, die die Felder braun färben. Wir sind noch nicht mal die, die im Winterhalbjahr die Grasnarbe löchern. Dazu sind die Schäfchen viel zu klein, die Verweilzeiten viel zu kurz. Ich würde mich freuen, wenn Niedersachsen wie andere Bundesländer Festmist mit CO2 Zertifikaten belegen würde. Dann würden wir den am Stück abgeben können und nicht immer Kleinklecker an die Privatleute. So bekomme ich den "Mist" nicht an Betriebe. Zu trocken. Schafmist - wir stallen ja nie länger auf- wir schaffen keine kwutschige Matratze - nimmt die Biogasanlage nicht. Wie allein zwischen den Bundesländern so unterschiedliche Bewertungen des Mistes möglich sind, ist mir schwer verständlich. Ist wie gesagt im Endergebnis egal. Das bisserl bekomme ich ja weiter. Aber einfacher wäre es, wenn das jemand am Stück ausbringen würde. Macht aber ja keiner freiwillig. Jetzt im Ernst. Hätte ich Trecker und Miststreuer, was ich nicht habe, könnte ich das ausbringen. Das bisserl auf 23 ha, das würde sogar mit AUM Maßnahmen gehen. Aber wie soll ich hier eine NPK Berechnung machen? Soll ich auf meiner Streuobstwiese eine Waage für den Hänger bauen lassen? Wovon und wofür. Die Verhältnismäßigkeit ist nicht da.
Die wöchentliche Satellitenbildkontrolle empfinde ich ebenfalls als zutiefst absurd! Ich bekomme also Fotobelegaufträge für die Nutzung. Ich habe keinen Trecker, beweide also alle Flächen. Mir fehlt jetzt die Info was das für Bilder sind. Wahllos knips fertig? Ja, dann erwischen wir die Schafe auf dem Bild womöglich gar nicht, weil die unter den Bäumen schlafen. Oder wird ein Bild bewusst gewählt, wo sie sichtbar sind. Wie sichtbar sind wir denn. Ich habe Skudden und WGH. Skudden mit 30 kg Lebendgewicht. Mit Wolle, Horn und allem drumherum. In Weiß - gut fürs Bild - braun und schwarz. Schwarz meist eher grau-braun meliert. Wie gut kann das die KI? Ist es am Ende sinnvoll solche Bilder zu erstellen oder ist das nur Beschäftigung, die in einer Prüfung endet, weil zwischen Maulwurfhügel und Skudde der Unterschied nicht erkennbar ist und somit die Meldezahlen nicht verifiziert werden können.
Womit wir zu den Meldedaten kommen. Warum um alles in der Welt fragt jede Stelle andere Größen ab. Männlich weiblich. Vater Muttertiere oder altersgestaffelt. Bis auf in der letzten Abfrage taucht der Zwitter nicht auf. Diskrepanz, die den Beamten den Kopf schütteln lassen muss. Ich bin komplett mit den Nerven runter wenn der Stichtag naht. Dieses Jahr wurde das dann noch getoppt- Von der Kürzung der Weidetierprämie zur nur noch Mutterschafprämie liegt der harte Weg der Geburtsdatenmeldung. Ernsthaft. Jetzt muss man dem Schaf auch noch zum Geburtstag gratulieren. Gut, war auszuarbeiten (bitte wörtlich, das war verdammt viel Zeit) weil wir Herdbuchzucht haben. Jetzt erkläre mir bitte jemand das Tierwohl, wenn ich im März geborene Meerschweinchen jetzt zum Bock bringe, damit ich 2024 dafür Prämie bekomme. Ich bin da raus! Im Schaffred ist gestern gerade ein Bild eingestellt worden (via Handy, sonst würde ich das eben hochbeamen, aber es ist so oder so hier mit dem Internet schwierig). Da sieht man wie winzig die Lämmer noch sind. Was um alles in der Welt denkt sich da der Gesetzgeber wenn die jetzt zum Bock gingen?
Ich stehe zeitlich mit dem Rücken zur Wand und die Brief- Mailflut mit Aufgaben wird jedes Jahr größer. Ich kann das nicht mehr. Ich weiß somit, dass irgendwann der Prüfer kommen wird. Und weiß allein nicht, wie ich das zeitlich unterbringen soll. Man kann es also ganz einfach zusammen fassen: Ich habe Angst. Und das wird darin münden, dass ich die AUM Maßnahmen zurückfahre. Nicht,weil die Flächen nicht korrekt genutzt würden. Ich war gerade erst in der Klinik. Wenn das unterm Jahr passiert wäre... wer hätte denn dann noch die Bürokratie machen sollen? Ich bin dankbar ein so großes soziales Netz zu haben, dass ich trotzdem um die Runden gekommen bin. Aber finanziell zerschlagen zu werden, weil ich die Bürokratie nicht mehr stemmen kann... ja, das bringt mich immer noch auf die Palme. Massiv. Angst und Wut prägen die tägliche Bürokratiearbeit. Wir sind einer der letzten Weidetierhalter im FFH Gebiet. Und ich schwanke zwischen Hoffnung und Panik, weil meine Tochter nach ihrem Studium den Betrieb übernehmen will. Natürlich will ich, dass es weiter geht. Aber wenn ich daran denke, wie oft mir die stabile Eiche als einfachere Lösung in den Sinn kommt... Wenn es da draußen nicht die vielen Naturerlebnisse gäbe. Wenn ich nicht jeden Tag sehen würde wie sich die Flächen positiv verändern. Wenn ich nicht wüsste, dass es ohne uns nicht mehr laufen würde...
So setze ich mich also dieser Quälerei weiter aus. Und denke wehmütig an die Zeiten zurück, wo ich von all dem unbelastet einfach der Natur gedient habe.
Wir haben nur das eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben.
Benutzeravatar
Staudo
Beiträge: 35555
Registriert: 7. Jul 2007, 08:39
Kontaktdaten:

