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Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten? (Gelesen 195341 mal)

Natur und Umwelt erleben und schützen
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sempervirens
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #975 am:

Staudo hat geschrieben: 2. Sep 2025, 09:54 Dafür bräuchte man erfahrungesgemäß eine neue Behörde, ein neues teures Computerprogramm, ganz viele neue Formulare und ganz, ganz viele neue Beamte. Diejenigen, die die Formulare ausfüllen müssen, machen das dann unbezahlt.
Das ist das klassische Totschlagargument gegen jede neue Idee in Deutschland: die Bürokratie. Aber ist diese Denkweise nicht Teil des Problems?

Warum gehen wir automatisch davon aus, dass wir für ein marktkonformes System eine Armee neuer Beamter brauchen? Der bereits existierende Emissionshandel für die Industrie funktioniert auch, ohne dass in jedem Unternehmen ein staatlicher Prüfer sitzt. Die Kontrolle kann über etablierte, private Zertifizierer laufen.

Das ganze könnte man mithilfe Digitale Erfassung, Satelliten-Monitoring zur Überprüfung von Flächen und würde die Prozesse sehr verschlanken ohne das es dabei ausufernd teuer ist.
Denn man muss hier zwischen den Anfangsinvestitionen und den laufenden Kosten differenzieren. Zweifellos können die Entwicklungskosten, für den Algorithmus zur Auswertung der Daten und der Bau der Satelliten sehr hoch sein. Hier könnte man aber auf bestehende Technologien und Infrastruktur aufgebaut werden, was die Entwicklungskosten erheblich senken könnte. Der entscheidende Punkt sind jedoch die extrem niedrigen Grenzkosten.
Und im Zweifel hat der Staat damit garnichts zu tun, weil dies genauso gut von privaten Zertifizierern übernommen werden könnte.

Was die unbezahlte unproduktive Arbeit angeht, die gibt es ja so ziemlich in jedem Bereich man denke nur an Rechnungen, Steuererklärungen, Beratungen ohne Verkaufserfolg uvm., dann lass uns das Finanzamt abschaffen, dann wird auch ein ganzer Zweig von Steuerberatern frei die sich dann mal "produktiv" in die Gesellschaft einbringen können ;)
Nein das Finanzamt hat natürlich hat auch das seinen Sinn und Zweck. Aber klar ich verstehe schon noch mehr Bürokratie auf ein bereits bürokratisches System zu bringen ist sicher nicht optimal. Ich denke man muss akzeptieren, dass sinnvolle Systeme eben einen gewissen administrativen Aufwand erfordern – egal ob es um Finanzen oder um unsere Natur geht.

Aber in diesem konkreten Beispiel würde sich der administrativen Aufwand gering ausfallen: Es ist keine Subvention, sondern die Bezahlung einer messbaren Systemdienstleistung. Deshalb genügt eine einmalige Anmeldung der Fläche – die kontinuierliche Leistung, wie die CO₂-Bindung, wird danach automatisch verifiziert. Die Bezahlung könnte sich dann, wie bei Carbon Capture, direkt am Marktpreis für die nachweislich erbrachte Klimaschutzleistung orientieren. Das Problem des komplizierten ausfüllen von langen Formularen ergibt sich dann nicht.
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Staudo
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

Staudo » Antwort #976 am:

sempervirens hat geschrieben: 3. Sep 2025, 08:50 Und im Zweifel hat der Staat damit garnichts zu tun, weil dies genauso gut von privaten Zertifizierern übernommen werden könnte.
Wer bezahlt die? ;D
Genau wegen dieses Aufwandes haben sich etliche Baumschulen aus der Produktion gebietsheimischer Gehölze zurückgezogen.
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sempervirens
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #977 am:

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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #978 am:

