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Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten? (Gelesen 196257 mal)

Natur und Umwelt erleben und schützen
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sempervirens
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #975 am:

Staudo hat geschrieben: 2. Sep 2025, 09:54 Dafür bräuchte man erfahrungesgemäß eine neue Behörde, ein neues teures Computerprogramm, ganz viele neue Formulare und ganz, ganz viele neue Beamte. Diejenigen, die die Formulare ausfüllen müssen, machen das dann unbezahlt.
Das ist das klassische Totschlagargument gegen jede neue Idee in Deutschland: die Bürokratie. Aber ist diese Denkweise nicht Teil des Problems?

Warum gehen wir automatisch davon aus, dass wir für ein marktkonformes System eine Armee neuer Beamter brauchen? Der bereits existierende Emissionshandel für die Industrie funktioniert auch, ohne dass in jedem Unternehmen ein staatlicher Prüfer sitzt. Die Kontrolle kann über etablierte, private Zertifizierer laufen.

Das ganze könnte man mithilfe Digitale Erfassung, Satelliten-Monitoring zur Überprüfung von Flächen und würde die Prozesse sehr verschlanken ohne das es dabei ausufernd teuer ist.
Denn man muss hier zwischen den Anfangsinvestitionen und den laufenden Kosten differenzieren. Zweifellos können die Entwicklungskosten, für den Algorithmus zur Auswertung der Daten und der Bau der Satelliten sehr hoch sein. Hier könnte man aber auf bestehende Technologien und Infrastruktur aufgebaut werden, was die Entwicklungskosten erheblich senken könnte. Der entscheidende Punkt sind jedoch die extrem niedrigen Grenzkosten.
Und im Zweifel hat der Staat damit garnichts zu tun, weil dies genauso gut von privaten Zertifizierern übernommen werden könnte.

Was die unbezahlte unproduktive Arbeit angeht, die gibt es ja so ziemlich in jedem Bereich man denke nur an Rechnungen, Steuererklärungen, Beratungen ohne Verkaufserfolg uvm., dann lass uns das Finanzamt abschaffen, dann wird auch ein ganzer Zweig von Steuerberatern frei die sich dann mal "produktiv" in die Gesellschaft einbringen können ;)
Nein das Finanzamt hat natürlich hat auch das seinen Sinn und Zweck. Aber klar ich verstehe schon noch mehr Bürokratie auf ein bereits bürokratisches System zu bringen ist sicher nicht optimal. Ich denke man muss akzeptieren, dass sinnvolle Systeme eben einen gewissen administrativen Aufwand erfordern – egal ob es um Finanzen oder um unsere Natur geht.

Aber in diesem konkreten Beispiel würde sich der administrativen Aufwand gering ausfallen: Es ist keine Subvention, sondern die Bezahlung einer messbaren Systemdienstleistung. Deshalb genügt eine einmalige Anmeldung der Fläche – die kontinuierliche Leistung, wie die CO₂-Bindung, wird danach automatisch verifiziert. Die Bezahlung könnte sich dann, wie bei Carbon Capture, direkt am Marktpreis für die nachweislich erbrachte Klimaschutzleistung orientieren. Das Problem des komplizierten ausfüllen von langen Formularen ergibt sich dann nicht.

Wenn du diese Kostenrechnung merkwürdig findest, solltest du auch die ein oder andere volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Rechnung hinterfragen. Denn das ist ein klassischer Fall von Internalisierung negativer Externalitäten und Vermiedene Kosten (Avoided Costs).
Zuletzt geändert von sempervirens am 4. Sep 2025, 10:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Staudo
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

Staudo » Antwort #976 am:

sempervirens hat geschrieben: 3. Sep 2025, 08:50 Und im Zweifel hat der Staat damit garnichts zu tun, weil dies genauso gut von privaten Zertifizierern übernommen werden könnte.
Wer bezahlt die? ;D
Genau wegen dieses Aufwandes haben sich etliche Baumschulen aus der Produktion gebietsheimischer Gehölze zurückgezogen.
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sempervirens
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #977 am:

