Hallo zusammen,
ein paar kleine Anmerkungen, teilweise basiernd auf eigenen Erfahrungen, sowie verifizierten Tipps basierend auf den jahrzehntelangen Erfahrungen von Ken Coates von der Coates Grafting Company aus den USA, sowie von Steven Edholm aka Skillcult:
- Bis heute kann ich nicht nachvollziehen, warum man überall liest, man könne oder solle nur einjährige Triebe veredeln. Daraufhin werden dann in der Not die dünnsten und schwächsten Triebe geschnitten, die nur dann sicher anwachsen, wenn man keine Fehler macht.
Bei Kernobst ist das Alter des Edelreises egal, ich habe schon 3-4 Jahre alte, 50 cm lange Triebe von schwachen Apfelbäumen veredelt, die gerade mal Bleistiftstärke hatten und die sind perfekt angewachsen. Warum auch nicht, Kambium ist per Definition immer der jüngste Teil des Baumes.
Eine Ausnahme ist Kirsche, da sollte nur vitales Holz veredelt werden (bezieht sich hier aber in erster Linie auf die Unterlage). Wobei ich auch da noch experimentieren muss, ob nicht auch da ältere Reiser zum veredeln geeignet sind.
- Blüten am Edelreis:
So früh wie möglich entfernen, da Blüten große Mengen an Reservestoffen für die Produktion von Pollen und Nektar verbrauchen, die dem Edelreis eigentlich für das Anwachsen und den Austrieb zur Verfügung stehen sollte.
Aus Blütenknospen beim Apfel entstehen im Regelfalle 1-2 Holztriebe, von denen man dann nur den mit der besten Position wachsen lassen sollte (den anderen entspitzen). Manchmal geht das nicht, wenns nur einer mit einem sehr ungünstigen Angangswinkel ist und dann gibt es manchmal einen kleinen Knick im späteren Stamm, aber das ist eher nur ein Schönheitsfehler.
- Triebe aus der Unterlage:
Bei Kernobst wirkt sich das im Regelfalle nicht negativ auf das Anwachsen aus, sondern in erster Linie wachstumshemmend. Bei später Veredelung, wenn bereits nenneswerter Saftdruck herrscht, kann ohne einen Zugast die Veredelung (insbesondere Kopulation) sogar ziemlich sicher fehlschlagen.
Bei Kirsche ist es allerdings anders. Zugäste oder starke Austriebe aus der Unterlage können das Anwachsen des Edelreises erheblich behindern, weil Kirsche den stärksten Austrieb fördert und andere Teile unterversorgt werden.
Kirsche möglichst immer nur in kompletter Winterruhe veredeln (Unterlage und Reiser), da Edelreiser anwachsen müssen, bevor nenneswerter Staftdruck entsteht. Ansonsten können die Reiser durch Saftdruck zu früh austreiben und dann geht die Energie nur in den Austrieb und nicht ins Verwachsen. Allerdings muss ich sagen, dass ich bisher keinen so nassen Boden hatte, dass Kirschunterlagen einen problematischen Saftdruck bei eigentlich zu später Veredelung gezeigt hätten.
Bei spät geschnittenen Reisern (kommt häufig vor, das einem die Reiser zu früh antreiben oder man zu spät schneidet) kann man als Trick geschwollene Knospen ausbrechen (Bruchstellen gut mit Wachs o.ä. gegen Austrocknung schützen), dann wachsen die nach meinen Erfahrungen immer noch sehr zuverlässig an und treiben kräftig aus den nahezu unsichtbaren Reserveknospen aus.
Beste Grüße in die Runde...