LadyinBlack hat geschrieben: 2. Sep 2025, 19:48 Die DUH halte ich für extrem unseriös.
Der Text einer aktuellen Kampagne legt nahe, dass dies auf Druck von Lobbygruppen geschieht, die von der Ausbeutung der Natur profitieren.
??? Diese Lobbygruppe nennt sich Wähler.
Es ist also ein direkter Weg, Einfluss zu nehmen und zu verhindern, dass Schutzstandards leise und heimlich gekippt werden, nur weil bestimmte politische Parteien ihre Mehrheiten ausnutzen wollen.
Nutzen, nicht ausnutzen.
Und zu behaupten , dass die Verfahren der EU intransparent wären, gibt sicher eine Menge Beifall von den Populisten von links und rechts.
sempervirens hat geschrieben:Es geht hier nicht um neue, radikale Forderungen, sondern um die Bewahrung von bereits exisitierenden und durchaus sinnvollen Gesetzen
In meinen Augen sind viele dieser Gesetze eben nicht sinnvoll. Es wird ja noch nicht einmal überprüft , ob sie überhaupt die angestrebten Ziele erreichen. Sicher ist aber, dass Regulierungen und Bürokratie mittlerweile die gesamte Gesellschaft durchdringen , den Einzelnen wie auch logischerweise Unternehmen lähmen und nicht nur zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand führen . Auch die Zukunftsaussichten unseres Landes verdunkeln sich weiter. Wir brauchen dringend private Investitonen, aber unsere Unternehmen halten den Standort nur noch. Investiert wird aktuell kaum. Das Potentialwachstum ist viel zu gering, auch wenn wir hier nur Schätzungen haben.
Ernstgemeinter Bürokratieabbau bedeutet Disruption. Nicht Abschwächung von Gesetzen sondern Streichung.
Und mit Sicherheit fällt gerade der Naturschutz hinten runter, wenn das auf nationaler und auf EU-Ebene nicht gelingt.
Was macht die DUH unseriös ?
Das Sie in zahlreichen deutschen Städten (wie Stuttgart, Hamburg oder Berlin) erfolgreich geklagt haben, dass die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide (NO₂) in der Luft eingehalten werden ? Da die Politik aus Sicht der DUH nicht ausreichend handelte, erzwangen die Gerichte als letztes Mittel Dieselfahrverbote in der Folge Wertverluste für Dieselbesitzer.

Oder ist es die Nutzung des Verbandsklagerechts oder die Praxis der Abmahnungen ? Oder das sie Gelder von Toyota bekommen haben und ihnen in dem Zusammenhang vorgeworfen wird das die Klagen gegen die deutsche Autoindustrie fremdgesteuert seien ?

Daraus ergibt sich eher das Bild das die DUH im Kern eine Art Kontrollinstanz des Rechtsstaats für den Umweltbereich ist. Über ihre konfrontativen Methoden kann und sollte man streiten, keine Frage. Die Tatsache aber, dass eine solche Organisation überhaupt so oft klagen muss, um geltendes Recht durchzusetzen, zeigt auch ein Problem. Sie sind vielleicht unbequem, aber offenbar notwendig. Unbequem sicherlich, unseriös weniger. Den Begriff "extrem unseriös'" finde ich in diesem Zusammenhang übertrieben. Diese Bezeichnung gehört für mich in die Sparte von Betrug und Scam, nicht in eine Auseinandersetzung über legitime, wenn auch streitbare, politische Mitte.

Aber selbst wenn man die DUH als 'extrem unseriös' betrachten würde, wäre das für den eigentlichen Sachverhalt unerheblich.
Die DUH ist in diesem Fall nur die Überbringerin der Nachricht, nicht deren Urheber.

Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich zuvor den Apell lediglich grob wiedergegeben habe und ihn mir nicht zu Eigen mache.
Was die politische Realität angeht, so stimme ich natürlich zu, dass gewählte Abgeordnete die Vertreter ihrer Wählerschaft sind. Gleichzeitig halte ich es für naiv, die Augen davor zu verschließen, dass innerhalb des politischen Systems verschiedene Gruppen ihre Partikularinteressen mit unterschiedlichem Erfolg durchsetzen.
Lobbyismus an sich ist dabei per se nichts Schlechtes. Er ist ein legitimer Teil des demokratischen Prozesses. Das Problem entsteht erst durch die ungleiche Verteilung von Einflussmöglichkeiten.
Begriffe wie "ausnutzen" hätte ich in diesem Zusammenhang auch nicht verwendet.
Ich denke die Argumentationskette um von einem "ausnutzen" zu sprechen aus Sicht eines Umweltverbandes ist folgende:
  • Bruch eines langfristigen Konsenses: Umweltgesetze wie die FFH-Richtlinie sind über Jahrzehnte gewachsen und stellen einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens dar. Eine neue, vielleicht nur knappe und temporäre politische Mehrheit zu verwenden, um dieses Fundament anzugreifen, wird als Bruch mit diesem langfristigen Einvernehmen gesehen. Man handelt nicht im Sinne des nachhaltigen Gemeinwohls, sondern nutzt eine kurzfristige Machtposition.
  • Ignorieren von wissenschaftlichen Fakten: In einer Zeit, in der die wissenschaftliche Evidenz für Klimawandel und Artensterben erdrückend ist, wird das aktive Schwächen von Schutzgesetzen als rücksichtslos und ignorant gegenüber Fakten wahrgenommen. Die Mehrheit wird genutzt, um wider besseres Wissen zu handeln.
  • Durchsetzung von Partikularinteressen: Der Appell unterstellt, dass die Gesetzesänderungen nicht dem Allgemeinwohl dienen, sondern primär den Interessen von Wirtschafts- und Agrarlobbys. Wenn eine Mehrheit also gezielt Gesetze zugunsten einer kleinen, aber einflussreichen Gruppe ändert und dabei den Schutz der Lebensgrundlagen für alle schwächt, wird dies als "Ausnutzen" der Machtposition für Klientelpolitik empfunden.
Deine Perspektive ist:
  • Erfüllung eines demokratischen Mandats: Sie wurden von den Bürgern gewählt, um ein bestimmtes Programm umzusetzen. Wenn dieses Programm zum Beispiel den Abbau von Bürokratie, dann ist es ihre demokratische Pflicht, ihre Mehrheit zu nutzen, um genau das zu tun
  • Anpassung an neue Realitäten: geänderte Umstände (z.B. Sorgen um Ernährungssicherheit, hohe Energiepreise, wirtschaftlicher Druck) und alte Gesetze daher neu bewertet werden müssen.
  • Korrektur einer politischen Fehlentwicklung: wenn viele der bestehenden Naturschutzgesetze überzogen und schaden der Wettbewerbsfähigkeit. Die Lockerung dieser Gesetze ist daher kein Angriff auf die Natur, sondern die notwendige Korrektur einer politischen Fehlentwicklung
Also ja "ausnutzen" kann als poltischer "Kampfbegriff" verstanden werden, aber es gibt durchaus Gründe dafür und dagegen, warum der Begriff passend oder unpassend ist. Ich selbst hätte ihn auch nicht gewählt.
Zuletzt geändert von sempervirens am 3. Sep 2025, 10:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie können wir die noch vorhandene Natur erhalten?

sempervirens » Antwort #979 am:

thuja thujon hat geschrieben: 2. Sep 2025, 22:01 Wenn wir es seriös behandeln wollen:
sempervirens hat geschrieben: 2. Sep 2025, 09:18Der entscheidende Punkt ist meiner Meinung nach jedoch ein anderer: Es geht hier nicht um neue, radikale Forderungen, sondern um die Bewahrung von bereits exisitierenden und durchaus sinnvollen Gesetzen.
Ja mit was hat die DUH denn ein Problem? Kann das bitte jemand mal verlinken, das Beteiligungsverfahren der EU? Ich konnte auf die schnelle nichts finden, was die DUH zu der Unterschriftenliste veranlassen würde. Die DUH ist doch transparent, warum verlinkt sie nicht um was es geht?