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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #978 am:

LadyinBlack hat geschrieben: 2. Sep 2025, 19:48 Die DUH halte ich für extrem unseriös.
Der Text einer aktuellen Kampagne legt nahe, dass dies auf Druck von Lobbygruppen geschieht, die von der Ausbeutung der Natur profitieren.
??? Diese Lobbygruppe nennt sich Wähler.
Es ist also ein direkter Weg, Einfluss zu nehmen und zu verhindern, dass Schutzstandards leise und heimlich gekippt werden, nur weil bestimmte politische Parteien ihre Mehrheiten ausnutzen wollen.
Nutzen, nicht ausnutzen.
Und zu behaupten , dass die Verfahren der EU intransparent wären, gibt sicher eine Menge Beifall von den Populisten von links und rechts.
sempervirens hat geschrieben:Es geht hier nicht um neue, radikale Forderungen, sondern um die Bewahrung von bereits exisitierenden und durchaus sinnvollen Gesetzen
In meinen Augen sind viele dieser Gesetze eben nicht sinnvoll. Es wird ja noch nicht einmal überprüft , ob sie überhaupt die angestrebten Ziele erreichen. Sicher ist aber, dass Regulierungen und Bürokratie mittlerweile die gesamte Gesellschaft durchdringen , den Einzelnen wie auch logischerweise Unternehmen lähmen und nicht nur zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand führen . Auch die Zukunftsaussichten unseres Landes verdunkeln sich weiter. Wir brauchen dringend private Investitonen, aber unsere Unternehmen halten den Standort nur noch. Investiert wird aktuell kaum. Das Potentialwachstum ist viel zu gering, auch wenn wir hier nur Schätzungen haben.
Ernstgemeinter Bürokratieabbau bedeutet Disruption. Nicht Abschwächung von Gesetzen sondern Streichung.
Und mit Sicherheit fällt gerade der Naturschutz hinten runter, wenn das auf nationaler und auf EU-Ebene nicht gelingt.
Was macht die DUH unseriös ?
Das Sie in zahlreichen deutschen Städten (wie Stuttgart, Hamburg oder Berlin) erfolgreich geklagt haben, dass die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide (NO₂) in der Luft eingehalten werden ? Da die Politik aus Sicht der DUH nicht ausreichend handelte, erzwangen die Gerichte als letztes Mittel Dieselfahrverbote in der Folge Wertverluste für Dieselbesitzer.

Oder ist es die Nutzung des Verbandsklagerechts oder die Praxis der Abmahnungen ? Oder das sie Gelder von Toyota bekommen haben und ihnen in dem Zusammenhang vorgeworfen wird das die Klagen gegen die deutsche Autoindustrie fremdgesteuert seien ?

Daraus ergibt sich eher das Bild das die DUH im Kern eine Art Kontrollinstanz des Rechtsstaats für den Umweltbereich ist. Über ihre konfrontativen Methoden kann und sollte man streiten, keine Frage. Die Tatsache aber, dass eine solche Organisation überhaupt so oft klagen muss, um geltendes Recht durchzusetzen, zeigt auch ein Problem. Sie sind vielleicht unbequem, aber offenbar notwendig. Unbequem sicherlich, unseriös weniger. Den Begriff "extrem unseriös'" finde ich in diesem Zusammenhang übertrieben. Diese Bezeichnung gehört für mich in die Sparte von Betrug und Scam, nicht in eine Auseinandersetzung über legitime, wenn auch streitbare, politische Mitte.

Aber selbst wenn man die DUH als 'extrem unseriös' betrachten würde, wäre das für den eigentlichen Sachverhalt unerheblich.
Die DUH ist in diesem Fall nur die Überbringerin der Nachricht, nicht deren Urheber.

Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich zuvor den Apell lediglich grob wiedergegeben habe und ihn mir nicht zu Eigen mache.
Was die politische Realität angeht, so stimme ich natürlich zu, dass gewählte Abgeordnete die Vertreter ihrer Wählerschaft sind. Gleichzeitig halte ich es für naiv, die Augen davor zu verschließen, dass innerhalb des politischen Systems verschiedene Gruppen ihre Partikularinteressen mit unterschiedlichem Erfolg durchsetzen.
Lobbyismus an sich ist dabei per se nichts Schlechtes. Er ist ein legitimer Teil des demokratischen Prozesses. Das Problem entsteht erst durch die ungleiche Verteilung von Einflussmöglichkeiten.
Begriffe wie "ausnutzen" hätte ich in diesem Zusammenhang auch nicht verwendet.
Ich denke die Argumentationskette um von einem "ausnutzen" zu sprechen aus Sicht eines Umweltverbandes ist folgende:
  • Bruch eines langfristigen Konsenses: Umweltgesetze wie die FFH-Richtlinie sind über Jahrzehnte gewachsen und stellen einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens dar. Eine neue, vielleicht nur knappe und temporäre politische Mehrheit zu verwenden, um dieses Fundament anzugreifen, wird als Bruch mit diesem langfristigen Einvernehmen gesehen. Man handelt nicht im Sinne des nachhaltigen Gemeinwohls, sondern nutzt eine kurzfristige Machtposition.
  • Ignorieren von wissenschaftlichen Fakten: In einer Zeit, in der die wissenschaftliche Evidenz für Klimawandel und Artensterben erdrückend ist, wird das aktive Schwächen von Schutzgesetzen als rücksichtslos und ignorant gegenüber Fakten wahrgenommen. Die Mehrheit wird genutzt, um wider besseres Wissen zu handeln.
  • Durchsetzung von Partikularinteressen: Der Appell unterstellt, dass die Gesetzesänderungen nicht dem Allgemeinwohl dienen, sondern primär den Interessen von Wirtschafts- und Agrarlobbys. Wenn eine Mehrheit also gezielt Gesetze zugunsten einer kleinen, aber einflussreichen Gruppe ändert und dabei den Schutz der Lebensgrundlagen für alle schwächt, wird dies als "Ausnutzen" der Machtposition für Klientelpolitik empfunden.
Deine Perspektive ist:
  • Erfüllung eines demokratischen Mandats: Sie wurden von den Bürgern gewählt, um ein bestimmtes Programm umzusetzen. Wenn dieses Programm zum Beispiel den Abbau von Bürokratie, dann ist es ihre demokratische Pflicht, ihre Mehrheit zu nutzen, um genau das zu tun
  • Anpassung an neue Realitäten: geänderte Umstände (z.B. Sorgen um Ernährungssicherheit, hohe Energiepreise, wirtschaftlicher Druck) und alte Gesetze daher neu bewertet werden müssen.
  • Korrektur einer politischen Fehlentwicklung: wenn viele der bestehenden Naturschutzgesetze überzogen und schaden der Wettbewerbsfähigkeit. Die Lockerung dieser Gesetze ist daher kein Angriff auf die Natur, sondern die notwendige Korrektur einer politischen Fehlentwicklung
Also ja "ausnutzen" kann als poltischer "Kampfbegriff" verstanden werden, aber es gibt durchaus Gründe dafür und dagegen, warum der Begriff passend oder unpassend ist. Ich selbst hätte ihn auch nicht gewählt.
Zuletzt geändert von sempervirens am 3. Sep 2025, 10:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #979 am:

thuja thujon hat geschrieben: 2. Sep 2025, 22:01 Wenn wir es seriös behandeln wollen:
sempervirens hat geschrieben: 2. Sep 2025, 09:18Der entscheidende Punkt ist meiner Meinung nach jedoch ein anderer: Es geht hier nicht um neue, radikale Forderungen, sondern um die Bewahrung von bereits exisitierenden und durchaus sinnvollen Gesetzen.
Ja mit was hat die DUH denn ein Problem? Kann das bitte jemand mal verlinken, das Beteiligungsverfahren der EU? Ich konnte auf die schnelle nichts finden, was die DUH zu der Unterschriftenliste veranlassen würde. Die DUH ist doch transparent, warum verlinkt sie nicht um was es geht?