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

Staudo » Antwort #2667 am:

frauenschuh hat geschrieben: 19. Okt 2023, 07:40
weil ich die Bürokratie nicht mehr stemmen kann...


Erlösung naht. Der Bürokratieabbau kommt. :-X Ich hatte in den 90ern ein paar Jahre Schafe. Die zwei Lämmer habe ich mir im Frühjahr vom Schäfer geholt und im Herbst vom Schäfer schlachten lassen. Unterm Strich wäre es billiger gewesen, Schaffleisch zu kaufen. Dafür hattten wir unseren Spaß mit den Tieren. Papierkram hatten wir damit keinen, gar keinen.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
Benutzeravatar
frauenschuh
Beiträge: 987
Registriert: 7. Jul 2015, 00:37
Region: Solling
Kontaktdaten:

Wir haben nur dieses eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben!

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

frauenschuh » Antwort #2668 am:

Auch wir könnten billiger Neuseeländisches Lamm kaufen als unseres verwerten :-X

Hier noch Bilder eine mit Fotobelegauftrag gesegneten Fläche. Die Fläche ist bereits einmal fertig durchbeweidet. Traditionell gehen wir, wenn die Wetterlage es zuläsdt, im Herbst noch einmal rauf. Mit sage und schreibe 7 Tieren, hüstel. Demnächst 8. Das Bocklamm rückt Ende Oktober an. Was man sieht... ein Bild hilft hier wenig.

Das Ende ist irgendwo hinter der Hecke, die ich brav von der Förderung rausgetechnet bekomme. Wie ein Drittel der oberen Fläche wegen Baumünerhang auch. Pacht darf ich aber für die jistorische Flächenparzelle zahlen. Die ist erheblich größer. Weswegen die BG höchst misstrauisch ist. Es lägen Differenzen zwischen der LWK Angabe und ihrer vor. Na da wundert ja nicht, wenn der Satellit erhebliche Flächenmengen abzieht.
Dateianhänge
20231019_090851.jpg
Wir haben nur das eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben.
Benutzeravatar
frauenschuh
Beiträge: 987
Registriert: 7. Jul 2015, 00:37
Region: Solling
Kontaktdaten:

Wir haben nur dieses eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben!

Re: Landwirtschaft Dein unbekannter Nachbar.

frauenschuh » Antwort #2669 am:

Ich bitte hier auch noch mal darauf zu achten, dass eine Grasnarbenverletzung nicht stattfindet. Hier Blick auf das bereits abgehütete Stück. Es wird nicht unter die Grasnarbe beweidet! Pufferzonen zum Gewässer: Schafe meiden Wasser wenn es irgend geht. Ob das vielleicht nicht sogar von denen aus übertrieben ist, können wir denen nicht vorschreiben. Aber wer hier im Forum schon mal versucht hat Lämmer über den Bach zu bringen, der kichert hier hemmungslos. Ergo. Wenn es sein muss frisst man am Bach. Um kaum damit fertig sofortigst nach oben zu klettern. Dort hat man trockene Füßchen und den totalen Überblick. Was dazu führt dass oben abgeköddelt wird. Es sind also keine Rinder oder Wasserbüffel, denen -zumindest Letzteren - Matsch so richtig gelegen kommt. Es sind auch keine Tränkestellen am Bach. Der Maurerkübel steht da ehrlich gesagt zur Zierde. Die haben im Moment keine Leckmasse. Da wird im Herbst nicht getrunken. Das Gras ist so nass...
Dateianhänge
20231019_090741.jpg
Wir haben nur das eine Leben. Dieses eine, wunderbare Leben.
Antworten