Also nochmal, was hat die EU aktuell mit den Gesetzen vor? Warum müssen wir drüber sprechen?
Der Appel der DUH verweist auf die Kampagne HandsOffNature:https://handsoffnature.eu/the-campaign/
Wenn ich es richtig verstanden habe geht es in etwa hierum:
  • Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law): Ein sehr neues und ambitioniertes Gesetz, das erst 2024 beschlossen wurde. Es verpflichtet die EU-Staaten erstmals, zerstörte Ökosysteme wie Moore und Flüsse aktiv wiederherzustellen. Der Streit dreht sich darum, die Umsetzung dieses Gesetzes zu verzögern, abzuschwächen oder finanziell nicht ausreichend auszustatten.
  • Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR): Ebenfalls ein neues Gesetz, das sicherstellen soll, dass für Produkte, die in der EU verkauft werden (wie Kaffee, Soja, Palmöl), keine Wälder gerodet wurden. Hier geht es in der Debatte vor allem um die Aufweichung der Nachweispflichten für Unternehmen und die Verschiebung von Fristen.
  • Die bestehenden Grundpfeiler (FFH- und Vogelschutzrichtlinie): Das sind die seit Jahrzehnten existierenden "Grundgesetze" des europäischen Naturschutzes. Hier gibt es immer wieder gezielte Vorstöße, den Schutzstatus einzelner Arten zu lockern oder bei Bauprojekten mehr Ausnahmen zuzulassen

Wenn ich die aktuelle Situation richtig deute, befürchten die Umweltverbände eine schleichende Aushöhlung und Verwässerung neuer und bestehender Naturschutzgesetze, bis diese letztlich wirkungslos werden.
Ich persönlich sehe nicht jede vorgeschlagene Änderung als problematisch an. Beispielsweise könnte ich mit einer Anpassung des strengen FFH-Schutzstatus für den Wolf leben, wenn dies sachlich begründet ist.
Die eigentliche Gefahr sehe ich in der grundsätzlichen Tendenz: Wenn wir heute hier eine Ausnahme machen und morgen dort eine weitere, untergraben wir das gesamte Schutzsystem. Am Ende genießt dann keine Art und kein Lebensraum mehr verlässlichen Schutz. Es gilt das alte Prinzip: Wehret den Anfängen.
thuja thujon hat geschrieben: 2. Sep 2025, 22:01
Wenn nicht klar ist von was wir reden können wir nur über sowas schwadronieren:
dann können wir uns nichtmal mehr einer schönen Natur erfreuen.
Das höre ich seit Jahrzehnten, dass die Natur tot sei, und deswegen gehen die Leute in die Natur, um sich dort zu erholen. ???

Die Frage der Definition, was ist Natur, was dagegen ist Umwelt, die ist für mich nach all den Jahrzehnten immer noch nicht geklärt.
Es gibt Leute die meinen mit Wald Natur, erholen sich also dort, bieten Badekurse dort an usw. Da sind sich aber scheinbar mindestens 2 konträre Lager einig: der Wald ist keine Natur! Aber das suchen die Leute...
Um das klarzustellen: Ich habe nie behauptet, die Natur sei tot.
Das ist sie natürlich nicht. Sie wäre es aber vielleicht, wenn wir der dystopischen Logik einer reinen Produktivitäts-Wirtschaft folgen würden.
Die Definition von Natur ist dabei natürlich ein dehnbarer Begriff. Zweifellos sind auch ein Maisacker oder eine Fichtenmonokultur eine Form von Natur. Das Problem liegt in unserer Wahrnehmung.
Es verhält sich wie in Platons Höhlengleichnis: Wenn man sein Leben lang nur die Schatten dessen gesehen hat, was von der ursprünglichen Natur übrig geblieben ist, wird man diese Schatten für die wahre Natur halten. Erst wenn man die Möglichkeit bekommt, eine wirklich artenreiche, ursprüngliche Natur zu erleben, erkennt man den gewaltigen Unterschied.

Genau deshalb ist Biodiversität für mich so fundamental wichtig. Sie bereichert uns nicht nur durch ihre Ökosystemdienstleistungen, sondern auch durch ihren ästhetischen Wert, der all unsere Sinne anspricht: die Vielfalt der Gerüche, Farben, Formen und Töne uvm.
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