Also nochmal, was hat die EU aktuell mit den Gesetzen vor? Warum müssen wir drüber sprechen?
Der Appell der DUH verweist auf die Kampagne HandsOffNature:https://handsoffnature.eu/the-campaign/ ( Hinweis: Die Kampagne ist nicht von der DUH. die DUH "bewirbt" sie lediglich )
Wenn ich es richtig verstanden habe geht es in etwa hierum:
  • Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law): Ein sehr neues und ambitioniertes Gesetz, das erst 2024 beschlossen wurde. Es verpflichtet die EU-Staaten erstmals, zerstörte Ökosysteme wie Moore und Flüsse aktiv wiederherzustellen. Der Streit dreht sich darum, die Umsetzung dieses Gesetzes zu verzögern, abzuschwächen oder finanziell nicht ausreichend auszustatten.
  • Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR): Ebenfalls ein neues Gesetz, das sicherstellen soll, dass für Produkte, die in der EU verkauft werden (wie Kaffee, Soja, Palmöl), keine Wälder gerodet wurden. Hier geht es in der Debatte vor allem um die Aufweichung der Nachweispflichten für Unternehmen und die Verschiebung von Fristen.
  • Die bestehenden Grundpfeiler (FFH- und Vogelschutzrichtlinie): Das sind die seit Jahrzehnten existierenden "Grundgesetze" des europäischen Naturschutzes. Hier gibt es immer wieder gezielte Vorstöße, den Schutzstatus einzelner Arten zu lockern oder bei Bauprojekten mehr Ausnahmen zuzulassen

Wenn ich die aktuelle Situation richtig deute, befürchten die Umweltverbände eine schleichende Aushöhlung und Verwässerung neuer und bestehender Naturschutzgesetze, bis diese letztlich wirkungslos werden.
Ich persönlich sehe nicht jede vorgeschlagene Änderung als problematisch an. Beispielsweise könnte ich mit einer Anpassung des strengen FFH-Schutzstatus für den Wolf leben, wenn dies sachlich begründet ist.
Die eigentliche Gefahr sehe ich in der grundsätzlichen Tendenz: Wenn wir heute hier eine Ausnahme machen und morgen dort eine weitere, untergraben wir das gesamte Schutzsystem. Am Ende genießt dann keine Art und kein Lebensraum mehr verlässlichen Schutz. Es gilt das alte Prinzip: Wehret den Anfängen.
thuja thujon hat geschrieben: 2. Sep 2025, 22:01
Wenn nicht klar ist von was wir reden können wir nur über sowas schwadronieren:
dann können wir uns nichtmal mehr einer schönen Natur erfreuen.
Das höre ich seit Jahrzehnten, dass die Natur tot sei, und deswegen gehen die Leute in die Natur, um sich dort zu erholen. ???

Die Frage der Definition, was ist Natur, was dagegen ist Umwelt, die ist für mich nach all den Jahrzehnten immer noch nicht geklärt.
Es gibt Leute die meinen mit Wald Natur, erholen sich also dort, bieten Badekurse dort an usw. Da sind sich aber scheinbar mindestens 2 konträre Lager einig: der Wald ist keine Natur! Aber das suchen die Leute...
Um das klarzustellen: Ich habe nie behauptet, die Natur sei tot.
Das ist sie natürlich nicht. Sie wäre es aber vielleicht, wenn wir der dystopischen Logik einer reinen Produktivitäts-Wirtschaft folgen würden.
Die Definition von Natur ist dabei natürlich ein dehnbarer Begriff. Zweifellos sind auch ein Maisacker oder eine Fichtenmonokultur eine Form von Natur. Das Problem liegt in unserer Wahrnehmung.
Es verhält sich wie in Platons Höhlengleichnis: Wenn man sein Leben lang nur die Schatten dessen gesehen hat, was von der ursprünglichen Natur übrig geblieben ist, wird man diese Schatten für die wahre Natur halten. Erst wenn man die Möglichkeit bekommt, eine wirklich artenreiche, ursprüngliche Natur zu erleben, erkennt man den gewaltigen Unterschied.

Genau deshalb ist Biodiversität für mich so fundamental wichtig. Sie bereichert uns nicht nur durch ihre Ökosystemdienstleistungen, sondern auch durch ihren ästhetischen Wert, der all unsere Sinne anspricht: die Vielfalt der Gerüche, Farben, Formen und Töne uvm.
hobab hat geschrieben: 3. Sep 2025, 07:31 Was ich nicht verstehe, ist das sich Beschweren darüber, dass Gebiete für den Naturschutz nur über Stiftungen und durch reiche Spender erworben werden. Soll der Staat wie in der DDR das Land verstaatlichen, oder halt Kitaessen und Schulneubau nicht mehr finanzieren?
Ich beschwere mich nicht darüber. Ich sehe es eher Pareto-optimal: Wenn Philanthropen und Stiftungen Flächen erwerben, ergibt das ja einen Netto-Nutzen, zumindest aus naturschutzfachlicher Sicht.
Was ich sagen wollte, ist: Wenn Naturschutz nur noch über diesen Weg funktioniert, läuft etwas falsch. In meinen Augen muss der Staat die Rahmenbedingungen setzen und das Einhalten dieser Spielregeln mit den entsprechenden juristischen und exekutiven Gewalten kontrollieren. Den Erhalt einer intakten Natur betrachte ich als eine dieser Rahmenbedingungen.
Wenn Naturschutz aber NUR noch über den Mechanismus 'Kapital' funktioniert, läuft in meinen Augen etwas falsch, denn dann ist er komplett abhängig vom Gutdünken von kapitalbesitzenden Einzelpersonen und Institutionen. Die können heute so und morgen anders denken.
Zum Glück ist es noch nicht so. Aber es ist traurigerweise schon heute so, dass manche dieser von Privaten "geretteten" Flächen wertvoller sind als das ein oder andere Naturschutzgebiet und ohne diese Intervention längst zu einer Beton- und Asphaltwüste umfunktioniert worden wären.
Das zeigt in meinen Augen, dass die Existenz einiger weniger strenger Naturschutzgesetze also nichts an der Tatsache ändert, dass wirtschaftliche Interessen in der Regel höher priorisiert werden, daher frage mich wieso man diese offenbar herunterschrauben muss.
Zuletzt geändert von sempervirens am 3. Sep 2025, 16:43, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

thuja thujon » Antwort #980 am:

Sempervirens, da war jetzt leider auch noch nichts konkretes dabei. Es ist immer schwierig, sich etwas auszudenken, und sich dann über dieses ausgedachte drüber aufzuregen. Weil oft trifft das in der Realität nie ein. Da muss man etwas anders an die Sache rangehen, zB als erstes feststellen, was überhaupt das Thema ist.

Dazu habe ich jetzt doch mal recherchiert, und was aktuell läuft ist die nationale Beteiligungsphase, bei der man seine Anliegen hier vorbringen kann:
https://beteiligung.bundesumweltministe ... -der-natur

Diese Option steht jedem Bürger frei. Auch Institutionen wie der DUH, aber nicht dieser alleine, sondern auch anderen.
Warum die DUH eine Kampagne draus strickt kann man sich fragen, und warum dort mit den Ängsten der Bürger gespielt wird auch. Und woher die DUH weiß, wie sich andere an der oben verlinkten Beteiligung inhaltlich beteiligen.
Und man kann sich fragen, warum andere auch Kampagnen stricken, die aber nicht die breite Öffentlichkeit erreichen.
Und man kann sich fragen, ob alle die bei der DUH unterschrieben haben, nicht besser selbst bei der Beteiligung hätten mitmachen sollen oder warum sie das nicht nachholen.

Und was den Maisacker oder die Fichtenreinkultur angeht, die sind nicht Natur, sondern sie unterliegen den Gesetzmäßigkeiten der Natur. Um existieren zu können, müssen sie in der Umwelt physikalisch vorhanden sein. Natur selbst ist abstrakt und nicht greifbar. Man kann sich also nicht in ihr bewegen. Das geht aber in der Umwelt, die Welt um einen herum.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

Nox » Antwort #981 am:

sempervirens hat geschrieben: 3. Sep 2025, 09:55 ........... Hier geht es in der Debatte vor allem um die Aufweichung der Nachweispflichten für Unternehmen und die Verschiebung von Fristen.

Wenn ich die aktuelle Situation richtig deute, befürchten die Umweltverbände eine schleichende Aushöhlung und Verwässerung neuer und bestehender Naturschutzgesetze, bis diese letztlich wirkungslos werden...

Genau deshalb ist Biodiversität für mich so fundamental wichtig. Sie bereichert uns nicht nur durch ihre Ökosystemdienstleistungen, sondern auch durch ihren ästhetischen Wert, der all unsere Sinne anspricht: die Vielfalt der Gerüche, Farben, Formen und Töne uvm.
Jetzt lese ich hier kopfschüttelnd schon eine Weile mit.

1. "Die Nachweispflichten für Unternehmer".... ähneln doch der unsäglichen Lieferkettennachweispflicht. Wer soll das denn durchführen, Betrug ist Tür und Tor geöffnet. Wenn Du mal wissen möchtest, wie die Auswirkungen von Satelliten-Überwachung auf motivierte, naturschützende Schafhalterinnen ist, dann lese mal im Faden "Schafe halten" nach.
Dort sind sie kurz vorm Nervenzusammenbruch wegen den Dokumentationspflichten.

2. "Verwässerung der Naturschutzgesetzte" ....
Genau das ist mal notwendig. Wir können uns 10 bis 20-jährige Planungsdauern nicht mehr leisten.
Klar, dass die Öko-Industrie (so bezeichne ich hauptberufliche, unternehmerisch strukturierte NGOs wie die DUH) das nicht goutiert. Aber genau diese Leute haben zur heutigen Über-Bürokratie geführt, mit der wir bald das Schlusslicht der industrialisierten Länder bilden.
Wenn wir die Mittel zum Naturschutz wegen allgemeiner Pleite nicht mehr erwirtschaften, ist der Sache auch nicht gedient.

3. "Ökosystemdienstleistungen" .... was für ein Monster, wer hat denn das zum Leben erweckt ?
.... sondern auch durch ihren ästhetischen Wert .... ja, da bin ich ganz bei Dir.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

Staudo » Antwort #982 am:

sempervirens hat geschrieben: 3. Sep 2025, 09:05 Private Zertifzierer
Nochmal: Wer bezahlt die? Die machen das doch nicht als Feierabendhobby.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

Gartenplaner » Antwort #983 am:

Nox hat geschrieben: 3. Sep 2025, 16:51 …haben zur heutigen Über-Bürokratie geführt, mit der wir bald das Schlusslicht der industrialisierten Länder bilden.
Wenn wir die Mittel zum Naturschutz wegen allgemeiner Pleite nicht mehr erwirtschaften, ist der Sache auch nicht gedient.
Tja….
thuja thujon hat geschrieben: 3. Sep 2025, 16:27 … warum dort mit den Ängsten der Bürger gespielt wird …
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #984 am:

Staudo hat geschrieben: 3. Sep 2025, 21:05
sempervirens hat geschrieben: 3. Sep 2025, 09:05 Private Zertifzierer
Nochmal: Wer bezahlt die? Die machen das doch nicht als Feierabendhobby.
In diesem hypothethischen marktkonformen Beispiel ohne viel staatliche Bürokratie würde der Landbesitzer den privaten Zertifizierer bezahlen.
Es ist eine Investition, um seine Klimaschutzleistung (die CO₂-Speicherung im Moor) in ein verkäufliches CO₂-Zertifikat umzuwandeln.
Der Landbesitzer verkauft dieses Zertifikat dann an Unternehmen, die ihre Emissionen ausgleichen wollen. Das System wird also letztlich von den CO₂-Verursachern finanziert.

Einnahmen
  • Verkauf von CO₂-Zertifikaten: Ein wiedervernässter Hektar Moor vermeidet im Vergleich zu einem trockengelegten, landwirtschaftlich genutzten Moor die Emission von ca. 20-30 Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Jahr.
  • Marktpreise: Der Preis für ein CO₂-Zertifikat im freiwilligen Markt schwankt stark, aber für hochwertige, regionale Projekte wie Moorschutz liegen die Preise oft deutlich höher als der Standard. Projekte wie "MoorFutures" in Deutschland verkaufen Zertifikate aktuell für ca. 70 € bis über 120 € pro Tonne.
Sobald die CO₂-Abscheidung für Unternehmen zur Pflicht wird, müssen diese zwangsläufig auf verfügbare Technologien wie CCS (Carbon Capture and Storage) zurückgreifen.
CCS jedoch mit sehr hohen Kosten pro Tonne CO₂ ( 100 - 1000 € je nach Verfahren) verbunden ist, fungiert diese Technologie als eine Art natürliche Preisobergrenze am Markt. Jede CO₂-Vermeidung, die günstiger ist als CCS, wird damit automatisch hochattraktiv und da wären die 70 € - 120 € sehr konkurrenzfähig.

Beispielrechnung:
20 Tonnen CO₂/ha * 70 €/Tonne = 1.400 € pro Hektar und Jahr

Ausgaben
  • Hohe Anfangsinvestition: Die Wiedervernässung selbst ist teuer und kostet je nach Zustand des Moores mehrere tausend Euro pro Hektar. Dies ist für einen Landwirt allein in der Regel nicht tragbar. Genau hier wären staatlichen Förderprogramme durchaus sinnvoll, die einen Großteil dieser Investitionskosten übernehmen.
  • Opportunitätskosten: Der Besitzer gibt die bisherige Nutzung (z.B. als Acker- oder Weideland) auf und verliert damit das bisherige Einkommen. Die Einnahmen aus den CO₂-Zertifikaten müssen diesen Verlust überkompensieren.
  • Laufende Kosten: Die Kosten für die private Zertifizierung und die regelmäßige Überprüfung müssen von den Einnahmen gedeckt werden.

Intake Moore würden aber etwas weniger einbringen, da ein Großer Anteil der CO2 Einspeicherung auf der CO2 Vermeidung durch die Zersetzung von Torf basiert.
Ein bereits intaktes Moor bindet etwa 1 Tonne CO2 pro Hekta. Dieses CO₂ wird im Moor Jahrtausende sicher konserviert ( insofern es nicht austrocknet). Ich bezahle lieber einen Moorbesitzer für die Erhaltung eines funktionierenden, natürlichen Speichers, als dass Unsummen für die künstliche Verpressung von CO₂ in den Boden ausgegeben wird.

Abschließend möchte ich betonen, dass dies ein rein hypothetisches Gedankenexperiment ist, wie ein solches System funktionieren könnte.
Ein EU-Gesetz, das Deutschland zur Wiedervernässung von Mooren verpflichtet, würde den Staat unter erheblichen Handlungsdruck setzen. Dies könnte einen starken Anreiz für die Regierung schaffen, schnelle und unbürokratische Finanzmittel für Landbesitzer bereitzustellen, um die gesetzlichen Ziele zu erreichen und drohende EU-Strafzahlungen zu vermeiden.
Der Erfolg eines solchen Modells würde jedoch entscheidend davon abhängen, dass diese Förderung nicht an zu viele Bedingungen geknüpft ist. Wären die Hürden zu hoch, würden die hohen Anfangsinvestitionen die Teilnahme für Landbesitzer von vornherein unattraktiv machen.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

thuja thujon » Antwort #985 am:

sempervirens hat geschrieben: 4. Sep 2025, 08:53Opportunitätskosten: Der Besitzer gibt die bisherige Nutzung (z.B. als Acker- oder Weideland) auf und verliert damit das bisherige Einkommen. Die Einnahmen aus den CO₂-Zertifikaten müssen diesen Verlust überkompensieren.
Von einem Hektar Mais kann man etwa 10 Tonnen Körnermais ernten, bekommt dafür etwa 1800€. Davon gehen die Bewirtschaftungskosten ab und es bleibt etwas übrig. Das etwas ist aber immer noch mehr wie die 120€ für ein CO2-Zertifikat. Hat man nur einen Hektar, sind die Kosten für den privaten Zertifizierer höher als der `Gewinn´.
Sprich, es macht keinen Sinn.
Ich werde deshalb auch nicht meinen Garten vernässen und ich denke viele hier im Forum würden es auch nicht tun.

Es wird also nix draus, wenn man nicht Zwangsenteignet.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #986 am:

Das ist die Frage wie produktiv der Boden ist.
Für manche könnte es Sinn ergeben.

Privater Garten ist damit ohnehin nicht gemeint.
Bei wiedervernässten Mooren mit 1400€ pro Hektar kommt man doch schon in Dimensionen wie mit dem Mais und das mit zurückhaltenden 70€ pro Tonne CO2.

Und für bewirtschaftung eines Feldes muss man neben Geld auch Zeit investieren ein Moor wäre so gesehen ein passives Einkommen
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

thuja thujon » Antwort #987 am:

Dann kann ein Schuh draus werden, wenn man damit nicht Haus und Hof verliert, weil man keine Landwirtschaft mehr ist, sondern CO2-Zertifikate Händler.

Und warum nicht auf den Garten ausdehnen? Ist doch auch private Fläche.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

Nox » Antwort #988 am:

sempervirens hat geschrieben: 4. Sep 2025, 08:53
  • Verkauf von CO₂-Zertifikaten: Ein wiedervernässter Hektar Moor vermeidet im Vergleich zu einem trockengelegten, landwirtschaftlich genutzten Moor die Emission von ca. 20-30 Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Jahr.
Intake Moore würden aber etwas weniger einbringen...
Ein bereits intaktes Moor bindet etwa 1 Tonne CO2 pro Hekta.
Aha, die CO2-Einsparung ist irgendetwas zwischen 20 to und 1 to/ha/Jahr. ?
Also geht die Rechnung im günstigsten Falle so, dass der CO2-Ausstoss von 2 Personen in Deutschland durch 1 ha Moor kompensiert würde.
Bevölkerungsdichte Deutschland: 240 Einwohner pro km2, das sind 2,4 Einwohnern pro ha - Rechnung geht nicht auf, würde ich mal sagen.

Ausserdem sind wir nicht bei 20 to/ha, denn diese kämen nur zustande, wenn Deutschland auf Ackerbau verzichten würde.
Und dann ? Mal wieder das Problem auslagern und alle Nahrungsmittel importieren ?

Fazit: Riesenwirbel, Riesenausgaben und marginaler Nutzen. Wird bei anderen Umweltschutz- und Klima-Projekten auch so liederlich gerechnet ?
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #989 am:

Den meisten Gärten fehlt dafür der Moorboden. Zudem funktioniert die Wiedervernässung nicht auf einer einzelnen Parzelle – für eine echte Vernässung müsste man vermutlich die ganze Nachbarschaft fluten.
Ein kleines, künstlich angelegtes Moorbeet ist zwar schön für die Artenvielfalt, aber sein Beitrag zum Klimaschutz ist vermutlich vernachlässigbar.
Der einzig logische erste Schritt ist daher, dort anzusetzen, wo es wirklich einen Unterschied macht: bei den großen, entwässerten Mooren, deren Sanierung ökologisch und ökonomisch am sinnvollsten ist.

Das wäre dann der Fall wenn der Boden ohnehin nicht produktiv ist und die Einnahmen über CO2 handeln die Verluste durch Aufgabe deutlich überkompensieren würden.
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